Leitartikel06. April 2024

»Dunkle Mächte der Desinformation«

von Uli Brockmeyer

Der Leitartikler in der Osterausgabe des »Luxemburger Wort« machte sich große Sorgen über »russische Desinformationskampagnen«. So sei zum Beispiel die Aufregung über Bettwanzen in Frankreich vor allem auf »Putins Trolle« zurückzuführen, und auch irgendwie irreführemde Meldungen über die Erkrankung der Gattin des britischen Thronfolgers hätten wohl ihren Ursprung in Moskau. Die Rede ist von »Dunklen Mächten der Desinformation«.

Man könnte natürlich die Frage aufwerfen, welchen Nutzen die russische Führung aus solchen »Kampagnen« ziehen wollte. Der Hype über Bettwanzen hat weder den französischen Staat geschwächt, noch dem Tourismus sichtbar geschadet. Spekulationen über die Londoner Royals haben eher die Verbundenheit der Königstreuen mit den Monarchen gefestigt. Das angebliche Ziel Moskaus, »die westlichen Gesellschaften zu destabilisieren, prorussische Kräfte zu stärken…« dürfte damit wohl eher nicht zu erreichen sein.

Nun wird wieder einmal gewarnt vor russischer Einflußnahme auf die Wahlen in der EU und in den USA. Wie sollte denn so etwas konkret aussehen? Daß es nach den EU-Wahlen im Juni im EU-Parlament mehr Vertreter ausgesprochen rechter Parteien geben wird, ist absehbar. Das ist allerdings auf die Politik der in der EU und in den meisten EU-Ländern agierenden Regierungen zurückzuführen. Und darauf, daß ultrarechte Kräfte wie zum Beispiel die Regierungsparteien in Italien ungeachtet ihrer offen bekundeten Verehrung für den Mussolini-Faschismus nicht nur respektiert, sondern herzlich willkommen geheißen werden. Und darauf, daß die Politik der EU-Führung immer weniger auf breite Zustimmung der Wähler trifft. In den USA findet weder Biden noch Trump breite Unterstützung. Ein »Wahlsieg« des einen über den anderen brächte niemandem einen Nutzen.

Desinformation ist, wenn genau das verschleiert und die Schuld dafür anderen Akteuren zugeschoben wird. Desinformation ist auch, wenn Tatsachen nicht als solche benannt werden. Und das betrifft wesentlich wichtigere Themen als irgendwelche Bettwanzen. Zum Beispiel die Frage nach den Kriegen in der Ukraine und in Gaza, und die Frage nach deren Ursachen.

NATO-Generalsekretär Stoltenberg hat in seiner Rede zum Jahrestag des Kriegsbündnisses eingeräumt, daß der Krieg in der Ukraine im Jahr 2014 begann – was gewöhnlich von den Politikern und den großen Medien geleugnet wird. Dennoch wird den Menschen noch heute eingeredet, die ungeheuren Preissteigerungen der letzten zwei Jahre seien »dem russischen Angriffskrieg« geschuldet – und nicht etwa der beispiellosen Sanktions- und Embargopolitik der EU.

Bis heute wird verhindert, daß die Schuldigen an der Sprengung der Ostsee-Pipelines offen genannt werden, »Untersuchungen« ziehen sich hin und werden immer wieder sabotiert. Aber nach dem tödlichen Anschlag bei Moskau »wußte« der gesamte Westen schon wenige Minuten nach den ersten Meldungen, daß die Ukraine auf keinen Fall beteiligt gewesen sein kann. Wer desinformiert hier eigentlich wen?

Noch deutlicher ist es im Fall des Gaza-Krieges. Ohne die Terroranschläge der Hamas vom 7. Oktober rechtfertigen zu wollen, ist es doch offensichtlich, daß dieser Krieg das Ergebnis jahrzehntelanger Apartheid-Politik der aufeinanderfolgenden Regierungen Israels ist, die sich weigern, UNO-Beschlüsse zu respektieren oder gar umzusetzen. Dennoch werden die Medien nicht müde, mit dem Finger auf die Hamas zu zeigen.

Wer Ursache und Wirkung so eindeutig und vorsätzlich vertauscht, sollte einmal darüber nachdenken, wo »die dunklen Mächte der Desinformation« tatsächlich zu finden sind.