Instabilität verstärkt
Auseinandersetzungen in Ain al-Hilweh verschärfen fragile Situation im Libanon
Drei Jahre nach der verheerenden Explosion im Hafen von Beirut bedrohten Kämpfe in einem Flüchtlingslager bei Sidon im Libanon die ohnehin fragile Situation des Landes. Das Parlament hat noch immer keinen Präsidenten und keine Regierung gewählt, die Währung zerfällt und die Wirtschaft liegt darnieder. Auch nach dem Ende der Auseinandersetzungen haben Saudi-Arabien, Britannien und andere Staaten ihre Bürger aufgefordert, das Land oder wenigstens das betroffene Gebiet zu verlassen.
»Süßwasserquelle«, Ain al-Hilweh, ist der Name des Lagers, das 1948 gegründet wurde, um die Palästinenser aufzunehmen, die im Zuge der Staatsgründung Israels vertrieben wurden. Einer von ihnen war Naji Salim Hussain al-Ali, damals zehn Jahre alt. Er wurde ein berühmter Cartoonist, der mit der Figur »Handala« eine Ikone der palästinensischen Identität und des Widerstands schuf.
Das Lager ist längst zu einer Stadt geworden, die seit 30 Jahren von der Fatah kontrolliert wird. Die Zahl der 70.000 Einwohner stieg nach 2011 massiv durch Syrer, die vor dem Krieg flohen. Heute leben dort nahezu 120.000 Menschen.
Schon mehrmals gab es in der Vergangenheit Angriffe durch islamistische Gruppen. Kämpfer der Gruppe Jund al-Sham versuchten 2008, einen Vertreter der Fatah zu ermorden. Jund al-Sham hatte im Krieg in Syrien gegen die Regierung gekämpft und mußte sich 2014 nach ihrer Niederlage nach Ain al-Hilweh zurückziehen.
Eine andere Gruppe, die an den jetzigen Kämpfen beteiligt war, ist Asbat al-Ansar. Sie verfügt über schätzungsweise 300 aktive Kämpfer im Libanon, die meisten von ihnen in Ain al-Hilweh. Der Journalist Seymour Hersh vermutete in einer Untersuchung 2007, daß sie Waffen aus den Reihen des libanesischen Sicherheitsapparats erhalten hatte. Es war die Zeit der westlich orientierten Siniora-Regierung – und wie Hersh damals feststellte, geschah das durchaus im Sinne einer Neuorientierung der Außenpolitik der USA.
Die Eskalation in Ain al-Hilweh begann am 30. Juli, als Islamisten ein Mitglied der Fatah und später einen General der Fatah und drei seiner Leibwächter in einem Hinterhalt töteten. Die Kämpfe dauerten den nächsten Tag über an. Die UNO-Hilfsorganisation UNRWA mußte ihre Arbeit einstellen, öffnete aber Schulen als Notunterkünfte. 20.000 Einwohner mußten nach dem Beginn der Auseinandersetzungen zumindest vorübergehend ihre ärmlichen Wohnungen verlassen. Am nächsten Tag wurde ein Waffenstillstand zwischen den verschiedenen Organisationen beschlossen. An den Verhandlungen beteiligten sich neben den unmittelbar an den Kämpfen Beteiligten auch Amal, Hamas und Hisbollah. Als sich der Waffenstillstand nach Tagen gefestigt hatte, war dies die Bilanz: zerstörte Wohnungen, Dutzende Verletzte und 13 Tote.
Der kommissarische Regierungschef Nadschib Mikati forderte die Fatah und den Präsidenten Mahmud Abbas auf, mit der libanesischen Armee zusammenzuarbeiten, um die Sicherheitslage in Ain al-Hilweh wieder unter Kontrolle zu bringen. Ismail Haniyya, der Chef der Hamas, verlangte von der Untersuchungskommission, die den Vorfall untersuchen soll, mit den libanesischen Behörden zu kooperieren.
Die Kämpfe blieben auf Ain al-Hilweh beschränkt, doch haben sie zusammen mit den Reisewarnungen einen schwachen Hoffnungsschimmer für den Libanon zunichtegemacht. Zum ersten Mal hatte es so ausgesehen, als kämen Besucher wieder vermehrt ins Land – vor allem Libanesen, die inzwischen im Ausland leben. Regierungschef Mikati versicherte mittlerweile allen, es gebe keinen Grund mehr zur Besorgnis.