Ausland15. Mai 2009

Streik für gerechte Forderungen

Im Mittelpunkt der Forderungen der streikenden griechischen Bauarbeiter stehen die Arbeitslosen und Kurzarbeiter

Wegen eines Streiks im öffentlichen Dienst sei der Flugverkehr in Griechenland für Stunden behindert worden, melden die Agenturen gestern. Viel mehr war allerdings über den gestrigen Streik des gesamten öffentlichen Dienstes in Griechenland nicht zu erfahren.

Die staatlichen Angestellten wehren sich mit ihrem Arbeitskampf gegen den Beschluß der Regierung, für 2009 keine Erhöhung der Löhne und Renten vorzunehmen. Lediglich Geringverdienende sollen eine einmalige Zuzahlung von 300 bis 500 Euro erhalten. »Die Regierung meint, daß Rentner mit 1.000 und Angestellte mit 1.250 Euro zu den Großverdienern gehören«, heißt es in einer auf der Streikkundgebung verabschiedeten Resolution des Gewerkschaftsdachverbandes ADEDY.

Neben angemessenen Erhöhungen fordert die ADEDY insbesondere die Rücknahme der auch von der EU forcierten Flexibilisierung der Arbeitsverhältnisse und die Festanstellung aller mit derartigen Teilzeit- und Werksverträgen Angestellten, sowie die Rücknahme einer ebenfalls von der EU aufgezwungenen Erhöhung des Renteneintrittsalters, durch die unter anderem eine in Griechenland bisher geltende günstige soziale Regelung für Frauen mit minderjährigen Kindern gekippt wurde.
Gänzlich unbeachtet von den ausländischen bürgerlichen Medien blieb darüber hinaus gestrige Streik der Bauarbeiter. Dabei hat die Baubranche mit ihren etwa 308.000 Arbeitern für Griechenland etwa die gleiche Bedeutung wie die Autobranche für die BRD. Ihr Anteil am Bruttosozialprodukt schwankt zwischen 7 und 8 Prozent, in den 70er Jahren waren es sogar fast 12 Prozent. Etwa 100.000 der in 109.000 Bauunternehmen arbeitenden Bauarbeiter, darunter etwa die Hälfte Migranten, sind in der von der kommunistischen Gewerkschaftsfront PAME dominierten Bauarbeitergewerkschaft organisiert.

»Die Bauunternehmen nutzen die Krise um unseren Lebensstandard weiter zu senken, die Forderungen unserer Branche einzuschränken, Tarifverträge, unbefristete Arbeitsverträge, Sozialversicherungsstandards anzugreifen«, erklärte deren Vorsitzender auf der Streikkundgebung in Athen. Im Bauboom vor den Olympischen Spielen hätten die Bauarbeiter die Gewinne der Bauunternehmer mit unbezahlten Überstunden, geringen Stundenlöhnen und vor allem vielfach mit ihrem Leben bezahlt, so Giannis Passoulas. »Heute bezahlen wir sie mit 23 Prozent Arbeitslosigkeit in der Branche.« Im gleichen Zeitraum seien die Gewinne der Unternehmen drastisch gestiegen. So habe einer der größten Konzerne, AKTOR, seinen Reingewinne 2008 um 109 Prozent auf 40,1 Millionen Euro steigern können. Bei den anderen Unternehmen sehe es ähnlich aus.

Demgegenüber sind die Einkünfte der Bauarbeiter gesunken. Zwar war es der Gewerkschaft auch 2008 gelungen, einen Tarifvertrag über Lohnerhöhungen von 7,5 Prozent abzuschließen. Doch die mehrheitlich als Tagelöhner arbeitenden Bauarbeiter finden an immer weniger Tagen im Jahr Arbeit. Viel arbeiteten weniger als 50 Tage im Jahr. Diese Entwicklung ist umso kritischer, als die Regierung mit Wirkung vom 1. Januar festgelegt hat, daß die Anzahl der für eine medizinische Versorgung nötigen versicherten Arbeitstage schrittweise von 40 auf 80, die für den Anspruch auf Arbeitslosengeld von 80 auf 100 erhöht werden soll. Im Mittelpunkt der Forderungen standen gestern vor allem die Forderungen nach einem Recht auf medizinische Versorgung und Arbeitslosengeld für alle Bauarbeiter.

Heike Schrader, Athen