Ausland11. Dezember 2019

Politische Gefangene im Visier

Philippinen: Inhaftierte sollen als Sündenböcke für festgefahrenen Friedensprozeß herhalten

Im Vorfeld des am Dienstag begangenen Tages der Internationalen Menschenrechte hatte sich Kapatid zu Wort gemeldet. In einem in Manila veröffentlichten Kommuniqué erklärte die Organisation von Familien und Freunden der politischen Gefangenen: »Wir politische Gefangene, von denen viele seit Jahren ungerechtfertigt in Gefängnissen ausharren, sind nur der jüngste Sündenbock, auf den weitere Verfolgung abzielt. Wir, die politischen Gefangenen in Bicutan, verurteilen und widersetzen uns heftigst dem Plan unserer Verlegung in örtliche Gefängnisse.«

Im Hochsicherheitsgefängnis Camp Bagong Diwa (Camp »Neues Bewußtsein«) in Bicutan, im Südosten der philippinischen Metropole gelegen, sitzen mehrere der landesweit über 600 politischen Gefangenen ein – darunter auch widerrechtlich weggesperrte hochrangige Vertreter und Berater des politischen Untergrundbündnisses »Nationale Demokratische Front« (NDFP). Da zu den Hauptorganisationen der NDFP die Kommunistische Partei der Philippinen (CPP) und deren Neue Volksarmee (NPA) zählen, sind es eben ihre (vermeintlichen) Mitglieder und Sympathisanten, die jetzt ins Visier der staatlichen »Sicherheitskräfte« gerückt sind. Sie sollen zermürbt werden, indem man sie auf abgelegene, hoffnungslos überfüllte Gefängnisse verteilt, um so ihre juristische, ärztliche und anderweitige Betreuung sowie Besuche von Freunden und Bekannten einzuschränken und zu erschweren.

Hintergrund dieser Maßnahme bilden die präsidiale »Memorandum Order 32« vom 22. November 2018 sowie die »Exekutivorder Nr. 70« vom 4. Dezember 2018. Beide Erlasse hatte der seit Sommer 2016 amtierende Präsident Rodrigo Duterte als konkrete Maßnahmen im Rahmen des staatlichen Aufstandsbekämpfungsplans »Kapayapaan« (Frieden) unterzeichnet, um dem seit mehr als 50 Jahren währenden Aufstand der CPP/NPA gegen die Zentralregierung endgültig das Rückgrat zu brechen. Eine eigens eingesetzte »Nationale Arbeitsgruppe zur Beendigung des lokalen kommunistischen bewaffneten Konflikts« (kurz: NTF-ELCAC) unter Leitung des Nationalen Sicherheitsberaters, Ex-General Hermogenes Esperon jr., soll darüber wachen, daß sämtliche zivilen Regierungseinrichtungen, örtliche Behörden und zahlreiche Institutionen, insbesondere Schulen, sowie der Privatsektor in Kapayapaan einbezogen werden.

»Das gegenwärtige Regime unter Präsident Duterte«, heißt es in der Erklärung von Kapatid weiter, »läßt nichts unversucht, die Menschen- und Bürgerrechte immer mehr einzuschränken. Es gibt sich auch nicht damit zufrieden, als politische Widersacher wahrgenommene Personen mit fadenscheinigen oder erfundenen Anklagen ins Gefängnis zu werfen und sie dort aufgrund konstruierter oder falscher ›Zeugenaussagen‹ beziehungsweise gepflanzter ›Beweise‹ auf Jahre wegzusperren.«
Aktuell haben verschiedene Gerichte bereits Anträge des Nationalen Direktorats des Büros für Gefängnismanagement und Strafverwahrung (BJMP) erhalten, die die Verlegung von mehr als einem Dutzend politischer Gefangener betreffen. Das BJMP behauptet, solche Maßnahmen seien nötig, weil die politischen Gefangenen in Bicutan »übermäßige Kosten angesichts begrenzter Ressourcen der Regierung verursachen«. Zudem sei das Risiko von Fluchtversuchen während der Transporte hoch.
Laut Kapatid bedeutet »die Paranoia der NTF-ELCAC bezüglich der Bedrohung durch politische Gefangene zugleich ihren Bankrott«. Auf diese Weise sollten lokale Friedensverhandlungen mit der NDFP erzwungen werden.

Die offiziellen Verhandlungen zwischen der Regierung in Manila und dem Untergrundbündnis in Norwegen und den Niederlanden hat die Duterte-Regierung zwischenzeitlich selbst torpediert.

Rainer Werning

Im Hochsicherheitsgefängnis Camp Bagong Diwa (Aufnahme vom 15.3.2005) (Foto: EPA)