Luxemburg18. Mai 2020

Ein Standardwerk

Allan Mersons Buch »Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland« neu aufgelegt

»Die umfassendste, die beeindruckendste, aber auch die bewegendste Darstellung des deutschen kommunistischen Widerstands, die ich je gelesen habe«, fand Peter Gingold (1916 bis 2006). »Das wichtigste Buch über die Rolle deutscher Kommunisten im antifaschistischen Widerstand zwischen 1933 und 1945 wurde nicht von einem Deutschen geschrieben«, konstatierte der Rostocker Historiker Karl Heinz Jahnke (1934 bis 2009). Er meinte das 1985 in London erschienene Werk von Allan Merson (1916 bis 1995), dessen 1999 erschienene deutsche Übersetzung »Kommunistischer Widerstand in Nazideutschland« der Verlag Neue Impulse zum 75. Jahrestag der Befreiung in zweiter Auflage herausgebracht hat.

»Obwohl Merson zwar den Forschungsstand von 1985 vollständig beherrschte, naturgemäß aber dann sein Buch in der Quellenerschließung überholt wurde, ist ihm ein klassischer Text gelungen. Dies beruht auf der spezifischen Haltung: Distanz und Empathie. Der britische Autor hält sich von den deutsch-deutschen Historikerquerelen … fern, und vom Kalten Krieg sowie von Verbiegungen irgendeiner ideologischen Koexistenz ist er unberührt geblieben. … Zugleich läßt der Autor keinen Zweifel daran, daß es seine eigene Sache ist, der er sich mit Kritik und Sympathie zuwendet: Das ist seine Form der Parteilichkeit. In dieser Unüberholbarkeit durch Forschungsinnovationen, die aus einem Stil der Wahrnehmung resultiert, erinnert Mersons Buch an Abendroths ‚Aufstieg und Krise der deutschen Sozialdemokratie’ oder – viel älter – an Mehring. Besseres kann man von einer Arbeit zur Geschichte der Arbeiterbewegung wohl nicht sagen« – lautete das Lob von Georg Fülberth.

In nüchtern-britischer Art geht Merson keiner kritischen Frage und keinem Problem aus dem Weg. Die Entstehung des Buches ist eng verknüpft mit seiner Biographie, die Jahnke 1994 durch sein Buch »Antifaschisten« bekannt machte. Der 20-jährige Oxford-Student Merson sympathisierte mit dem Kampf der Spanischen Republik, trat in die KP Britanniens ein. Als Fremdsprachenassistent weilte er 1937/38 in Nazideutschland, machte sich ein eigenes Bild. Mit 22 wurde er Beamter im britischen Wirtschaftsministerium. Zum Militär eingerückt, gelangte er noch vor Kriegsende in das durch britische Truppen besetzte Gebiet Deutschlands, wirkte als Besatzungsoffizier in Berlin und Düsseldorf. In Frankreich, Belgien und Deutschland stand er in Kontakt zu Kreisen des antifaschistischen Widerstands, die er entsprechend seinen Möglichkeiten zu unterstützen versuchte.

1946 erlangte Merson eine Assistentenstelle, später eine Professur an der Universität Southampton. Dort war er bis 1978 in Lehre und Forschung tätig: englische Geschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, Regionalgeschichte, Geschichte Islands (wo er zeitweise stationiert gewesen war). Sein besonderer Schwerpunkt wurde die deutsche Geschichte des 20. Jahrhunderts, insbesondere des Hitlerfaschismus und des antifaschistischen Widerstands. Zwei Jahrzehnte arbeitete Merson an seinem Buch. Er besaß zu diesem Thema eine auf der britischen Insel einmalige Bibliothek, die er seiner Universität vermachte. Er kannte nicht nur die Literatur sehr genau, sondern betrieb auch gründliche Studien in Archiven in Ost- und Westdeutschland.

Vor allem konnte er in Düsseldorf die Gestapo-Akten auswerten, die sonst fast überall vernichtet waren. Er befragte auch 25 damals noch lebende Beteiligte des Widerstands. Ihm kam entgegen, daß er als Antifaschist in der Anti-Hitler-Koalition gegen Nazideutschland gekämpft hatte. Und, schreibt Jahnke, »fördernd auf den Forschungsprozeß hat sicher auch die Korrespondenz mit Historikern verschiedener politischer Richtungen in West und Ost gewirkt«.

Dieses im deutschsprachigen Raum zu Unrecht wenig bekannte, nun endlich wieder verfügbare Buch sollte in antifaschistischen und kommunistischen Bücherschränken nicht fehlen – und natürlich (neu und wieder) gelesen werden.

Lothar Letsche

Allan Merson
Kommunistischer
Widerstand in
Nazideutschland
Neue Impulse Verlag
310 Seiten, 19,80 Euro (D)

Das Buch kann bei der Redaktion der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« bestellt werden