Pandemie in Flecktarn
General leitet deutschen Krisenstab
Der neue deutsche Kanzler Olaf Scholz gibt sich energisch. Höchste Zeit »für eine riesige Gemeinschaftsanstrengung in Deutschland« und eine klare Kante gegen die Pandemie. »Deshalb auch der General, deshalb der Krisenstab«, so Scholz. Ein Militär soll die Impfquote zu neuen Höhen führen. Das liegt im Trend. In Italien und Portugal bedienten sich die Regierungen bereits seit Längerem Militärs im Generalsrang, um der Pandemie Herr zu werden.
Mit Notfällen kennt Generalmajor Carsten Breuer sich aus. Ob als Chef der Operationszentrale »Kommando territoriale Aufgaben« mit Sitz im Berliner Stadtbezirk Wedding, 2020 zuständig für die Abordnung von Bundeswehreinheiten zum Durchimpfen und Kontaktnachverfolgen, oder zuvor als treuer Diener seines Dienstherrn bei Kampfeinsätzen im Kosovo und in Afghanistan. Unter Kriegsministerin Ursula von der Leyen erwarb er sich Lorbeeren als Projektleiter des Bundeswehr-Weißbuchs 2016, Spezialist für »hybride Kriegsführung« und Befürworter eines verstärkten Einsatzes der Bundeswehr im Innern. General Breuer gilt seither als das personifizierte Sinnbild der Verzahnung von zivilem und militärischem Bereich.
Hinter den Kulissen läuft der Schulterschluß zwischen Bundeswehr und zivilem Katastrophenschutz schon seit 2015 auf Hochtouren. In einem der Öffentlichkeit weitgehend unbekannten Strategiepapier des Bundesinnenministeriums vom Dezember 2015 (»System des Krisenmanagements in Deutschland«) wird der stets erforderliche »Wille zum gemeinsamen Handeln« in Krisenstäben zelebriert. Nicht ohne ausdrückliche Empfehlung an die Behörden, verstärkt von der Präsenz der Bundeswehr im Wege der Amtshilfe (Artikel 35 Grundgesetz) Gebrauch zu machen. Das fruchtet bereits: In Nordrhein-Westfalen verzeichnete man am 2. Dezember den tausendsten Antrag auf Amtshilfe durch Bundeswehreinheiten.
In den bürgerlichen Medien überschlagen sich die Kommentatoren mit Lob für den »energischen Schritt« des damaligen Kanzlers in spe, einen »hemdsärmligen« General an der Spitze des »neuen Krisenstabs« zu platzieren. Unterschlagen wird dabei, daß es schon seit März 2020 einen solchen Krisenstab gibt, und zwar unter Führung eines Kollegen von Breuer, des Generalstabsarztes Hans-Ulrich Holtherm, der die 2020 neu geschaffene Abteilung »Gesundheitsschutz, Gesundheitssicherheit, Nachhaltigkeit« auf Bundesebene leitet. Gehört hat man im letzten Jahr von diesem Krisenstab nichts mehr; daß er im Rahmen der Pandemie-Bekämpfung etwas vorangebracht hätte, darf getrost verneint werden.
Bemerkenswert ist allein der Umstand, daß der fortschreitenden Einbindung der Bundeswehr Tür und Tor geöffnet wird. Den Schlüssel dafür liefert das durch Notstands- und Antiterrorgesetze ausgehöhlte und zurechtgebogene Grundgesetz. Der Weg vom Einsatz der Bundeswehr bei »Naturkatastrophen und besonders schweren Unglücksfällen« (Artikel 35 Grundgesetz) zur militärischen Bekämpfung des »inneren Notstands« (Artikel 97a GG) ist kurz geworden.