Verlierer und Gewinner der Inflationskrise
Die Juli-Ausgabe der von der Chambre des salariés herausgegebenen »Eco-News« trägt den Titel »Die Lohnabhängigen, Verlierer der Inflationskrise«. Die Kurzstudie bezieht sich auf den »Europäischen Tarifbericht« des gewerkschaftsnahen deutschen Wirtschafts- und Sozialwissenschaftlichen Instituts. Dessen Fazit: Die Konzernprofite befeuern die in fast allen EU-Staaten zu beklagenden Reallohn- und Kaufkraftverluste noch zusätzlich.
Den WSI-Forschern Thilo Janssen und Malte Lübker zufolge sind die Reallöhne 2022 in 26 von 27 EU-Staaten gesunken, im Durchschnitt um vier Prozent. Ganz vorne rangieren Estland mit einem Reallohnverlust von 9,3, Griechenland mit 8,2 und Tschechien mit 8,1 Prozent. Der für Luxemburg errechnete Wert von 2,6 Prozent müsse allerdings auf 1,3 Prozent gekürzt werden, weil die Effekte des Tank- und Tabaktourismus nicht herausgerechnet wurden, schreibt die CSL. Dafür sei in der WSI-Studie der Kaufkraftverlust, der wegen der Nichtanpassung der Steuertabelle an die Inflation entsteht, nicht hinzugerechnet worden.
Um auch die Effekte der Kurzarbeit herausrechnen zu können, hat man sich bei der CSL die Entwicklung der Reallöhne pro geleisteter Arbeitsstunde angesehen und mußte »leider feststellen, daß vor allem die Beschäftigten in Niedriglohnsektoren die größten Kaufkraftverluste hinnehmen mußten.« Im Horeca liege der Reallohnverlust allein 2022 bei 3,2 Prozent, im sonstigen Dienstleistungssektor bei 3,3 Prozent.
Unter Verwendung der Volkswirtschaftlichen Gesamtrechnung schreibt die CSL weiter: »Während die Reallöhne in Luxemburg insgesamt gesunken sind, gilt dies nicht unbedingt auch für die Gewinnspannen der Unternehmen. Für die gesamte Wirtschaft stieg der Produktionswert zwischen 2021 und 2022 um 5,7 Prozent, während die Produktionskosten nur um 5,5 Prozent gestiegen sind. Das kann bedeuten, daß die Unternehmen in der Lage waren, mehr als nur die höheren Produktionskosten an die Endkunden weiterzugeben.«
Was die CSL höflich umschreibt, nennen bürgerliche Ökonomen »Gewinninflation«, weil vor allem die großen Konzerne selbst in einer Zeit hoher Inflation noch mächtig Kasse machen, indem sie die Preissteigerungen insbesondere in Handel und Bauwirtschaft dazu benutzen, ihre Gewinne auszuweiten. Janssen und Lübker bilanzieren: »Mitten in der Krise ist es zur Umverteilung zulasten der Löhne und zugunsten der Kapitaleinkommen gekommen.«
Und die Chambre des salariés schlußfolgert, es gebe ganz offensichtlich keine »Lohn-Preis-Spirale«, bei der höhere Löhne angeblich die Preise in die Höhe treiben, wohl aber das »Gegenteil«, also eine vom Patronat ausgelöste Gewinn-Preis-Spirale.
Bei Marx entspricht das Ergebnis menschlicher Arbeit v + m, also Arbeitslohn plus Mehrwert. Was dem Arbeitslohn genommen wird, landet also stets beim Mehrwert, also in der Tasche des Kapitalisten. Das Ganze hat aber eine Kehrseite, die das Kapital gerade lauthals beklagt: Der Arbeitslohn ist nämlich dazu da, die verbrauchte Arbeitskraft zu erneuern. Geschieht das nicht ausreichend, untergräbt die Profitgier ihr eigenes Fundament. Die aktuelle Version dieses Phänomens nennt man Fachkräftemangel. Und tut damit so, als wäre dieser vom Himmel gefallen. Tatsächlich beißt sich nur die kapitalistische Katze in den eigenen Schwanz.