Ausland10. September 2009

»Joschka« Fischer als Lobbyist in Brüssel

Der frühere BRD-Außen-minister Joseph »Josch-ka« Fischer bessert seine üppigen Staatspensionen mit Lobbyarbeit für die Erdgasleitung Nabucco auf. Der früher für die Partei Bündnis90/Die Grünen tätige Politiker hat in Brüssel mehr politische Rückendeckung für die geplante Erdgaspipeline gefordert. »Wir brauchen verstärkte Unterstützung«, sagte Fischer, der als Berater des (Atom-)Stromkonzerns RWE arbeitet, am Dienstag vor Journalisten. Die Hauptprobleme für die Pipeline, die unter Umgehung Rußlands ab 2014 Gas nach Europa befördern soll, seien »politische Fragen«.

Fischer – auf unserem AP-Foto im Gespräch mit Bundeskanzlerin Merkel am 26. Januar 2006 im Bundestag – wies auf ungelöste Konflikte hin, an denen potentielle Liefer- und Transitländer aus der Region um das Kaspische Meer und dem Nahen Osten beteiligt sind. In diesen Ländern seien Energiekonzerne zudem oft in staatlicher Hand. Das Nabucco-Konsortium will auch Gelder öffentlicher Banken in Anspruch nehmen. Bedenken, Nabucco könnte nicht genügend Gas erhalten, trat Fischer entgegen.

Die großen EU-Staaten müßten den Ländern am Kas-pischen Meer unmißver- ständlich deutlich machen, daß sie tatsächlich an Gaslieferungen aus der Region interessiert seien, sagte Fischer am Dienstag in Brüssel. Zudem wäre es ein wichtiges Signal an das Transitland Türkei, wenn die Beitrittsverhandlungen mit der EU vorankämen.

Nabucco soll Gas aus zentralasiatischen Staaten wie Turkmenistan oder Aserbaidschan über die Türkei in die EU transportieren und so die Abhängigkeit Westeuropas von Lieferungen aus Rußland vermindern. Von Turkmenistan und Aserbaidschan gibt es allerdings bisher keine verbindlichen Zusagen, Gas für Nabucco zur Verfügung zu stellen.

Die Türkei wiederum hat zwar mit mehreren EU-Staaten eine Regierungsvereinbarung über den Bau der Nabucco-Pipeline unterzeichnet, gleichzeitig aber mit Rußland ein Abkommen über das Konkurrenzprojekt »South Stream« geschlossen. Fischer bezeichnete es als verpaßte Gelegenheit, daß die EU dem Besuch des russischen Ministerpräsidenten Wladimir Putin im August tatenlos zugesehen habe, anstatt als Geste an Ankara das sogenannte Energie-Kapitel in den Beitrittsverhandlungen zu eröffnen.

»Es wäre so einfach gewesen, das Energiekapitel zu öffnen, es hätte nichts gekostet«, sagte Fischer. Es gehe ihm dabei nicht um Nabucco, fügte der Ex-Außenminister hinzu. Rußland sei aber schon heute für die Türkei der wichtigste Handelspartner. »Wir in Europa haben alle ein Interesse daran, daß die Türkei eng bei Europa bleibt.«
»Joschka« Fischer fühlt sich in seiner neuen Rolle als Nabucco-Lobbyist sichtlich wohl. Im Vergleich zu seiner früheren Arbeit als Außenminister habe sich so viel gar nicht geändert, kokettierte der Grünen-Politiker in Brüssel: »Ich muß Gespräche führen, mit Präsidenten, Ministerpräsidenten und Außenministern – so ähnlich wie früher, nur jetzt eben für einen Konzern.«

Der Konzern heißt RWE. Kritische Fragen an den Atomkraftgegner Fischer, ob er auf seinem Marsch durch die Institutionen mit diesem Engagement nicht doch einen Schritt zu weit gegangen sei, parierte der Alt-68er gelassen: »Ich bin politischer Berater für Nabucco, kein RWE-Repräsentant.«

Und für Nabucco, versicherte der 61-Jährige, trete er aus Überzeugung ein. Angesichts dieser hehren Worte freut es die Zuhörer dann doch, als ein RWE-Mitarbeiter wenig später bemerkt: »Reden Sie, Herr Fischer, Sie werden besser bezahlt als ich.«

Reden tut Fischer immer noch gern – zumal es bei Nabucco auch um Geopolitik geht und die wichtige Rolle der Türkei darin, die er schon als Außenminister betont hat.

Einige Beobachter des Auftritts vom Dienstag in Brüssel hatten den Eindruck, daß sich da jemand als neuer EU-Außenminister ins Spiel bringen wollte. Auch wenn Fischer behauptete, an Spitzenjobs nicht mehr wirklich interessiert zu sein. (AP/jW/ZLV)