Ausland25. Januar 2025

Freiheit für Leonard Peltier

Scheidender USA-Präsident entläßt politischen Gefangenen in den Hausarrest

von Melina Deymann

Raus aus der WHO und dem Klimaabkommen, Notstand an der Grenze zu Mexiko inklusive Militäreinsatz, Kuba wieder auf der Liste der Terrorstaaten, Rechteabbau für Migranten, Aussetzung der Sanktionen gegen israelische Siedler, umfassendes Pardon für die an der Stürmung des Kapitols Beteiligten. Freudig unterzeichnete der neue USA-Präsident ein Dekret und einen Erlaß nach dem anderen, erregt kommentiert die Presse jede Unterschrift.

In all dem Trubel wäre die gute Nachricht, die es in den letzten Stunden der Biden-Präsidentschaft gab, fast untergegangen. Leonard Peltier ist nach rund 50 Jahren Haft zwar nicht begnadigt, aber immerhin in den Hausarrest entlassen worden. Der Lakota-Sioux, Aktivist und Mitglied des American Indian Movements (AIM) war am 6. Februar 1976 unter dem Vorwurf verhaftet worden, er habe bei einer Schießerei im Reservat Pine Ridge zwei FBI-Beamte erschossen. Im April 1977 wurde Peltier zu zwei aufeinanderfolgenden lebenslangen Haftstrafen verurteilt.

Der Prozeß strotzte von Widersprüchen – Leonard Peltier hätte nicht verurteilt werden dürfen. Als sich zum Beispiel herausstellte, daß Peltier einen orange-weißen Van fuhr und nicht einen roten Pick-up wie zuvor von der Anklage behauptet, änderten Zeugen des FBI ihre Aussage und beteuerten dann, daß sie nach so einem Auto gesucht hätten und nicht nach einem roten. Auch die ballistischen Beweise legten nahe, daß es zumindest andere Verdächtige geben müsse: Einige – wenn nicht alle – der Patronenhülsen am Tatort stammten nicht aus der Waffe Peltiers. Zudem hatte der inzwischen 80-Jährige stets seine Unschuld beteuert.

Doch Beweise zählen in den USA nichts, wenn es gegen Aktivisten der Bürgerrechtsbewegung geht. Seit Jahrzehnten hatte der zuständige Bewährungsausschuß trotz zahlreicher Hinweise auf einen unfairen Prozeß eine Ende der Haft für Peltier abgelehnt, zuletzt im Juli vergangenen Jahres. Für seine Freilassung hatten sich neben zahlreichen Solidaritätsgruppen weltweit und Organisationen wie Amnesty International auch Menschen wie Nelson Mandela und Mutter Teresa eingesetzt.

Der ehemalige USA-Präsident Barack Obama lehnte wie sein Parteikollege William Clinton eine Begnadigung ab, auch, weil es Proteste durch das FBI gegeben habe.

2022 hatte die Arbeitsgruppe »Willkürliche Inhaftierung« des Menschenrechtsrates der UNO in einer siebzehnseitigen Analyse festgestellt, daß Leonard Peltiers Haft willkürlich ist und gegen Menschenrechte sowie bürgerliche und politische Rechte verstößt. Sie forderten die USA-Regierung auf, »unverzüglich Abhilfe zu schaffen und die Situation in Einklang mit den einschlägigen internationalen Normen zu bringen«.

Der Jurist und ehemalige Leiter des FBI Christopher Wray hat in den letzten Tagen von Bidens Präsidentschaft zu verhindern versucht, daß Peltier in den Hausarrest entlassen wird. Und dabei nebenbei gezeigt, was die Bundespolizei der USA vom Internationalem Recht hält. Für ihn ist dieser Schritt »nicht nur ungerechtfertigt«. Er stelle auch einen »Verstoß gegen Rechtsstaatlichkeit« dar.

Daß Leonard Peltier – voraussichtlich im Februar – das Gefängnis verlassen kann, ist eine gute Nachricht. Aber Gnade eines scheidenden Präsidenten ersetzt kein Recht. Mit der Freilassung Leonard Peltiers wird Mumia Abu Jamal der am längsten in Haft sitzende politische Gefangene in den USA sein.

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