Ausland28. Juni 2022

Landesweite Proteste nach Supreme-Court-Entscheidung:

Erste USA-Staaten verbieten Schwangerschaftsabbrüche

von dpa/ZLV

Nach der Entscheidung des Supreme Court sind in den USA in etlichen Bundesstaaten bereits weitgehende Abtreibungsverbote in Kraft getreten. In Staaten wie Arkansas, Kentucky oder Louisiana sind Abtreibungen nun nicht mehr erlaubt – auch nicht bei Vergewaltigungen oder Fällen von Inzest. Ausnahmen gibt es in der Regel nur für medizinische Notfälle. Eine Reihe liberalerer Staaten hat hingegen noch am Freitag angekündigt, das Recht auf Abtreibungen weiter schützen zu wollen.

In mehreren Großstädten der USA protestierten am Freitagabend Tausende Menschen gegen das Urteil, darunter in der Hauptstadt Washington, New York, Austin, Denver, Phoenix und Philadelphia. Sie hielten Schilder mit Aufschriften wie »Mein Vergewaltiger hat mehr Rechte als ich« und skandierten Slogans wie »Abtreibung ist ein Menschenrecht«.

Der Supreme Court hatte das liberale Abtreibungsrecht des Landes am Freitag gekippt. Der mehrheitlich konservativ besetzte Supreme Court machte damit den Weg für strengere Abtreibungsgesetze frei – bis hin zu kompletten Verboten. Einige Staaten haben bereits Gesetze vorbereitet, die in Kraft treten können, wenn die bisherige Rechtsprechung kippt – sogenannte Trigger Laws. In einigen Bundesstaaten treten sie sofort in Kraft, in anderen dauert es etwa einen Monat. In manchen Staaten braucht es eine formale Bestätigung des Generalstaatsanwalts oder Gouverneurs.

Es gibt in den USA kein landesweites Gesetz, das Schwangerschaftsabbrüche erlaubt oder verbietet. Abtreibungen waren aber mindestens bis zur Lebensfähigkeit des Fötus erlaubt – heute etwa bis zur 24. Woche. Dies stellte die bisherige Rechtsprechung des Obersten Gerichts sicher, doch nun kassierten die Richter das historische »Roe v. Wade«-Urteil aus dem Jahr 1973. Jetzt dürfen die Bundesstaaten über das Recht auf Abtreibung entscheiden. In rund der Hälfte der Staaten dürfte Abtreibung nun stark eingeschränkt oder verboten werden.

Nach Angaben der »New York Times« waren bereits am Freitagabend (Ortszeit) mehr als sieben Millionen Frauen im gebärfähigen Alter von den neuen Beschränkungen betroffen. Diese Zahl dürfte in den kommenden Tagen und Woche noch deutlich steigen. In vielen Staaten wie Missouri oder Oklahoma drohen Ärzten, die Abtreibungen durchführen, nun lange Gefängnisstrafen. Die Gouverneure unter anderem aus Kalifornien, Oregon, Washington, Massachusetts, New Jersey und New York bekannten sich hingegen zu ihrer liberalen Haltung bezüglich Abtreibungen. Frauen können nun theoretisch in diese Staaten reisen, um eine Abtreibung durchführen zu lassen. Allerdings können sich das viele nicht leisten.

Die Demokraten würden das Recht auf Abtreibung gern per Gesetz bundesweit regeln. Doch dazu fehlen ihnen die nötigen Stimmen im Kongreß. Präsident Joe Biden kann dieses Recht auch nicht einfach per Dekret wiederherstellen. Er kritisierte das Urteil scharf. Biden hofft, bei den Zwischenwahlen zum Kongreß im November die Mehrheit für seine Demokratische Partei zu bekommen, um ein solches Gesetz durchzubringen. Bislang deuten die Meinungsumfragen aber eher auf eine Mehrheit für die Republikaner hin.

Biden kündigte nun an, seine Regierung werde alles dafür tun, das Recht von Frauen »auf Reisefreiheit« sicherzustellen. Das Gesundheitsministerium müsse auch dafür Sorge tragen, daß der Zugang zu zugelassenen Abtreibungspillen – einschließlich über Telemedizin und des Versands per Post – sichergestellt sei. Nach Auffassung des Washingtoner Justizministeriums können Bundesstaaten ein entsprechendes Medikament nicht ohne weiteres verbieten.