Ausland09. September 2021

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

Vor 80 Jahren: Beginn der Blockade Leningrads

Gedenken an Opfer der Faschisten

Die Stadt St. Petersburg hat 80 Jahre nach Beginn der Blockade der Stadt Leningrad durch die faschistische deutsche Wehrmacht an die Hunderttausenden Opfer des Kriegsverbrechens erinnert. Über Lautsprecher wurden am Mittwochmittag eine stadtweite Schweigeminute angekündigt. Das Gedenken an das Verbrechen der deutschen Faschisten müsse auch in jüngeren Generationen wachgehalten werden, sagte Gouverneur Alexander Beglow.

Die fast 900 Tage andauernde Belagerung hat mehr als eine Million Menschen das Leben gekostet. Auf dem Piskarjowsker Friedhof mit dem Ehrenmal für die Opfer der Blockade wurden Kränze und Blumen niedergelegt. Am Abend wurden in Erinnerung an die Blockade-Opfer Konzerte gespielt und Theaterstücke aufgeführt.

Am 8. September 1941 hatte die deutsche Wehrmacht auf Befehl Adolf Hitlers Leningrad abgeriegelt. Ziel der deutschen Faschisten war es, die zweitgrößte Stadt der Sowjetunion, die den Namen Lenins trug, systematisch durch Hunger und Granatbeschuß auszulöschen. Die Blockade wurde erst am 27. Januar 1944 durch die Truppen der Roten Armee der Sowjetunion im Zusammenwirken mit Partisanenverbänden und den Einwohnern der Stadt durchbrochen. Für ihren Widerstand gegen die Okkupanten wurde der Stadt durch die Regierung der Sowjetunion der Ehrentitel »Heldenstadt« verliehen.

 

Engels-Haus neu eröffnet

Nach rund fünf Jahren Sanierung öffnet die Stadt Wuppertal an diesem Samstag wieder das Engels-Haus, die zentrale Gedenkstätte für den in Wuppertal geborenen Philosophen und Revolutionär Friedrich Engels (1820-1895). Die Eröffnung war eigentlich für den 28. November 2020 – den 200. Geburtstag von Engels – geplant, mußte aber wegen der Corona-Pandemie verschoben werden. Das Fachwerkhaus aus dem Jahr 1775 sei für rund 4,8 Millionen Euro in seiner Baugeschichte untersucht und aufwendig saniert worden, sagte Museumsdirektor Lars Bluma. Eine neu zusammengestellte Ausstellung auf rund 300 Quadratmetern im Innern versuche die persönliche Seite von Engels herauszuarbeiten: Engels sei ein lebensfroher, sportlicher und kommunikativer Mensch gewesen.

Zusammen mit seinem Freund und Genossen Karl Marx verfaßte Engels eine Reihe bedeutender Schriften, darunter das »Manifest der Kommunistischen Partei« sowie eigene philosophische und historische Werke.

 

 

 

Lee-Statue entfernt

Eine Statue des Südstaaten-Generals Robert E. Lee ist in der Hauptstadt des USA-Bundesstaats Virginia abgebaut worden. Arbeiter entfernten am Mittwochmorgen die riesige Bronzestatue in Richmond von ihrem Sockel. General Robert E. Lee führte die Konföderierten im Bürgerkrieg der Südstaaten gegen die Nordstaaten. Lee wird von der rechten Szene in den USA als Held verklärt. Richmond war einst die Hauptstadt der Konföderierten Staaten.

 

Wirbel um Übergangskabinett für Afghanistan

Nachdem die Taliban am Dienstag erste Personalien für ein Übergangskabinett vorgestellt haben, wurde in den Hauptstädten der Länder, die als Verlierer aus dem Krieg in Afghanistan hervorgegangen sind, massiver Protest laut. Nach den ersten Bekanntmachungen wird der öffentlich wenig bekannte Mullah Mohammed Hassan Achund amtierender Vorsitzender des Ministerrats, was dem Amt eines Premierministers gleichkommt.

