Das »Bellen der NATO an Rußlands Tür«
Der Papst und das »Luxemburger Wort«. Warum in den »freiheitlichen Medien« Aussagen des Pontifex verschwiegen werden
Die italienische Tageszeitung »Corriere della Sera« hat am Dienstag ein Interview mit Papst Franziskus, dem Oberhaupt der Katholischen Kirche veröffentlicht. Die Äußerungen des argentinischen Geistlichen fanden ein großes Echo in aller Welt, einige seiner Worte aber stießen auf taube Ohren – oder wurden gar nicht gehört
Das »Luxemburger Wort«, die Zeitung »für Wahrheit und Recht« widmete dem Interview am Mittwoch ein Drittel einer Seite. Allerdings berichtet ausgerechnet die Tageszeitung, die der katholischen Kirche eng verbunden ist, nur über die Aspekte der Ansichten des Papstes, die der Redaktion und den Regierenden genehm sind. Die Zeitung, die allwöchentlich den Veranstaltungen der Kirche mehrere Seiten widmet, verschweigt wichtige Äußerungen und verbreitet also die Unwahrheit über die Worte des Bischofs von Rom.
So werden die Leserinnen und Leser fast ausschließlich darüber informiert, daß der Papst unzufrieden ist über die Haltung des Oberhaupts der Russisch-orthodoxen Kirche. Kirill habe ihm seitenlang eine Stellungnahme vorgelesen, die der Position der russischen Regierung entspricht, klagte Franziskus. Und wir erfahren, daß sämtliche Versuche, mit Putin ins Gespräch zu kommen, bisher nicht zu einem Ergebnis geführt haben.
So weit, so gut. Aber schon die Aussage, daß Franziskus den italienischen Interviewern gesagt hat, er könne »derzeit nicht nach Kiew«, wird den »Wort-Lesern unterschlagen. »Zuerst muß ich nach Moskau, zuerst muß ich Putin treffen«, erklärte er.
Ebenso verschwiegen wird im »Wort« die Haltung des Papstes zu Waffen und Waffenlieferungen. Immerhin stand die Ablehnung des Wettrüstens schon immer im Zentrum der Doktrin des Papstes, ebenso sein Nein zur Eskalation bei der Produktion von Waffen, die früher oder später von irgendjemandem im Einsatz erprobt werden und Tod und Leid verursachen. Die Frage, ob es richtig ist, die Ukrainer zu beliefern, »kann ich nicht beantworten, dazu bin ich zu weit weg«, sagte er.
»Klar ist nur, daß dort Waffen getestet werden. Die Russen wissen jetzt, daß Panzer wenig nützlich sind und denken an andere Dinge. Deshalb werden Kriege geführt: um die Waffen zu testen, die wir produziert haben. So war es auch im Spanischen Bürgerkrieg vor dem Zweiten Weltkrieg. Der Waffenhandel ist ein Skandal, den nur wenige bekämpfen. Vor zwei oder drei Jahren traf in Genua ein Schiff ein, das mit Waffen beladen war, die auf ein großes Frachtschiff für den Transport in den Jemen umgeladen werden sollten. Die Hafenarbeiter wollten das nicht tun. Sie sagten: Laßt uns an die Kinder im Jemen denken. Es ist eine kleine Sache, aber eine nette Geste. Es sollte viele davon geben.«
Besonders interessant ist allerdings, wie der Bischof von Rom über die Beweggründe für den Krieg Rußlands in der Ukraine denkt. Dazu heißt es wörtlich in »Corriere della Sera«:
Die Sorge von Papst Franziskus ist, daß Putin vorerst nicht aufhören wird. Er versucht auch, die Ursachen für dieses Verhalten zu ergründen, die Beweggründe, die ihn zu einem so brutalen Krieg treiben. Vielleicht hat das »Bellen der NATO an Rußlands Tür« den Kremlchef dazu gebracht, schlecht zu reagieren und den Konflikt zu entfesseln. »Ein Zorn, von dem ich nicht sagen kann, ob er provoziert wurde«, fragt er sich, »aber vielleicht wurde er begünstigt«.
Offenbar bedarf es auch hierzulande einer kommunistischen Zeitung, um eine Botschaft des Oberhaupts der katholischen Kirche nicht nur zu interpretieren, sondern zu verbreiten.