Luxemburg04. März 2020

Spiel mit Hintergedanken bedenken:

Wahlgesetz wie reformieren?

Seit den letzten nationalen Parlamentswahlen kocht das Thema Wahlgesetz und Wahlbezirke immer wieder hoch. Tatsächlich bevorzugt die Kombination von vier Wahlbezirken mit dem D‘Hondt-Verfahren zur Mandatszuteilung die Parteien mit den meisten Stimmen ganz besonders. So hätte die CSV selbst unter Beibehaltung des D‘Hondt-Verfahrens bei einem Einheitsbezirk bei jeder Wahl der letzten 40 Jahre 2-3 Mandate weniger gehabt. Kleine Parteien, die landesweit kandidierten, hätten dafür überhaupt immer mindestens ein Mandat bekommen. Allerdings hätte dann auch die aktuelle Regierung keine Mehrheit.

Tatsächlich wird die Diskussion höchst unehrlich geführt. Die DP hat sich darauf festgelegt, daß die vier Bezirke bleiben müssen, um eine regionale Vertretung sicherzustellen. Sie sagt nicht, daß sie darauf setzt, die CSV in einigen Bezirken zu überflügeln und dann als größter Wahlverein bevorteiligt zu werden. Aus womöglich der Befürchtung heraus, kommt von der CSV nicht mehr die dezidierte Festlegung auf vier Bezirke wie früher noch.

Gréng, adr, Piraten und Lénk fordern einen Einheitsbezirk, der sie bisher bei allen Wahlen günstiger gestellt hätte. Die LSAP erklärt Schwierigkeiten mit dem Einheitsbezirk zu haben, weil sie meint, es könne doch nicht sein, daß 60 Kreuze in der Wahlkabine gemacht werden könnten. Die funktionalen Analphabeten würden damit sicher Probleme haben, könnten ja aber der Einfachheit halber weiterhin einen Kreis schwärzen, was sie sicher bisher auch taten, wenn ihr Zettel nicht unter den ungültigen oder weißen war. Ob das Herumgeeiere dazu da ist, das Panaschieren abzuschaffen, von dem zuletzt vor allem CSV und DP profitierten, oder ob das zu einer Sperrklausel fühlen soll, damit weiterhin die KPL kein Mandat kriegt, bleibt im Unklaren.

Sonderbarerweise bleibt die Mandatszuteilung nach D‘Hondt, die egal wie trotzdem weiterhin auch in einem Einheitswahlkreis Große bevorzugen würde, wenn auch weniger stark als bei vier Bezirken, wo sehr viele Stimmen unter den Tisch fallen und folglich keinerlei Vertretung am Krautmarkt haben. Dabei gäbe es eine ziemlich einfache Lösung, alle Stimmen in der Mandatszuteilung zu werten bei Beibehaltung der vier Bezirke.

Bezirke beibehalten, Mandatszuteilungs-Verfahren ändern!

Tatsächlich brauchen die vier Bezirke nicht abgeschafft zu werden, um keine Stimmen mehr unter den Tisch fallen zu lassen. Der Kanton und die Stadt Zürich standen Anfang des Jahrtausends vor einem ähnlichen Problem mit Wahlkreisen, die für die Kantons- wie für die Gemeindevertretung 2 bis 16 bzw. 2 bis 19 Mandate zu vergeben hatten. In den kleinen Wahlkreisen wählten viele Leute nicht mehr für die Liste, der sie sich eigentlich am nächsten fühlten, sondern für die große Partei, die ihnen am wenigsten zuwider war. Die Folge waren deutliche Mißfallensäußerungen des Inhalts, ihr demokratisches Wahlrecht werde beschnitten.

Die Direktion der Justiz und des Inneren des Kantons Zürich beauftragte daraufhin den Mathematiker Friedrich Pukelsheim mit der Ausarbeitung eines maximal gerechten Verfahrens, das dieser »Doppeltproportionale Divisormethode mit Standardrundung« nannte. Bekannt wurde es zunächst unter dem Namen »Neues Zürcher Zuteilungsverfahren«, wobei der Volksmund das rasch in »Doppelter Pukelsheim« umtaufte nach dem Erfinder. Das Verfahren besteht aus einer Ober- und einer Unterzuteilung.

Die Oberzuteilung erfolgt als erstes für die Gesamteinheit Kanton oder Gemeinde – in Luxemburg wäre das das gesamte Land. Da die zu vergebenden Stimmen in jedem Bezirk der Zahl der Mandate entsprechen (in der Schweiz ist das wie in Luxemburg), müssen die Bezirksergebnisse durch die Zahl der Mandate geteilt werden, damit sie gleich gewichtet sind und zusammengezählt werden können. Konkret würde also die Stimmenzahl jeder Liste im Süden durch 23, im Zentrum durch 21, im Norden durch 9 und im Osten durch 7 geteilt.

Nach der Zusammenzählung wird die landesweite (in der Schweiz kantonsweite bzw. Gemeindeweite) Mandatszuteilung mit dem Sainte-Laguë-Verfahren ermittelt, das im Gegensatz zum D‘Hondt-Verfahren dazu führt, daß ein Mandat für die annähernd gleiche Zahl an Stimmen zugeteilt wird. Das wird erreicht, indem im Höchstzahlverfahren die Stimmenzahl aller Listen mit 0,5, 1,5, 2,5 usw. geteilt wird und dann die Mandate der Reihe nach an die jeweils höchste Zahl vergeben werden.
Nach der Oberzuteilung ist die Mandatszahl jeder Liste bekannt. Diese gilt es dann auf die Bezirke aufzuteilen und zwar so, daß jeder Bezirk zu seinen Mandaten ebenso kommt wie jede Liste zu ihren Mandaten.

Auf diese Weise wird die Benachteiligung kleiner Parteien bei Beibehaltung der Bezirkswahlkreise aufgehoben und auf jedes Mandat entfällt die annähernd gleiche Stimmenzahl. Daß die Mandate der einzelnen Listen in den Bezirken nicht exakt der dort abgegebenen Stimmenzahl entsprechen, kann nicht als Nachteil angesehen werden, denn das ist heute auch nicht der Fall. Es gleicht sich das aber jedenfalls über die Bezirksgrenzen hinaus aus, was es heute nicht gibt.

Es ist also die Frage, was gewollt ist, nicht was möglich ist. Es ist somit die Frage zu klären, wie demokratisch die großen Parteien sein wollen, oder ob sie jede Änderung blockieren, die sie nicht bevorteiligt. Es ist eine Frage des politischen Willens.
Dürfen wir also fordern, daß nicht mehr nach Ausreden gesucht wird, warum etwas nicht geht? Das ist hoffentlich nicht zu viel verlangt nach dieser Darlegung!

jmj