Luxemburg30. Juli 2021

»D‘Stad stierwt«, oder besser, sie wird umgebracht:

Der Profit, die Frucht der Gier

von Jean-Marie Jacoby

Die Vorstellung recht weniger Schöffenräte in der Hauptstadt und um die Hauptstadt herum, nichts abgeben zu wollen an andere Landesgemeinden, also zu verhindern, daß dieses Land dezentralisiert wird, ist sowohl für die Bewohner von Land und Zentralraum verbunden mit einer ständigen Verschlechterung der Lebensqualität durch ein Sardinenbüchsengefühl in Zug, Bus und Tram sowie durch Stau und Verkehrslärm auf allen Straßen als auch eine Qual für die Grenzgänger, die gerade nicht in Telearbeit für ihren Lohn vor Ort arbeiten müssen.

Wären diese Menschen die Entscheider im Land, wäre folglich schnell Schluß mit der Gier der Gemeindeführer in diesem Zentralraum. Doch sie haben nichts zu entscheiden, denn sie haben ihre Stimme abgegeben bei den letzten Wahlen, soweit sie zu denen zugelassen waren. Die aktuelle Form der bürgerlich-parlamentarischen Demokratie aber ist ganz real die aktuelle Form der Diktatur des Kapitals.

Nur das Kapital profitiert

Dem profitiert die Gier dieser Gemeindeführer durchaus, beginnend damit, daß Betriebe hierzulande mehr Profit machen als in den drei Nachbarstaaten, weil sie weniger Steuern, weniger Taxen und weniger Sozialbeiträge zu zahlen haben. Das führt zur Kannibalisierung der Großregion, weil sehr viele, die sich nicht direkt an Endkonsumierende richten, sich in Luxemburg niederlassen. Weil aber die Schöffenräte des Zentralraums aus lauter Gier unbedingt die ungesunde  Konzentration der Arbeitsplätze – drei Viertel von allen im Lande! – »nachhaltig absichern« wollen, wird jedem Betrieb, der hierher rüber machen will, der rote Teppich ausgerollt und zusätzlich mit den niedrigsten Sätzen der Gewerbesteuer, die möglich sind, gelockt.

Das wiederum freut jene, die auf Immobilien setzen, um ihr Kapital bestmöglich zu verwerten, sprich um die höchstmöglichen Profite einzufahren. Wobei der Stein ganz grundsätzlich den Vorteil hat, auch nach dem Platzen einer eventuellen Blase noch vorhanden zu sein, während beim Platzen von Blasen auf der Börse nur noch ein wertloses Papier übrig bleibt. Wer sich noch an die Havarie des »Neuen Markts« der Internet-Werte zu Anfang des Jahrtausends erinnert und an die Folgen für die Sparer des Briefträgerverbands, der braucht keine Zeichnung um das zu verstehen.

Nachdem die börsennotierten Firmen durchschnittlich ums vierfache überbewertet sind – als normal wird ein Kurs bezeichnet, der nicht höher ist als die zu erwartenden Dividenden in zehn Jahren, aktuell braucht es zum Ausgleich die aus 40 Jahren – gibt es immer mehr vorsichtige Kapitalisten, die sicherere, aber dennoch ertragreiche Anlagenformen suchen, wobei die in Zeiten der nicht endenden Überproduktionskrise nicht in der Güterproduktion liegen können. Deshalb ist es heute gar nicht mehr nötig, wie in der guten Zeit von Premier Juncker regelrecht Scheichs nach Luxemburg zu locken – die kommen heute von selber angesichts der Renditen und Preissteigerungen bei Immobilien im Lande Luxemburg.

Das führt zu regelrecht pharaonischen Projekten wie dem eines Scheichs an der hauptstädtischen Place de l‘Etoile oder dem von Paul Wurth und Heintz van Landewyck zur Verwertung ihrer ehemaligen Industriegrundstücke, die sie einst günstig am Stadtrand erwerben konnten.

Während im Scheich-Projekt Luxuswohnungen im Vordergrund und Büros nur in zweiter Linie stehen, stehen in dem fälschlicherweise »Nei Hollerich« (da »Nei-Hollerech« an Belair und den Schulcampus »Geesekneppchen« grenzt) bezeichneten Projekt Büros im Vordergrund und Wohnungen in zweiter Linie. Beworben nach draußen werden aber die 2.200 Wohnungen, nicht die 5.500 Büroarbeitsplätze.

Diese Büroflächen dienen der Gier des Schöffenrats und sind daher von diesem gern gesehen, umso mehr sie das Abmildern der Wohnungsnot verhindern und damit Mondpreise absichern, was Extraprofite stützt, auch wenn sie bestehende Verkehrsprobleme nur vergrößern. Die Kosten, die das verursacht, hat nie wer ausgerechnet und den Einnahmen gegenübergestellt – denn schlimm wäre, käme da raus, es koste mehr als es bringt. Die Erkenntnis würde den Profiteuren den Teppich unter den Füßen wegziehen, und das will doch kein Diener des Kapitals.