Achund ist eines der Gründungsmitglieder der Taliban, war zuletzt im Führungsrat, der Rahbari Schura, und gilt als enger Vertrauter des Taliban-Führers Haibatullah Achundsada. Achund, der in Afghanistan Mullah Hassan genannt wird, hielt bereits während der ersten Taliban-Herrschaft wichtige Posten. Laut UNO-Angaben war er Außenminister und Gouverneur der Provinz Kandahar, aus der er stammt. Achund gilt im »Westen« als »gemäßigt«. Seit 2001 steht er auf einer UNO-Sanktionsliste.

Taliban-Sprecher Mudschahid sagte, man habe sich darauf geeinigt, ein Übergangskabinett zu ernennen und bekanntzugeben, »um die notwendigen Regierungsarbeiten durchführen zu können«. Insgesamt besetzten die Taliban 33 Posten. Die Besetzung der verbleibenden Führungspositionen von Ministerien und Institutionen werde man sukzessive bekanntgeben, sagte Mudschahid.

Zu einem von zwei Stellvertretern Achunds wurde Mullah Abdul Ghani Baradar ernannt, der bisherige Vizechef der Taliban. Er wurde nach seiner Freilassung aus pakistanischer Haft im Jahr 2018 das öffentliche Gesicht der Islamisten und unterzeichnete 2020 für die Taliban das Abkommen mit den USA unter anderem über ein Ende des von den USA geführten Krieges in Afghanistan.

Mullah Jakub, der älteste Sohn des langjährigen, verstorbenen Taliban-Chefs Mullah Omar, wird Verteidigungsminister. Er soll etwa Mitte 30 sein und als Taliban-Vizechef die Milizen gesteuert haben. Siradschuddin Hakkani, der dritte Vizechef der Taliban und Chef des berüchtigten Hakkani-Netzwerkes, wird Innenminister. Das Hakkani-Netzwerk wird für einige Anschläge in Afghanistan verantwortlich gemacht. Die USA haben den etwa Mitte-40-jährigen Hakkani ein siebenstelliges Kopfgeld ausgesetzt.

Außenminister soll Amir Chan Motaki werden. Er war Bildungs- und Informationsminister während der Taliban-Herrschaft 1996 bis 2001. Er leitete bislang die Aussöhnungskommission der Taliban. Mit Abdul Hak Wasik wird ein ehemaliger Guantánamo-Häftling Chef des Geheimdienstes.

Kritik an der Zusammensetzung des Kabinetts folgte prompt. »Es gibt keine Frauen und religiösen Minderheiten«, schrieb die Frauenrechtlerin Fausi Kufi am Mittwoch auf Twitter. Als sie das erste Mal Vertreter der Taliban getroffen habe, habe man ihr erklärt, es gebe keine Hindernisse für Frauen, Ministerinnen oder Regierungschefin zu werden.

Die »Nationale Widerstandsfront« (NRF), die zuletzt in der Provinz Pandschir in Gefechten gegen die Taliban kämpfte, teilte in einer Erklärung mit, sie betrachte das Kabinett als »illegal« und »klares Zeichen der Feindschaft der Gruppe mit dem afghanischen Volk«. Die NRF rief erneut alle Bürger dazu auf, ihren Widerstand gegen die Taliban fortzusetzen.

Neben des USA zeigte sich auch die EU »enttäuscht« über das Übergangskabinett. Nach einer ersten Analyse der bekannt gegebenen Namen erscheine es in Hinblick auf die reiche ethnische und religiöse Vielfalt des Landes nicht so inklusiv und repräsentativ wie erhofft, sagte ein Sprecher des EU-Außenbeauftragten Josep Borrell am Mittwoch.

Der Sprecher wies darauf hin, daß die Bildung einer inklusiven und repräsentativen Übergangsregierung eine der fünf EU-Bedingungen für eine beschränkte Zusammenarbeit mit den Taliban ist. Die Übergangsregierung müsse das Ergebnis von Verhandlungen sein.

