Leitartikel01. Juli 2025

Die Fronten sind abgesteckt

von Ali Ruckert

Um eines vorwegzunehmen: Die gehässige Unterstellung von Patronatsvertretern, die Gewerkschaften seien der Vergangenheit zugewandt und heute gar nicht in der Lage, die Lohnabhängigen zu mobilisieren, wurde Lügen gestraft, als am Samstag bis zu 25.000 Lohnabhängige und Rentner in der Hauptstadt aufmarschierten, um den von der CSV/DP-Regierung geplanten sozialen und arbeitsrechtlichen Verschlechterungen den Weg zu versperren. Es ist ein Beweis dafür, dass die Solidarität der Schaffenden Berge versetzen kann.

Nach am Abend des Demonstrationstages musste Premier Frieden auf RTL einräumen, es sei »eine erfolgreiche Demonstration« gewesen, und er sei bereit, den Dialog mit den Gewerkschaften »auf Augenhöhe« zu führen, was er zuvor verweigert hatte.

Ob Herr Frieden und seine Regierung, die am Samstag teilweise lieber Zuschauer bei einem Fußballspiel waren, als sich mit den Forderungen der Demonstranten auseinanderzusetzen, die Botschaft, die vom »Knuedler« ausging, wirklich verstanden haben, wird sich erst zeigen müssen.

Eines sollten sie wissen: Die 25.000 gingen nicht auf die Straße, um sich mit einem »Kompromiss« in einem Teilbereich ihrer Forderungen abspeisen zu lassen, sondern, um zu verhindern, dass das Kollektivvertragswesen und die gewerkschaftlichen Rechte stark eingeschränkt, das Leben von 50.000 Beschäftigten im Einzelhandel und im Lebensmittelhandwerk durch eine Ultraliberalisierung der Öffnungszeiten vollständig durcheinandergewirbelt, und die Schaffenden dazu gezwungen werden sollen, fünf Jahre länger zu arbeiten, bevor sie in Rente gehen. Dazu hieß es richtig auf der Demonstration, es handle sich um eine »reaktionäre Politik unter dem Deckmantel der Modernität«.

Angesichts dieser Herausforderung hat die Gewerkschaftsfront von OGBL und LCGB sich wohl bereit erklärt, am 9. Juli an einen Tisch mit der Regierung und dem Patronat zu setzen, allerdings unter der Bedingung, dass die Tagesordnung um die Themen angepasst wird, die den Schaffenden unter den Nägeln brennen – die Kollektivverträge, die Sonntagsarbeit, die Öffnungszeiten im Handel, der Mindestlohn und die Rentenreform.

Das wird kein Plauderständchen werden, denn die Gewerkschaftsagenda, die dem Premierminister und seinem Vize noch einmal schriftlich zugestellt wurde, ist klar: Kollektivverträge werden ausschließlich von den national repräsentativen Gewerkschaften ausgehandelt und unterzeichnet, das Gesetz über die Kollektivverträge darf nicht verwässert werden, eine Veränderung der Arbeitszeiten und der Sonntagsarbeit im Handel bedürfen einer kollektivvertraglichen Abmachung oder einer branchenübergreifenden Vereinbarung.

Hinzu kommt, dass der Mindestlohn auf der Grundlage der bisherigen Berechnungsmethode über die Schwelle des Armutsrisikos angehoben werden muss, und das öffentliche Rentensystem und die Krankenversicherung gestärkt, und diesbezüglichen Forderungen der Gewerkschaften diskutiert werden müssen.

Die Fronten sind abgesteckt, und man darf gespannt sein, zu welchem Resultat die Verhandlungen, wenn sie denn am 9. Juli beginnen sollten, führen werden, unabhängig davon, wie man sie nennen will.

Die Schaffenden müssen wachsam bleiben und, sofern Regierung und Patronat es auf einen faulen Kompromiss abgesehen haben sollten, bis zum Äußersten zu gehen bereit sein.