Bemerkungen zum Treffen zwischen Putin und Biden
Außer Spesen wenig gewesen
Treffen zwischen sowjetischen bzw. russischen Staatsführern und ihren US-amerikanischen Counterparts sind seit Stalins Treffen mit Roosevelt und Churchill der Gegenstand globalen Interesses und hatten bislang in der Regel weitreichende Konsequenzen.
Die Frage hieß also: Ist Ähnliches von einem Treffen Biden-Putin im Jahre 2021 zu erwarten? Ist die neue USA-Regierung fähig, aus der selbstkonstruierten Sackgasse des Rußland-Bashings der USA-Demokraten und der sie stützenden Kartellmedien herauszufinden und einen neuen geopolitischen Ansatz zu formulieren? Die strategischen Vordenker der USA hatten seit langem vor einer Situation gewarnt, in der die eurasischen Hauptmächte sich gegen das Imperium verbünden und so eine ernste Gefahr für dessen geostrategische Vorherrschaft darstellen würden. Diese Lage ist nun eingetreten.
Washington hatte für dieses Treffen geworben, Moskau hatte zunächst verhalten reagiert. Wladimir Putin wollte offenbar nicht für einen substanzlosen PR-Termin des Weißen Hauses herhalten. Putin hat sich bislang mit fünf USA-Präsidenten getroffen. Ihm und auch den Führungen des russischen Außenamts sowie des Sicherheitsrates ist natürlich klar, worin sich die Intentionen und auch die Limitierungen der gegenwärtigen USA-Regierung gründen.
Zuvor hatte die russische Seite deutlich gemacht, daß sie einen engen Informations- und Meinungsaustausch mit ihren chinesischen Partnern über dieses Treffen anstrebt. Die außenpolitischen Schwergewichte Nikolai Patruschew und Yang Jiechi hatten Ende Mai die Marschrichtung abgestimmt. Russen und Chinesen hatten klargestellt, daß an ihrer strategischen Partnerschaft nicht zu rütteln sei.
Joseph Biden hatte seinerseits auf dem G7-Treffen wenige Tage zuvor in Cornwall noch einmal die übliche Rußland/Putin-Rhetorik aufgewärmt, nach der alles Übel in der Welt aus Rußland stammt. Daß er Putin für einen »seelenlosen Killer« hält, hatte er ja schon zu Protokoll gegeben. Im Rahmen der auf das Treffen folgenden USA-Pressekonferenz, bei der russische Medien komplett ausgegrenzt wurden und die vor Scheinheiligkeit und Absurdität nur so strotzte, stilisierte sich Biden als tapferer Verteidiger der USA-Interessen, als selbstloser Kämpfer für die universalen Menschenrechte, der dem ultimativen Bösen in die Augen geschaut hat.
Das reichte den Kartellmedien selbstredend noch lange nicht. Biden wurde von den handverlesenen Journalisten immer weiter auf einen aggressiveren Kurs gedrängt, so daß es schließlich aus ihm herausbrach: »Tut mir leid, daß ich Sie enttäuschen muß, wenn ich keinen Krieg gegen Rußland begonnen habe.«
Die Szenerie auf der USA-Pressekonferenz machte klar, daß eine geostrategische Kurskorrektur selbst dann nicht zu erwarten wäre, wenn sie vom Weißen Haus angestrebt würde. Die selbstgerechte Bigotterie von Politestablishment und Kartellmedien mit ihren haltlosen Diskriminierungen und substanzlosen Schuldzuweisungen hat jegliche nüchterne Debatte verdrängt.
Der Frontmann des USA-Imperiums, dessen militärisch-geheimdienstlicher Gewaltapparat sich seit mehr als hundert Jahren unzählige Male in die inneren Angelegenheiten fremder Staaten nicht nur eingemischt, sondern auch mithilfe von politischen Morden, »Regime-Change«-Operationen und im Zweifel auch Kriegen die eigenen Herrschafts- und Profitinteressen brutal durchgesetzt hat und dessen Opfer nach Zigmillionen zählen – ausgerechnet dieser Joseph Biden will der Welt Lektionen in Humanität und Menschenrechten erteilen.
Es ist kaum verwunderlich, daß bei dieser Grundkonstellation konkrete Ergebnisse – zumindest im Sinne von positiven Problemlösungen oder Problemlösungsversuchen – nicht zu erwarten waren. Dergleichen wurde nicht bekannt. Wladimir Putin versuchte in seiner Pressekonferenz – beide Präsidenten stellten ihre Sicht auf getrennten Pressekonferenzen vor –, dennoch eine positive Sicht auf das Genfer Treffen zu entwickeln. Die russische Seite versucht jeden Gesprächsansatz für die Entwicklung konkreter Fortschritte zu nutzen. Die Beziehungen zwischen Rußland und den USA sind dermaßen auf dem Tiefpunkt, daß selbst das substanzlose Genfer Treffen schon ein positives Momentum darstellt.
Falls tatsächlich geplant, war es für Joseph Biden unter diesen Bedingungen unmöglich, Wladimir Putin etwas anzubieten, was auch nur im Entferntesten geeignet sein könnte, Rußland aus der engen Beziehung zu China zu lösen und näher an die USA heranzuziehen. Das strategische Kalkül der Washingtoner Geostrategen war von vornherein zum Scheitern verurteilt. Für die eurasischen Hauptmächte und ganz besonders für Rußland ist diese strategische Partnerschaft existentiell.
Die russische Führung weiß sehr genau, mit wem eine vertrauensvolle, zukunftsorientierte Zusammenarbeit möglich ist und wer in den letzten 30 Jahren die politischen und ökonomischen Interessen Rußlands massiv geschädigt hat – wer nämlich sein Militär an den russischen Grenzen zusammenzog, die ehemaligen Sowjetrepubliken in die NATO eingliederte, im russischen Umfeld »Regime-Change«-Operationen und Bürgerkriege anzettelte und Derartiges auch in der Russischen Föderation betreibt. Der Versuch, Rußland und China zu spalten, unterstellt, daß in Moskau Idioten sitzen – das war schon immer eine Fehlkalkulation.