Kapitalistische Doppelmoral bei Menschenrechten
Die USA seien »beunruhigt über die zunehmenden Einschränkungen für unabhängige Medien, für die Zivilgesellschaft, für Angehörige von Minderheiten und für die politische Opposition«, erklärte eine Sprecherin des USA-Außenministeriums. Sie forderte Moskau auf, »die freie Meinungsäußerung und die Versammlungsfreiheit zu achten«.
Es lohnt sich, diese Aufforderung in ihrem zeitlichen Zusammenhang etwas näher zu betrachten. Anlaß für die an Moskau gerichteten Worte war ein vom Parlament der Russischen Föderation mehrheitlich angenommenes und von Präsident Putin unterzeichnetes Gesetz, das die Tätigkeit von Nichtregierungsorganisationen regulieren soll. Dabei geht es in erster Linie um solche Organisationen, die aus den USA und von anderen westlichen Ländern finanziert oder anderweitig unterstützt werden, um die bestehende – kapitalistische – Ordnung in Rußland zu destabilisieren und auf längere Sicht in Moskau einen Regimewechsel im Interesse des Westens herbeizuführen.
Das Muster dafür ist aus Georgien und der Ukraine hinlänglich bekannt, ebenso das Ergebnis. Den Putsch in Kiew hatten Geheimdienste und Regierungseinrichtungen der USA bekanntlich mit mindestens fünf Milliarden US-Dollar finanziert. Dort werden nun die Menschenrechte vollständig durchgesetzt, zumindest in der Art, wie man sie im Westen gern propagiert. Von Faschisten durchsetzte Regierungsstellen und »Freiwilligenbataillone«, die in der Ostukraine alles zusammenschießen, was ihnen in die Quere kommt. Marodierende Banden, die Jagd auf Kommunisten und alle Antifaschisten machen, wie in Odessa brandschatzen und wahllos Menschen umbringen, die sich ihnen in den Weg stellen. Das gesetzliche Verbot kommunistischer Tätigkeit und Symbole, und die Verherrlichung von Kollaborateuren der faschistischen deutschen Wehrmacht als »Freiheitskämpfer«. All das fällt nach Definition der USA unter den Begriff »Zivilgesellschaft«.
Wie es die USA im eigenen Land mit den Rechten von Minderheiten halten, ist aus den Meldungen über die Morde und Übergriffe der Polizei gegen Afroamerikaner zur Genüge bekannt. Bekannt ist auch, daß die Russische Föderation – ungeachtet der Wiederherstellung kapitalistischer Besitzverhältnisse – die bedeutendste politische und wirtschaftliche Macht darstellt, die nicht bereit ist, sich den USA, der NATO und der EU bei der Umsetzung von deren politischen und wirtschaftlichen Interessen unterzuordnen.
Die Forderung des Westens nach Durchsetzung von Menschenrechten in Rußland richtet sich zudem keineswegs auf solche fundamentalen Rechte wie das Recht auf Arbeit, das Recht auf eine menschenwürdige und bezahlbare Wohnung, das Recht auf sinnvolle Freizeit und Erholung, das Recht auf kostenlose Bildung und Gesundheitsfürsorge – allesamt Rechte, die nicht nur in den USA, sondern – ohne Ausnahme! – in allen Ländern mit Füßen getreten werden, in denen das Groß- und Finanzkapital das Sagen hat. Es geht auch nicht um das Recht auf Streiks, das gerade in diesen Tagen in der BRD und in Britannien stark eingeschränkt wird.
Ganz zu schweigen vom Recht auf ein Leben in Frieden, das am Freitag in New York von den US-amerikanischen Menschenrechtsverteidigern ad absurdum geführt wurde, als sie dafür sorgten, daß die Überprüfungskonferenz der UNO zum Atomwaffensperrvertrag ohne Ergebnis zu Ende ging. Denn sie weigerten sich, über den Vorschlag einer atomwaffenfreien Zone im Nahen Osten auch nur zu reden.
Uli Brockmeyer