Kaleidoskop18. März 2021

Abgebrochener Eisberg: Blick frei auf Leben am Meeresboden

von dpa

Auf dem Meeresboden unterhalb eines frischabgebrochenen Eisbergs in der Antarktis haben Wissenschaftler eine überraschend große Lebensvielfalt entdeckt. Erste Foto- und Filmaufnahmen hätten ein artenreiches Ökosystem in einer Region gezeigt, die für Jahrzehnte von Eis bedeckt war, teilte das deutsche Alfred-Wegener-Institut (AWI) am Mittwoch in Bremerhaven mit.

Der riesige Eisberg A74 hatte sich am 26. Februar vom Brunt-Schelfeis gelöst. Er ist mit 1.270 Quadratkilometern halb so groß wie Luxemburg. In der Nähe befand sich die »Polarstern«, ein als Eisbrecher ausgelegtes deutsches Forschungsschiff, auf Expedition. Die Wissenschaftler entschieden, in den Spalt zwischen Schelfeiskante und Eisberg vorzudringen, um den lange unter mehreren hundert Metern Eis verborgenen Meeresboden zu erkunden.

Das Tiefseeteam der »Polarstern« konnte mit Unterwasserkameras viele Tiere in einer Schlammlandschaft beobachten, die auf Steinen festsitzen. Die meisten seien Filtrierer. Auch mobile Arten wie Seegurken, Seesterne, Weichtiere sowie mindestens fünf Fisch- und zwei Tintenfischarten wurden entdeckt.

»Es ist ein Glücksfall, daß wir flexibel reagieren und das Abbruchgeschehen am Brunt-Schelfeis aktuell so detailliert erforschen konnten«, sagte der Expeditionsleiter Hartmut Hellmer. Die Aufnahmen sorgten für Begeisterung an Bord. Nur selten gelinge es, vor Ort zu sein, wenn ein Gebiet erstmals mit Sonnenlicht in Kontakt kommt. Eisberge wie A74 brechen laut AWI am Antarktischen Eisschild nur ungefähr alle zehn Jahre ab, man spricht von Kalben.

Die »Polarstern« ist seit Anfang Februar im Weddellmeer unterwegs, um Langzeitdaten für Klimavorhersagen zu sammeln. Die Wissenschaftler waren wegen der Coronapandemie auf den im südlichen Atlantik gelegenen Malwinen (»Falklandinseln«) an Bord gegangen. Dorthin waren sie geflogen: Nach Angaben der Lufthansa war es der längste Nonstopflug einer Passagiermaschine der Gesellschaft seit ihrer Gründung im Jahr 1926.