Luxemburg30. November 2021

Tricksen mit Prozentangaben

Während die Militärausgaben mit dem Bruttosozialprodukt verglichen werden, wird die Entwicklungskooperation mit dem deutlich kleineren Bruttonationaleinkommen ins Verhältnis gesetzt

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Prozentangaben eigenen sich hervorragend zur Manipulation – vor allem dann, wenn die Größen nur scheinbar zu einem einheitlichen Grundwert mit Hundert ins Verhältnis gesetzt werden, wie das beim Militärbudget und beim Budget der Entwicklungskooperation der Fall ist.

Wie Wirtschaftsminister Franz Fayot Mitte November in seiner Funktion als Kooperationsminister im Parlament erklärt hat, beläuft sich die öffentliche Kooperationshilfe (»Aide publique au développement«, APD) Luxemburgs im laufenden Jahr »auf einen Gesamtbetrag zwischen 455 und 461 Millionen Euro«. Damit werde das Ziel der Regierung, mindestens ein Prozent des Bruttonationaleinkommens (BNE) für Entwicklungskooperation bereitzustellen, erfüllt. Nun wird das auf Französisch RNB (»revenue national brut«) genannte BNE jedoch nur äußerst selten zum Vergleich herangezogen. Man bezieht sich fast immer auf das Verhältnis zur Jahreswirtschaftsleistung des jeweiligen Landes, dem Bruttoinlandsprodukt (BIP).

So werden die Militärausgaben eines Staates regelmäßig mit seinem BIP – also mit dem Gesamtwert aller Güter und Dienstleistungen, die in einem Jahr in einer Volkswirtschaft hergestellt oder erbracht wurden – verglichen; und die Regierung aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen hat in ihrem Entwurf für das Staatsbudget 2022 angekündigt, nein: angedroht, bis zum Jahr 2024 jährlich 0,72 Prozent des BIP für Militärisches verpulvern zu wollen.

Nun wird das luxemburgische BIP aber bereits im laufenden Jahr auf ungefähr 74 Milliarden Euro geschätzt, und das nationale Statistikamt rechnet (laut seinem jüngsten »Conjoncture Flash« von Ende Oktober) im nächsten Jahr mit einem dreieinhalbprozentigen BIP-Wachstum (nach plus sechs Prozent in diesem Jahr).

Doch selbst wenn man das vom Statec prognostizierte Wachstum der luxemburgischen Jahreswirtschaftsleistung außer Acht läßt und nur das diesjährige BIP von rund 74 Milliarden Euro zu Grunde legt, wären 0,72 Prozent davon 532,8 Millionen Euro und also deutlich mehr als die von Fayot in der Chamber angeführten 455 bis 461 Millionen Euro für die Kooperationshilfe.

Möglich sind diese Statistiktricks bei der Kooperationshilfe, weil das BIP zwar bei großen Ländern mehr oder weniger dem jeweiligen BNE entspricht, es im Falle Luxemburgs jedoch einen erheblichen Unterschied gibt, weil die von den zuletzt mehr als 208.000 Grenzgängern erbrachte Arbeitsleistung keinen Eingang in das luxemburgische BNE findet, sondern zu denen der Wohnländer Berufspendler gerechnet wird. Die Leistung eines Schaffenden, der hier arbeitet, aber zum Beispiel in Belgien wohnt, erscheint also im luxemburgischen BIP, jedoch im belgischen BNE.

Da das luxemburgische BIP deutlich größer ist als das luxemburgische BNE, ist es entsprechend leichter, bei der Kooperationshilfe auf einen Wert jenseits der Ein-Prozent-Marke zu kommen, als beim Militärbudget, das jedoch in absoluten Zahlen deutlich höher ist. Nach der Anschaffung des seit einem Jahr im belgischen Melsbroek stationierten militärischen Transportflugzeugs A400M für die Armee hat die Regierungsmehrheit in der Chamber im Juli 2020 beschlossen, die Beteiligung am Kauf von Luftbetankungsflugzeugen vom Typ A330 MRTT durch die NATO von (2016 veranschlagten) 172 Millionen auf nun 598,4 Millionen Euro zu erhöhen. Der zweite militärische Spionage- und Kommunikationssatellit »LUXEOSys« soll statt der zunächst veranschlagten 170 Millionen nun mindestens 309 Millionen Euro kosten, und für 80 neue Panzerwagen für die Armee wurden bislang 367 Millionen Euro veranschlagt.