Ausland14. März 2024

Der Westen rüstet auf

Staaten Europas verdoppeln Rüstungsimporte. Im Rüstungsexport dominieren die USA auch den europäischen Markt

von German Foreign Policy

Europäische Staaten haben ihre Rüstungsimporte im vergangenen Fünfjahreszeitraum nahezu verdoppelt und treiben damit die Militarisierung weltweit an vorderster Stelle voran. Dies geht aus aktuellen Statistiken des Stockholmer Forschungsinstituts SIPRI hervor. Demnach sind in allen Großregionen weltweit von Afrika über den Mittleren Osten bis Südostasien die Waffeneinfuhren zuletzt teils deutlich zurückgegangen – nur in Europa schnellten sie um 94 Prozent in die Höhe.

Globaler Rückgang im Waffenhandel

Der globale Waffenhandel lag im Fünfjahreszeitraum von 2019 bis 2023 schon um fast die Hälfte über dem Wert zur Jahrtausendwende; er hatte seinen Wert aus den letzten Jahren des Kalten Kriegs zu knapp drei Vierteln wieder erreicht. Gegenüber 2014 bis 2018 ging er allerdings leicht um rund 3,3 Prozent zurück – dies, weil die Rüstungseinfuhren in allen Großregionen mit Ausnahme von Europa schrumpften. So gingen die Waffenimporte in Nord- und Südamerika um 7,2 Prozent, in Asien und der Pazifikregion um 12 Prozent, im Nahen und Mittleren Osten ebenfalls um 12 Prozent sowie in Afrika um 52 Prozent zurück.

Gegenläufig dazu wuchsen die Käufe von Kriegsgerät vor allem in einzelnen Ländern, die sich eng an der Seite der USA für einen möglichen Krieg gegen China rüsten – in Südkorea (plus 6,5 Prozent) und in Japan (plus 155 Prozent). Auch die Philippinen, die sich seit Mitte 2022 den USA als Stützpunkt für den militärischen Aufmarsch gegen China zur Verfügung stellen, steigerten ihre Rüstungskäufe um rund 105 Prozent. In Südostasien insgesamt hingegen ging die Einfuhr von Kriegsgerät im selben Zeitraum um 43 Prozent zurück.

Maßgeblich getrieben wird der globale Waffenhandel aktuell von den USA. Europäische Staaten steigerten ihre Rüstungsimporte von 2019 bis 2023 um 94 Prozent gegenüber dem Fünfjahreszeitraum zuvor. Von der nahezu verdoppelten Waffeneinfuhr gingen 23 Prozent in die Ukraine. Doch auch andere europäische Staaten weiteten ihre Rüstungsimporte um rund ein Viertel aus.

Hinzu kommt, daß fünf der acht größten Rüstungsexporteure in Westeuropa liegen; Frankreich ist zum zweitgrößten Waffenverkäufer der Welt aufgestiegen, Deutschland steht – vor Italien, Britannien, Spanien – auf Rang fünf. Während Rußland zurückfiel und mit 11 Prozent aller Rüstungsexporte weltweit auf Platz drei liegt – vor China, dessen Anteil auf 5,8 Prozent sank –, konnte Frankreich seinen Anteil um 47 Prozent auf 11 Prozent steigern. Unangefochtene Nummer eins sind allerdings völlig unverändert die USA. Stellten sie im Fünfjahreszeitraum von 2014 bis 2018 noch 34 Prozent sämtlicher Waffenausfuhren weltweit, so konnten sie ihre Spitzenposition ausbauen und lagen nun schon bei 42 Prozent.

