Aus den Betrieben22. Juni 2021

Protestaktion vor dem Wirtschaftsministerium

Schluss mit Ausnahmegenehmigungen und der Feiertagsarbeit!

Ali Ruckert

Einem Aufruf des OGBL folgend, manifestierten am späten Montagnachmittag vor dem Wirtschaftsministerium am Boulevard Royal in der Hauptstadt, in welchem sich auch das Mittelstandsministerium befindet, zahlreiche Beschäftigte von Match und weiteren Supermarktketten, unter ihnen die Personaldelegierten, gegen die Öffnungs- und Arbeitszeiten an Feiertagen und gegen längere und flexiblere Arbeitszeiten. Die KPL bekundete ihre Solidarität mit der Gewerkschaft, den Personalvertretern und den Beschäftigten auf einem Transparent.

Stellvertretend für die Beschäftigten forderte der Zentralsekretär des OGBL im Bereich Handel, David Angel, ein Ende der Ausnahmeregelungen, die im Interesse von mehr Profit für das Patronat sind, es den Beschäftigten aber immer schwieriger machen, Arbeit und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. An die Adresse des Mittelstandsministers und der ganzen Regierung verlangte er, dass Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch durch Bestimmungen ergänzt werden, welche die Beschäftigten schützen, den Personalvertretungen größere Rechte und der Gewerkschaft ein Mitspracherecht einräumen.

Eingangs seiner Ansprache erinnerte David Angel daran, dass anlässlich der coronabedingten Beschränkungen vor einem Jahr dem Gesundheitspersonal applaudiert wurde, viel die Rede von Solidarität war und über Nacht die Beschäftigten jener Berufe im Mittelpunkt standen, die ansonsten vergessen werden: das Reinigungspersonal, die Müllabfuhr, die Sicherheitsagenten und das Personal aus den Supermärkten.

Als die Menschen massenhaft Nudeln, Mehl und Klopapier einkauften und manche Regale leer waren, wurde plötzlich klar, dass die Versorgung mit Lebensmitteln und anderen lebenswichtigen Produkten keine Selbstverständlichkeit ist, sondern dass dafür Menschen verantwortlich sind, die Teil einer kollektiven Anstrengung sind, die Gesundheitskrise und ihre Folgen zu überwinden. Die Beschäftigten aus den Supermärkten waren plötzlich nicht nur Nummern, sondern Menschen, bei denen sich viele für ihren Einsatz bedankten. Die großen Supermarktketten zahlten sogar Sonderprämien aus und bedankten sich auf Plakaten bei ihren Beschäftigten.

Kassiererinnen und Verkäufer sind keine Nummern, sondern Menschen

Doch im Gegensatz zu Nummern haben Menschen auch menschliche Bedürfnisse, sie arbeiten nicht nur als Kassiererin oder Verkäufer, sondern haben individuelle Lebensgeschichten, Eltern, Partner, Kinder und Freunde, kulturelle und sportliche Interessen. Und trotz starkem Applaus und vieler Dankesworte, so der Zentralsekretär für den Handel, gehören sie zu den am schlechtesten bezahlten Berufsgruppen, bekommen selbst mit mehr als zehnjähriger Berufserfahrung in den wenigsten Fällen den qualifizierten Mindestlohn und haben ultraflexible Arbeitszeiten, so dass sie immer größere Schwierigkeiten haben, Berufs- und Privatleben unter einen Hut zu bekommen. Das hat auch mit dem Gesetz über die Öffnungszeiten zu tun, welches die Interessen des Patronats über die der Beschäftigten stellt und es Geschäften erlaubt, an Sonn- und Feiertagen bis 13.00 Uhr zu öffnen. Hinzu kommen Ausnahmegenehmigungen des Mittelstandsministeriums, die ohne Rücksicht auf die Beschäftigten vergeben werden und noch längere Öffnungszeiten möglich machen.

Als Beispiel nannte David Angel die Supermärkte Match, die der belgischen Handelsgruppe Louis Delhaize gehören und nun, möglicherweise stellvertretend für andere Supermarktketten, ausloten sollen, wie weit sie unter dem Deckmantel der Konkurrenz noch längere Öffnungszeiten durchsetzen können, indem sie an sämtlichen Feiertagen öffnen wollen. Um Profite für wenige auf dem Rücken von vielen zu machen, wurden die Beschäftigten, die während der Corona-Beschränkungen alles darangesetzt hatten, um den Betrieb aufrecht zu erhalten, die Personaldelegationen und die Gewerkschaft vor vollendete Tatsachen gestellt.

Schluß mit den Ausnahmeregelungen, das Gesetz muss die Beschäftigten schützen

Der OGBL, so der Gewerkschaftssekretär, habe sich von Anbeginn gegen die Öffnung der Geschäfte an Feiertagen ausgesprochen. »An drei Feiertagen standen wir vor Match-Geschäften, um deutlich zu machen, dass wir diesen Schritt missbilligen und uns dagegen wehren werden« stellte David Angel fest und konnte den Versammelten mitteilen, dass ein erster Erfolg erzielt wurde. Match ließ die Gewerkschaft inzwischen wissen, dass am (morgigen) Nationalfeiertag, mit Ausnahme von zwei Geschäften, die dank der Ausnahmegenehmigungen des Mittelstandsministeriums ohnehin schon lange an Feiertagen öffnen, sämtliche Geschäfte zubleiben werden.

Nun gelte es weiterzumachen, um zu erreichen, dass die Geschäfte auch an allen weiteren Feiertagen geschlossen bleiben, und eine weitere Deregulierung und Liberalisierung verhindert wird. In diesem Zusammenhang forderte der Redner, dass die Studie, welche das Institut für sozioökonomische Forschung LISER im Auftrag des Mittelstandsministeriums durchführte und derzufolge 80 Prozent der Beschäftigten am liebsten nicht an Sonntagen arbeiten würden, publik gemacht wird.

Abschließend richtete der Gewerkschaftssekretär im Namen der Beschäftigten aus dem Handel, den Personalvertretungen und der Gewerkschaft eine klare Botschaft an das Patronat, den Mittelstandsminister und die gesamte Regierung: Mit den Ausnahmeregelungen muss Schluss sein, der legale Kader muss abgeändert werden, denn niemand braucht an Feiertagen geöffnete Geschäfte, Arbeitsrecht und Arbeitsgesetzbuch müssen durch Bestimmungen ergänzt werden, welche die Beschäftigten schützen und den Personalvertretungen größere Rechte und der Gewerkschaft ein Mitspracherecht einräumen, wenn es um Entscheidungen geht, die Auswirkungen auf das Privatleben der Lohnabhängigen haben, und der OGBL werde sich mit allen Mitteln gegen eine weitere Liberalisierung und Flexibilisierung der Arbeitszeiten zur Wehr setzen.