Ausland06. Juni 2009

Irland und EU

Zugeständnisse an Dublin gefährden den gesamten Ratifizierungsprozeß

Obwohl die EU-Wahl seit 1979 alle fünf Jahre in den Ländern der EU stattfindet, wird sie nicht einheitlich durchgeführt, sondern folgt nationalen Regeln. Die Abstimmung in Irland fand am gestrigen Freitag statt, zusammen mit Kommunalwahlen.

Das Votum in Irland ist deswegen von besonderem Interesse, weil dort eine Wählermehrheit am 12. Juni 2008 in einem Referendum den EU-Vertrag von Lissabon ablehnte. Nach dem Nein der französischen und niederländischen Wähler 2005 zum damaligen Entwurf eines EU-Verfassungsvertrages vermied die EU-Oligarchie Volksabstimmungen über den Nachfolgevertrag, den sie im Dezember 2007 in Lissabon beschlossen hatte. Er ist zu über 90 Prozent identisch mit dem abgelehnten Verfassungsvertrag.

In Irland ließ sich ein Referendum auf Grund der Verfassung des Landes nicht umgehen. Auf das Nein der Iren im Juni 2008 reagierte die EU-Spitze wie gewohnt mit Mißachtung demokratischer Regeln und verabredete mit der irischen Regierung im Dezember letzten Jahres eine zweite Abstimmung. Sie soll wahrscheinlich im September oder Oktober stattfinden.

Am Mittwoch berichtete die »Süddeutsche Zeitung« unter der Überschrift »Tricksen für Europa«, daß gegenwärtig hochrangige irische Diplomaten in Brüssel unterwegs sind, um ihre Kollegen aus anderen EU-Staaten »einzeln ins Gebet« zu nehmen. Es gehe darum, die politischen Zugeständnisse an Irland, die bei der Verabredung über ein zweites Referendum vereinbart wurden, »in eine rechtliche Form zu gießen«. Auf dem EU-Gipfel am 19. Juni soll alles verabschiedet werden.

Mit den Konzessionen wolle der irische Ministerpräsident Brian Cowen dann im Herbst in die zweite Abstimmung über den »Lissabon-Vertrag« gehen. Das Problem: Die irische Regierung verlangt nach Informationen der »SZ« mehr, als die anderen EU-Staaten zu geben bereit sind. Vor allem besteht Cowen auf einem »Protokoll« zum Lissabon-Vertrag, in dem die Ausnahmeregelungen festgehalten werden. Das lehnen die übrigen EU-Staaten ab, weil damit der gesamte Ratifizierungsprozeß von vorn beginnen müßte.

Auf jeden Fall soll es am 19. Juni nach diesen Angaben einen »Beschluß« geben, wonach der Lissabon-Vertrag keine Auswirkungen auf die nationalen Gesetze zur Abtreibung hat, daß Steuerregeln in der EU einstimmig verabschiedet werden müssen und daß die Neutralität Irlands respektiert wird.

Ein »zweiter Stolperstein« ist laut »Süddeutsche Zeitung« der Wunsch der irischen Regierung nach einer »Erklärung zur Sozialpolitik«. Der Bericht schließt mit der Prognose, daß wohl bis zur letzten Minute vor dem EU-Gipfel gepokert werde.

(jW/ZLV)