Prognosen für den Waffenexport

Die naheliegende Vermutung, die westlichen Staaten dürften auch künftig die Spitzenplätze auf der Rangliste der größten Waffenexporteure weltweit dominieren, läßt sich laut Einschätzung von SIPRI mit einem Blick auf die aktuellen Auftragsbestände der jeweiligen Rüstungskonzerne erhärten. Insbesondere ins Gewicht fallen dabei – wegen ihrer hohen Kaufpreise – Militärflugzeuge und Kriegsschiffe. Laut SIPRI haben USA-Konzerne aktuell Aufträge zur Lieferung von 1.071 Kampfflugzeugen und 390 Kampfhubschraubern in ihren Büchern – weit mehr als alle anderen Staaten zusammengenommen. Hinzu kommen unter anderem Aufträge für die Lieferung von 561 Kampfpanzern.

Französische Konzerne haben die Ausfuhr von 223 Kampfjets und 20 großen Kriegsschiffen zugesagt, deutsche Unternehmen den Export von 25 großen Kriegsschiffen und 241 Kampfpanzern. China und Rußland liegen mit 94 beziehungsweise 78 Kampfjets und wenigen Kriegsschiffen klar zurück.

Rüstungsindustrie der USA dominiert

Die dramatische Zunahme der Waffenimporte nach Europa jenseits der Ukraine geht vor allem auf die bereits 2014 beschlossene Steigerung der nationalen Rüstungshaushalte in den NATO-Staaten auf zwei Prozent des Bruttoinlandsprodukts zurück. Mehrere Staaten geben sogar deutlich mehr aus – Polen derzeit 3,9 Prozent.

Die gesteigerten Waffenkäufe werden nur zum Teil durch die jeweils nationale Rüstungsindustrie gedeckt. Dabei stieg in Europa der Anteil der Waffeneinfuhren aus den USA laut SIPRI von 35 Prozent (2014 bis 2018) auf 55 Prozent. In der EU erreichte er laut Angaben der EU-Kommission zwischen dem 24. Februar 2022 und Juni 2023 sogar 63 Prozent.

Noch weiter gestärkt werden Einfluß wie auch Absatz der USA-Rüstungsindustrie dadurch, daß Washington die partielle Verlagerung der Rüstungsproduktion ins Ausland vorantreibt, um zusätzliche Kapazitäten zu erlangen. So produzieren Fabriken in Australien und in Japan in Lizenz Munition und Patriot-Flugabwehrsysteme. Der polnische Rüstungskonzern PGZ fertigt mit einer Lizenz von Northrop Grumman Panzermunition. Die Kooperation ermöglicht es der Rüstungsindustrie der USA, ihren Weltmarktanteil noch weiter auszudehnen.

Daran beteiligt sich auch die Düsseldorfer Waffenschmiede Rheinmetall. Das Unternehmen hat im Sommer 2023 begonnen, im niederrheinischen Weeze eine Fabrik zu errichten, in der Rumpfmittelteile für Kampfjets vom Typ F-35 produziert werden sollen, die für den Export bestimmt sind. Die Produktion in Weeze setzt in den USA Kapazitäten für die Herstellung anderen Kriegsgeräts frei; Rheinmetall wiederum sichert sie Zusatzprofite und den Ausbau der Konzernbeziehungen in die USA.

Frankreichs Schwäche

Dies stößt auf Unmut in Paris. Daß die USA jetzt auch Konzerne aus EU-Mitgliedstaaten fest in ihre Fertigungsketten einbinden, mindert die Chancen französischer Firmen zusätzlich. Laut Angaben von SIPRI gingen in den vergangenen fünf Jahren 42 Prozent aller französischen Rüstungsexporte nach Asien oder in die Pazifikregion, 34 Prozent in den Nahen und Mittleren Osten; nur 9,1 Prozent konnten in Europa abgesetzt werden. Rund die Hälfte der französischen Rüstungsexporte nach Europa bestand allein aus dem Verkauf von 17 Kampfjets des Typs Rafale an Griechenland.

Die geschwächte Position der französischen Rüstungsindustrie auf dem europäischen Waffen-Markt wirft ein Licht auf die hohe Bedeutung, die Frankreich der neuen EU-Strategie für die Förderung der Rüstungsindustrie in der EU beimißt.