Ausland

Alle zum Streik !

1,5 Millionen Spanier demonstrierten gegen die Politik ihrer Regierung – Polizei inszenierte Prügelei in Barcelona

Am Mittwochabend endete in Spanien der Generalstreik mit massiven Demonstrationen in Madrid mit 500.000 Teilnehmern und in Barcelona mit 400.000, sowie in vielen Städten in ganz Spanien, einschließlich der Balearen und der Kanarischen Inseln. Insgesamt haben mehr als 1,5 Millionen Menschen gegen die Arbeitsmarktreform und die Sparpolitik der sozialdemokratischen Regierung von José Luis Rodriguez Zapatero protestiert.

In der Stadt Alicante im Südosten des Landes waren am Abend etwa 40.000 Demonstranten auf der Straße. Größer und stärker waren nur die Proteste gegen den Irakkrieg 2003. Zu den Demonstrationen kamen neben den Gewerkschaftern von UGT, CC.OO. und CGT auch jene, die nicht gestreikt haben : die Masse der Arbeitslosen und viele Menschen, die Angst haben, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. Der Platz war voll von Fahnen und Transparente der Kommunistischen Partei PCPE, von Izquierda Unida, von Aktivisten der ökologischen Linken, und den Nationalisten.

Den Aufruf zum Generalstreik befolgten vor allem die Arbeiter in den gewerkschaftlich gut organisierten Indu­striebetrieben, in erster Linie im Norden. Die Arbeit in den Werken der Automobilindustrie kam vollständig zum Erliegen, alle 17 Fabriken der Fahrzeughersteller in Spanien mußten ihre Produktion für einen Tag einstellen. Allein in Nordkastilien streikten mehr als 600.000 Arbeiter. Der Standort von Mercedes in Vitoria im Baskenland stellte seinen Betrieb am Nachmittag wegen fehlender Lieferungen ein. In Alava und Biskaya wurden ca. 40 % der Industrieproduktion bestreikt, und das obwohl die beiden großen baskischen Gewerkschaften nicht zum Generalstreik aufgerufen hatten.
Die Gewerkschaften schätzen, daß annähernd 80 Prozent der Industrieproduktion durch den Generalstreik lahmgelegt wurden. Regierung und Kapitalvertreter versuchten, die Beteiligung am Streik herunterzuspielen, der Arbeitsminister behauptete, nur 7,5 Prozent der Angestellten im öffentlichen Dienst seien im Ausstand gewesen. Der Vertreter der »Patronos« hob die geringe Teilnahme der Geschäfte und der Betriebe im Dienstleistungssektor hervor. In den Medien findet ein regelrechter Zahlenkrieg über das Ausmaß des Generalstreiks statt. Je nach ideologischer Ausrichtung und Affinität wird der Generalstreik als Erfolg oder als Fehlschlag gewertet.

Ein lokaler Vertreter der Gewerkschaft CC.OO. wertet den Generalstreik als vollen Erfolg und einen wichtigen Schritt im Kampf gegen die antisoziale Politik der Regierung. Der gemeinsame Kampf diene aber auch der Bewußtseinsbildung, und die Arbeiter und ihre Organisationen seien aus dem Streik mit gestärktem Kampfgeist hervorgegangen.

Vielleicht wurden die großen Gewerkschaften sogar von ihrer eigenen Basis überrascht. Viele Gewerkschafter forderten den Rücktritt von Zapatero. »Du bist es nicht wert, geh selbst in die Arbeitslosigkeit« , hieß es auf Transparenten. Der Ruf »Viva la lucha de la clase obrera !« war von den Demonstranten auf den Abschlusskundgebungen zu hören. Die Generalsekretäre der beiden großen Gewerkschaften, Toxo und Mendez, übten dagegen nur gemäßigte Kritik an der Regierung. Die Vertreter von CC.OO. und UGT verlangten nicht den Rücktritt Zapateros, sondern forderten die Regierung auf, einzulenken und den Generalstreik als Unterstützung für eine mögliche linke Politik zu betrachten.

Die Streikposten der Kapitalisten

In Barcelona hatten am Wochenende, nach einer Demonstration am Samstag, etwa 200 junge Leute aus der links-alternativen Szene das leerstehende Gebäude einer der größten spanischen Banken besetzt. Der historische Sitz der kommunistischen Partei während des Spanischen Krieges wurde zum Kommunikationszentrum der Systemgegner während des Generalstreiks.

Da bis zum Mittwoch kein Gerichtsbeschluß für eine Räumung vorlag, rückte die Polizei unter dem Vorwand an, darin würden sich Gewalttäter verstecken. Allerdings waren es die Polizisten, die laut Aussagen von Gewerkschaftern, seit den frühen Morgenstunden mit Gewalt gegen Streikposten vorgingen. Die Polizei – als Streikposten des Kapitals bezeichnet – hatte nämlich auch die Aufgabe Geschäften, Banken und Kaufhäusern ein reibungsloses Funktionieren zu ermöglichen. Nicht nur in Barcelona, auch in anderen Städten war die Polizei hauptsächlich damit beschäftigt, die Streikposten der Arbeiter zu behindern und einige davon auch in Gewahrsam zu nehmen. Am Abend informierten die Gewerkschaften, daß mehr als 100 Personen wegen ihrer aktiven Teilnahme am Generalstreik festgenommen wurden – obwohl das Streikrecht von der Verfassung garantiert werde.

Am Nachmittag hatten in Barcelona einige Leute ein Auto der Polizei in Brand gesetzt. Daraufhin ging die Polizei mit Schlagstöcken und Gummigeschossen gegen Demonstranten vor, die sich auf der Plaza de la Universitat versammelt hatten. Damit konnte sie letztlich auch die Räumung des Bankgebäudes »rechtfertigen« . Mit der illegalen Räumung des besetzten Gebäudes – die zudem unnötig war, da die Besetzer nach dem Generalstreik ohnehin freiwillig gegangen wären – begann gegen 15.30 Uhr eine regelrechte Straßenschlacht, die sich auf das historische Zentrum von Barcelona ausweitete und bis in die Nacht andauerte.

Gerhard Brückner, Alicante