Leitartikel28. Dezember 2024

Sie lügen, dass sich die Balken biegen

von Ali Ruckert

Als das Institut für sozialökonomische Forschung LISER im Jahr 2018 eine vom Wirtschaftsministerium in Auftrag gegebene wissenschaftliche Studie veröffentlichte, hieß es in deren Einleitung, das Wirtschaftsministerium sei bestrebt, die Kenntnisse über die potentiellen Auswirkungen einer Änderung der Öffnungszeitregelung auf die Beschäftigten im Einzelhandelssektor zu verbessern.

Viel Aufhebens wurde damals nicht über die Studie gemacht, in erster Linie wohl deshalb, weil deren Resultate nicht ins Konzept derer passten, die auf eine zusätzliche Deregulierung, oder sogar eine vollständige Liberalisierung der Arbeitszeiten im Einzelhandel aus waren und gehofft hatten, ihre Flexibilisierungsphantasien mit Hilfe »wissenschaftlicher Argumente« leichter durchsetzen zu können.

Diese Hoffnung zerschlug sich, was den neoliberalen Herrn Delles, Wirtschaftsminister der CSV/DP-Regierung, nicht daran hinderte, vor kurzem an den Gewerkschaften vorbei ein Gesetzesprojekt in der Chamber zu deponieren, das vorsieht, dass der Einzelhandel in Zukunft von 5 Uhr morgens bis 22 Uhr am Abend und an den Sonntagen bis 19 Uhr öffnen darf.

Die Patronatsvereinigungen applaudierten, und der oberste Einpeitscher des Dachverbands der Unternehmer forderte gleich eine noch weiter gehende Liberalisierung als im Gesetzesprojekt festgehalten.

Dabei lügen die Patronatsvertreter, dass sich die Balken biegen, wenn sie behaupten, die Flexibilisierung der Arbeitszeiten und der Achtstunden-Sonntag seien im Sinne der Lohnabhängigen, die regelrecht darauf aus seien, an Sonntagen zu arbeiten.

Aus der Studie des LISER geht hingegen hervor, dass fast die Hälfte (45%) der Lohnabhängigen befürchten, dass sie ihren Arbeitsplätz verlieren könnten, wenn sie nicht für die Arbeit am Sonntag zur Verfügung stehen. 87 Prozent sagen, dass das Gesetz die Öffnungszeiten an Sonntagen begrenzen sollte, 90 Prozent sagen sogar, dass die Öffnungszeiten an den Abenden während der Woche begrenzt werden müssten. Das Gesetzesprojekt des DP-Ministers geht allerdings in die entgegengesetzte Richtung.

Die LISER-Studie legte auch offen, dass Lohnabhängige, die an Sonntagen im Betrieb antreten müssen, im Vergleich zu Beschäftigten, die nicht an Sonntagen arbeiten, deutlich mehr Stress haben – auch weil sie das Arbeits- und Privatleben immer weniger unter einen Hut bekommen.

Hinzu kommt, dass Beschäftigte aus dem Einzelhandel, die Sonntagsarbeit verrichten, häufiger über Muskelschmerzen, Kopfschmerzen, Skelettschmerzen, Magenschmerzen, müde Augen, allgemeine Müdigkeit, Schlafschwierigkeiten und Schlaflosigkeit klagen.

Das alles scheint die Regierung und die Unternehmer nur wenig zu stören, ansonsten sie nicht hingehen würden, den Männern und Frauen im Einzelhandel das Arbeitsleben zusätzlich zur Hölle zu machen, um über eine Flexibilisierung der Arbeitszeiten mehr Profit für die eigene Tasche zu stecken.

Dieser brutale Klassenkampf von oben kann nur abgewehrt werden, wenn die Schaffenden aus dem Einzelhandel und darüber hinaus solidarisch sind und zusammen mit ihren Personalvertretern und Gewerkschaften sich nicht scheuen, alle ihnen zur Verfügung stehenden gewerkschaftlichen und politischen Mittel einzusetzen. Nur so kann verhindert werden, dass das soziale Rad im Einzelhandel um Jahrzehnte zurückgedreht wird. Auf die Unterstützung der Kommunisten können sie zählen.