Leitartikel16. September 2021

Eine Sache der sozialen Gerechtigkeit

von Ali Ruckert

Immer dann, wenn die US-amerikanischen Ratingagenturen, die gewerbsmäßig die Kreditwürdigkeit von Staaten und Konzernen bewerten, die Bestnote AAA an Luxemburg vergeben für eine »ausgewogene Finanz- und Fiskalpolitik«, befleißigt sich die Regierung, das als Beweis und Legitimation ihres erfolgreichen politischen Handelns hinzustellen. Der Eindruck soll erweckt werden, dass es dem Land prächtig geht – trotz der Krise.

Nur ist das eben nicht der Fall, denn trotz der AAA-Bestnoten wuchs die Zahl der Haushalte, die zum Monatsende die beiden Enden nicht mehr zusammenbekommen, immer mehr Menschen leben in armen Verhältnissen oder sind arbeitslos, und die Wohnungsnot bricht alle Rekorde. Aber das kümmert die Regierung offenbar nur wenig, ansonsten sie es ändern würde.

Mit Genugtuung dürfte die Regierung daher zur Kenntnis nehmen, dass die AAA-Kreditbenotungen in einer gewerkschaftlichen Publikation aus dem Bereich der öffentlichen Funktion als »Beweis« dafür angeführt werden, »dass keine drastischen sozialen Sparmaßnahmen und keine krisenbedingten Steuererhöhungen erforderlich sind, welche ja ohnehin Gift für die notwendige Wirtschaftsbelebung wären«.

Das kann der Regierung eigentlich nur in den Kram passen, denn drastische soziale Sparmaßnahmen hat sie eigentlich nicht geplant, und Steuererhöhungen für das Kapital lehnt sie ohnehin generell ab.

Über die Darstellung in der Gewerkschaftspublikation darf sie aber auch deshalb zufrieden sein, weil davon abgelenkt wird, dass eigentlich die Zeit gekommen ist, drastische soziale Verbesserungen vorzunehmen, und im Steuerbereich dafür zu sorgen, dass die breiten Schultern des Groß- und Finanzkapitals eine größere Steuerlast zu tragen bekommen als die schmalen Schultern der Lohnabhängigen.

Eine Möglichkeit dazu sind Steuersenkungen für die Lohnabhängigen mit kleinen und mittleren Einkommen, eine andere, die Einführung einer Reichensteuer für Vermögende und Großerben, und wieder eine andere die Erhöhung der Kapitalsteuern, welche die aufeinanderfolgenden Regierungen systematisch senkten, oder die Einführung einer Coronasteuer für Krisengewinner, zum Beispiel in Form einer Solidaritätssteuer auf große Vermögen und auf die Profite der Betriebe.

Anders als das von gewisser Seite behauptet wird, ist das weder ein »Aufstacheln von Missgunst« noch eine ideologische Frage, sondern eine Sache der sozialen Gerechtigkeit, die dazu beitragen kann, dringend erforderliche soziale Verbesserungen durchzuführen und somit bestehende Ungleichheiten und Ungerechtigkeiten einzuschränken, beziehungsweise abzuschaffen.

Um das möglich zu machen, muss man das Geld dort nehmen, wo es ist: bei den Reichen und beim Groß- und Finanzkapital.