Israels Mauer gefährdet Leben und Gesundheit
Medizinische Hilfslieferungen dürfen nicht nach Gaza
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) hat Israel aufgefordert, sofort medizinische Hilfslieferungen in den Gazastreifen zu lassen. Früher seien pro Tag 4.000 medizinische Artikel in den Gazastreifen geliefert worden, heute seien es nur 40, erläuterte Guido Sabatinelli, der Leiter der Gesundheitsabteilung von UNRWA, der UNO-Hilfsorganisation für die palästinensischen Flüchtlinge.
Weil Israel auch kein Baumaterial in den Gazastreifen läßt, können im Krieg zerstörte Gesundheitszentren und Hospitäler nicht repariert werden, berichtete Sabatinelli bei der Jahreskonferenz der WHO in Genf. Schulen, Wohnungen und Häuser warten ebenfalls noch auf den Wiederaufbau. Auch Papier unterliege einem israelischen Lieferungsverbot für den Gazastreifen, wodurch die Dokumentation medizinischer Behandlung gefährdet sei. Besorgniserregend sei vor allem der Zustand von Kleinkindern unter drei Jahren, von denen 30 Prozent aufgrund der mangelhaften Ernährung unter Blutarmut (Anämie) litten. Auch 50 Prozent der schwangeren Frauen leiden unter Anämie.
Die israelische Blockade des Gazastreifens trat bereits 2007 in Kraft, nachdem die Hamas die Parlamentswahlen gewonnen hatte. In dem 356 km² großen Küstenstreifen leben etwa 1,5 Millionen Menschen, 1.075.000 von ihnen sind bei der UNRWA registrierte Flüchtlinge.
Die Blockade beeinträchtigt nach Angaben von Sabatinelli massiv die Gesundheit der Bevölkerung von Gaza, die noch immer unter den Folgen des dreiwöchigen Krieges Anfang 2009 zu leiden hat. Mehr als 1.400 Menschen kamen damals ums Leben, mehr als 5.000 Menschen wurden zum Teil schwer verletzt und können bis heute nicht ausreichend medizinisch versorgt werden.
Die hohe Arbeitslosigkeit bedingt, daß den Menschen Geld fehlt, um zusätzlich zu den Grundnahrungsmitteln, die von Hilfsorganisationen und der UNRWA verteilt werden, kalorien- und vitaminreiche Lebensmittel kaufen zu können. Die Blockade verhindert außerdem die Lieferung von ausreichend Treibstoff und Kochgas, die Preise sind in die Höhe geschossen. Derzeit stirbt bei 1.000 Geburten jedes 25. Kind, in der besetzten Westbank liegt die Kindersterblichkeit bei 15 von 1.000 Geburten. Zum Vergleich nannte Sabatinelli auch die Zahl der Kindersterblichkeit in Israel, die bei 5 von 1.000 Geburten liegt.
Drei Monate nach dem Rückzug der israelischen Truppen aus dem Gazastreifen bombardieren israelische Kampfjets weiter die Tunnelanlagen an der Grenze zwischen dem Gazastreifen und Ägypten, durch die lebensnotwendige Güter in den belagerten Küstenstreifen geschafft werden. Die Anlagen sind wegen der Angriffe, aber auch wegen unzureichender Sicherheitsmaßnahmen ständig einsturzgefährdet. Am vergangenen Wochenende wurden drei Männer lebend aus einem Tunnel gezogen, der fünf Tage zuvor eingestürzt war. Zwei Männer konnten nur noch tot geborgen werden, vier werden noch vermißt.
Sabatinelli wies erneut auf die chronische Unterversorgung der UNRWA zurück, die inzwischen mehr als 4 Millionen palästinensische Flüchtlinge in Palästina und in Flüchtlingslagern in Jordanien, Syrien, Libanon und Ägypten versorgen muß. Der aktuelle Jahresetat der UNRWA beträgt 80 Millionen US-Dollar (etwa 57 Millionen Euro), das sind pro Flüchtling 20 US-Dollar, also etwa 14 Euro pro Jahr. Laut WHO liegt das Minimum für jährliche Unterstützung pro Person bei 60 US-Dollar. Wenn nicht zusätzliche Gelder eingehen würden, werde die Organisation im Jahr 2010 rund 25 Prozent weniger Budget zur Verfügung haben und Hilfsleistungen einstellen müssen, warnte Sabatinelli. Auch Krankenhäuser müßten vermutlich geschlossen werden.
Israel hat nun erneut die Blockade des Gazastreifens verschärft. Auf abgeworfenen Flugblättern forderte die israelische Armee die Einwohner des Küstenstreifens am Wochenende auf, sich zur »eigenen Sicherheit« nicht mehr als 300, an manchen Stellen 500 Meter dem Absperrungszaun zu nähern, andernfalls könnten sie erschossen werden. Ein Junge war durch einen der herunterfallenden Kanister verletzt worden, der die Flugblätter enthielt.
Karin Leukefeld