Rußlands Regierung plant vorerst keine direkten Gespräche mit der neuen Übergangsregierung in Afghanistan. »Die Kontakte werden über unsere Botschaft in Kabul abgewickelt«, sagte Präsidentensprecher Dmitri Peskow am Mittwoch. Dabei gehe es unter anderem darum, die Sicherheit der russischen Diplomaten in Afghanistan zu gewährleisten. »Weitere Gespräche sind nicht geplant«, sagte Peskow.

Derweil begrüßte Afghanistans Nachbarland Usbekistan das Übergangskabinett. »Wir hoffen, daß diese Entscheidung der Anfang sein wird, einen breiten nationalen Konsens zu erreichen und dauerhaften Frieden und Stabilität in diesem Land zu schaffen«, erklärte das Außenministerium. Usbekistan sei zu einem »konstruktiven Dialog bereit«.

In Afghanistan kommt es weiter zu Protesten. Am Mittwoch demonstrierten rund 20 Frauen im Stadtteil Dascht-e Bartschi im Westen der Hauptstadt Kabul. Die Frauen riefen »Ein Kabinett ohne Frauen wird versagen«. Sie hielten auch Schilder mit den Worten »Arbeit, Bildung, Freiheit« hoch. Ein kleinerer Frauenprotest wurde auch aus der Stadt Faisabad im Norden berichtet, der lokalen Medienberichten zufolge aber schnell aufgelöst wurde. 

 

Pakistan schiebt Flüchtlinge ab

Islamabad – Pakistan hat Hunderte afghanische Flüchtlinge abgeschoben, die seit der Machtübernahme der Taliban ohne gültige Reisedokumente ins Land gelangt waren. Die Zahl der Abgeschobenen soll sich nach Informationen der Deutschen Presse-Agentur auf mehr als 700 Personen belaufen. Die Regierung der Provinz Balutschistan, in der ein für die Abschiebungen benutzter Grenzübergang liegt, und die Grenzbehörden haben die Zahl zunächst nicht bestätigt.

Zuvor hatte Außenminister Shah Mahmood Qureshi erklärt, Pakistan habe nicht die Kapazitäten, die Last zusätzlicher Flüchtlinge zu tragen. In einer Videokonferenz mit seinen Amtskollegen aus der Region forderte er die internationale Gemeinschaft auf, sich weiterhin zu engagieren. In Afghanistan müsse ein Umfeld geschaffen werden, das einen weiteren Exodus verhindere, sagte er. An der von Islamabad organisierten Konferenz nahmen auch die Außenminister von China, dem Iran, Tadschikistan, Turkmenistan und Usbekistan teil.

 

Kommunen in Dänemark gegen Arbeitspflicht

Kopenhagen – Das Projekt der dänischen Regierung, Arbeitslose mit »Integrationsbedarf« zur Arbeit zu zwingen, hat starke Kritik im Land ausgelöst. Der Vorsitzende des Nationalen Gemeindeverbandes, Jacob Bundsgaard, sagte am Mittwoch, er bezweifle, daß gemeinnützige Arbeit für arbeitslose Einwanderer der richtige Weg sei. »Nach unseren Erfahrungen führt das die Bürger nicht näher an einen Arbeitsplatz.«

Am Dienstag hatte Ministerpräsidentin Mette Frederiksen ein »Reformpaket« vorgestellt, das unter anderem eine Aktivitätspflicht für Langzeitarbeitslose beinhaltet. Als Gegenleistung für Sozialleistungen sollen sie 37 Stunden in der Woche arbeiten. Als Beispiel wurde Müllsammeln am Strand genannt. Zielgruppe sind in erster Linie Zuwanderer, die nur schwer Arbeit finden.

