Leitartikel07. Februar 2023

Kriegslügen entlarvt, aber ungestraft

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Am Sonntag war es genau 20 Jahre her, daß ein gewisser Colin Powell in einer in alle Welt live übertragenen Rede im Sicherheitsrat der Organisation der Vereinten Nationen sämtliche Alarmglocken läuten ließ, um die Notwendigkeit eines Krieges der USA gegen den Irak zu »begründen«. Colin Powell, ein hochdekorierter Vier-Sterne-General, von 1987 bis 1989 Nationaler Sicherheitsberater des Präsidenten George Bush senior, 1989 bis 1993 Vorsitzender der Joint Chiefs of Staff, des Generalstabs der USA-Streitkräfte, diente in der ersten Amtszeit von Präsident George Bush junior als Außenminister der USA-Administration.

»Meine Kollegen, was ich Ihnen heute präsentiere, basiert auf Fakten und soliden Quellen. Das sind keine Behauptungen. Was wir Ihnen geben, sind Fakten und Schlußfolgerungen, die auf solider Geheimdienstarbeit beruhen«, sagte er in der Sitzung des Sicherheitsrates am 5. Februar 2003. Was dann folgte, war eine Aneinanderreihung von Behauptungen, die selbst für viele Laien keinerlei Beweiskraft hatten, unterstützt von Fotos von zweifelhafter Echtheit. Als Höhepunkt präsentierte Powell ein Glas mit weißem Pulver, das angeblich den Milzbrand-Erreger Anthrax enthielt.

Alles das diente dem Ziel, vor dem höchsten Entscheidungsgremium der UNO und zugleich vor aller Welt zu »beweisen«, daß der Irak ein Programm zur Herstellung von Massenvernichtungswaffen verfolge und deshalb durch eine militärische Invasion gestoppt werden müsse. Was danach kam, ist bekannt. Am 20. März griffen die USA den Irak an, nach Berechnungen unabhängiger Institute kostete dieser Krieg bis zum Jahr 2019 mindestens 300.000 irakische Zivilisten das Leben, manche gehen von bis zu einer Million Toten aus. Der Irak ist bis heute nicht zur Ruhe gekommen, wurde durch den Krieg zu einem der »gescheiterten Staaten« – wie später auch Libyen, Afghanistan, der Jemen, Südsudan…

Die angeblich gelagerten oder in der Produktion befindlichen Massenvernichtungswaffen wurden nie gefunden. Dennoch erklärte Präsident Bush am 1. Mai 2003 auf dem Flugzeugträger »USS Abraham Lincoln« den Krieg als siegreich. »Mission Accomplished« – Auftrag erledigt.

Inzwischen wurden die Ausführungen des damaligen Außenministers vor der UNO in New York längst als Lügen entlarvt, die nur dem Zweck dienten, einen Vorwand zu einem Vernichtungskrieg gegen ein Land und gegen einen Staatschef zu liefern, den die USA als »Feind« definiert hatten. Selbst Powell hat sich von seiner Kriegsrede später distanziert.

Bemerkenswert ist allerdings, daß die verantwortlichen Politiker bis heute niemals als Kriegsverbrecher eingestuft und vor ein ordentliches Gericht gestellt wurden. Weder Powell, noch Präsident Bush mußte sich jemals für die Zerstörungen und die toten Soldaten und Zivilisten verantworten – auch nicht der heutige Präsident Joe Biden, der damals als Senator für den Staat Delaware allen Entscheidungen für den Krieg gegen den Irak, aber auch für den Krieg in Afghanistan zugestimmt hat, und als Vizepräsident unter Barack Obama mitverantwortlich ist für die Angriffe auf Libyen, die auch zur Folge hatten, daß Waffen und Söldner in die Region südlich von Libyen strömten, die heute noch von unterschiedlichen, zumeist islamistischen Milizen verunsichert wird.

Zudem sollte diese Erinnerung uns zu denken geben, wenn auch heute von »Fakten und Schlußfolgerungen« die Rede ist, »die auf solider Geheimdienstarbeit beruhen«.