Leitartikel03. Mai 2024

Neue Angriffe abwehren und alte Forderungen aufrechterhalten



Forscher haben bereits vor Jahren herausgefunden, daß mehr als 25 Stunden Erwerbsarbeit pro Woche an die Substanz gehen können. Zumindest bei Beschäftigten ab dem 40. Lebensjahr habe man deutlich eine Leistungsgrenze bei dieser Stundenanzahl feststellen können, hieß es in diesem Bericht. Mit jeder weiteren Arbeitsstunde seien die kognitiven Fähigkeiten, wie Konzentration, Aufmerksamkeit, Erinnerung, Lernen, Problemlösung und Kreativität deutlich gesunken. Wissenschaftler aus Skandinavien stießen anschließend ins selbe Horn. Dies deute, so die Forscher, darauf hin, daß eine Form der Teilzeitarbeit besser mit den menschlichen Bedürfnissen vereinbar sei. Gemeint sind hier nicht die für Lohnabhängige unvorteilhaften gängigen Formen von Teilzeit, sondern eine ganz andere Struktur der Wochenarbeitszeit.

Interessant ist diese Studie nicht nur im Zusammenhang mit der Diskussion um neue Ausweitungen der Wochenarbeitszeiten, wie die Bosse aus der Wirtschaft nun wieder ganz offen bei einer ihnen gewogenen Regierung bestellen, sondern auch, wenn es um die sogenannte »digitale Revolution« geht, von der die Rede ist. Als »dritte industrielle Revolution« von der Wirtschaft gefeiert, soll sie dafür sorgen, daß es künftig keine Lohnabhängigkeit und flexiblere Arbeitsbedingungen geben soll. Man weiß, wenn die Industrie in solchen Tönen flötet, daß Obacht geboten ist, zumal keine der bisherigen industriellen Revolutionen ohne langwierige soziale Kämpfe irgendeinen Nutzen für die arbeitenden Massen mit sich gebracht hat.

Die bereits jetzt fortschreitende Digitalisierung und Automatisierung bringt Flexibilisierung und Produktivitätssteigerung zugunsten der Wirtschaft, während die Menschen an den Computern und Maschinen unter Arbeitsverdichtung leiden. Es ist wie immer: Alle Vorteile aus dieser Produktivitätssteigerung sind allein zum Vorteil einer Minorität, während die Mehrheit zum stagnierenden Lohn auch noch die entstandenen Kosten trägt.

Um den technischen Fortschritt aus Sicht der Lohnabhängigen teilweise in erträgliche Bahnen zu leiten, müßten dringend gesetzliche Grundlagen geschaffen werden, die soziale Mindeststandards garantieren, wie Mitbestimmung bei der Technologisierung im Betrieb, bei der Neuausrichtung der Arbeitszeiten und beim Gesundheitsschutz am Arbeitsplatz.

Ein Problem wird vermutlich die weitere Deregulierung der Arbeitszeiten sein, die bereits begonnen hat. Wenn die luxemburgischen Patronatsvertreter nun wieder jammern, eine Arbeitszeitverkürzung sei »ausgerechnet jetzt« nicht machbar, dann reden ihnen erschreckend viele Lohnabhängige nach dem Munde, weil sie sich mit der Sache nicht auseinandersetzen.

Es sollte deutlich werden, daß Arbeitszeit ein Teil Lebenszeit ist, die nicht frei bestimmt werden kann und entsprechend honoriert werden muß. Gerade in Zeiten, wo neue Technologien der seit dem letzten Weltkrieg ohnehin massiv gestiegenen Produktivität neuen Schub geben, ist ein Prekariat nicht mehr akzeptabel, und eine 40-Stundenwoche schon gar nicht. Es dürfen nun nicht nur die Angriffe der neuen Regierung auf die sozialen Errungenschaften von den Gewerkschaften bekämpft werden, wie Löcher in einem Boot. Auch längst überfällige Forderungen nach einer Arbeitszeitverkürzung bei vollem Lohn, ein Recht auf Home Office oder klare Gesundheitsstandards in den Betrieben müssen weiter offensiv gestellt werden.