Sollte der Vorschlag eine Mehrheit im Parlament finden, ist es an den Kommunen, entsprechende Jobs zu finden. »Das ist eine sehr, sehr schwierige und große Aufgabe«, meint Jacob Bundsgaard. »Das sind Jobs, die normalen Arbeitern nicht die Arbeit wegnehmen dürfen. Das sind also Jobs, die erfunden werden müssen.«

 

Bolsonaro mobilisiert und droht

Brasília – Mehr als 100.000 Menschen haben in Brasilien am Unabhängigkeitstag mit anti-demokratischen Slogans für Präsident Jair Bolsonaro demonstriert. Der rechte Staatschef selbst drohte bei einer Rede in der Hauptstadt Brasília dem Obersten Gerichtshof STF. »Entweder der Chef dieser Staatsgewalt hält seinen (Richter) in Zaum, oder diese Gewalt wird das erleiden, was wir nicht wollen«, sagte Bolsonaro am Dienstag (Ortszeit) an den Präsidenten des Obersten Gerichts, Luiz Fux, gerichtet.

In der Wirtschaftsmetropole São Paulo wiederholte Bolsonaro seine Drohungen und rief zu Ungehorsam auf. »Ich möchte euch sagen, daß dieser Präsident jeglicher Entscheidung des Herrn Alexandre de Moraes nicht mehr folgen wird«, sagte Bolsonaro. Moraes, Richter am STF, hatte Bolsonaro-Anhänger wegen mutmaßlicher Anstiftung zur Gewalt und Verbreitung von Falschmeldungen festnehmen und verhaften lassen. Das Gericht ermittelt, unter anderem wegen der Verbreitung von Fake News, auch gegen Bolsonaro.

»Nur Gott« könne ihn aus dem »Palacio do Planalto«, dem Regierungspalast herausholen, sagte Bolsonaro.

Der Gouverneur des Bundesstaates São Paulo, João Doria, äußerte sich angesichts von Bolsonaros Aussagen erstmals zu einem möglichen Amtsenthebungsverfahren gegen den Präsidenten. »Nach dem, was ich heute gehört habe, verstößt er eindeutig gegen die Verfassung«, sagte Doria.

Seit Dienstagmorgen demonstrierten Anhänger des Präsidenten in mehr als 25 Städten. Allein in São Paulo wurden rund 125.000 Teilnehmer gezählt. In Brasília, Rio de Janeiro, São Paulo und fast allen anderen großen Städten gab gleichzeitig Demonstrationen gegen Bolsonaro. Die Gegner nannten ihn angesichts der Versäumnisse in der Corona-Pandemie unter anderem einen »Völkermörder«, forderten »Bolsonaro raus«, Corona-Impfstoffe für alle, mehr Arbeitsplätze und bessere Gehälter.

 

SPD-Kandidat für mehr Militärausgaben

Berlin – Der SPD-Kanzlerkandidat Olaf Scholz hat sich für »eine starke Bundeswehr im europäischen Verbund« ausgesprochen, sieht eine »Sicherheitszusammenarbeit mit den USA« aber als dauerhaft nötig an. »Ich werde auch alles dafür tun, daß die Bundeswehr in den nächsten Jahren immer eine ausreichende Ausstattung hat«, kündigte Scholz am Dienstagabend in der »ARD-Wahlarena« an. Deutschland müsse »mit eigenständigen europäischen Kapazitäten« auch in der Lage sein, Soldaten in einen Einsatzort hinein- und dann wieder herauszubringen, sagte Scholz.

Scholz bekannte sich zu »gemeinsamen Rüstungsanstrengungen innerhalb der EU«, aber sagte zugleich: »Wir werden immer mit den USA zusammen verbündet sein müssen.« Anderes könnten »nur Phantasten behaupten«. Es bleibe »angesichts der sehr starken Verteidigungskraft der USA« wichtig, mit ihnen in der NATO zusammenzuarbeiten.

 

 


Zum Weiterlesen melden Sie sich bitte an

Noch kein Konto? Zu den Abonnemnents