Wege zum Frieden
Wortlaut des russischen Memorandums
Bei dem zweiten Treffen von Delegationen Rußlands und der Ukraine am Montag in Istanbul hat der Leiter der russischen Delegation der ukrainischen Seite ein Memorandum* übergeben, in dem die grundlegenden Fragen dargelegt werden, über die Rußland auf dem Weg zu einem Frieden verhandeln möchte. In den Medien des Westens wurde lediglich gemeldet, Rußland habe seine »bekannten Maximalforderungen« vorgebracht, über den Inhalt des Memorandums wurde entweder gar nicht oder extrem verkürzt berichten.
Um unsere Leser konkret zu informieren, hat die Redaktion der »Zeitung vum Lëtzebuerger Vollek« in eigener Verantwortung den vollständigen Text des Memorandums übersetzt, der durch einen Link der Deutschen Presseagentur (dpa) zur russischen Agentur TASS erreichbar gemacht wurde.
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Vorschläge der Russischen Föderation (Memorandum) zur Beilegung der ukrainischen Krise
Abschnitt I
Grundlegende Parameter für eine endgültige Regelung:
– Völkerrechtliche Anerkennung der Eingliederung der Krim, der Lugansker Volksrepublik (LNR), der Donjezker Volksrepublik (DNR), der Regionen Saporoshje und Cherson in die Russische Föderation; vollständiger Rückzug der Einheiten der Ukrainischen Streitkräfte und anderer ukrainischer militärischer Verbände aus ihren Gebieten;
– Neutralität der Ukraine, was den Verzicht auf den Beitritt zu militärischen Bündnissen und Koalitionen und ebenso das Verbot jeglicher militärischer Aktivitäten von Drittstaaten auf ukrainischem Hoheitsgebiet (einschließlich der Stationierung ausländischer militärischer Verbände, Militärbasen und militärischer Infrastruktur) einschließt;
– Beendigung der Wirksamkeit und Weigerung, in Zukunft internationale Verträge und Abkommen zu schließen, die mit den Bestimmungen dieses Abschnitts unvereinbar sind;
– Bestätigung des Status der Ukraine als Staat, der keine nuklearen und anderen Massenvernichtungswaffen besitzt, mit der Festlegung des Verbots der Aufnahme, Durchfuhr und Stationierung dieser Waffen im Hoheitsgebiet der Ukraine;
– Festlegung einer Höchstzahl der Personalstärke der Ukrainischen Streitkräfte und anderer militärischer Formationen, der Höchstzahl der Waffen und der militärischen Ausrüstung sowie ihrer zulässigen Merkmale;
– Auflösung der ukrainischen nationalistischen Formationen innerhalb der Ukrainischen Streitkräfte und der Nationalgarde;
– Gewährleistung der vollen Rechte, Freiheiten und Beachtung der Interessen der russischen und russischsprachigen Bevölkerung, Anerkennung der russischen Sprache als Amtssprache;
– Ein gesetzliches Verbot der Verherrlichung und Propaganda von Nazismus und Neonazismus sowie die Auflösung nationalistischer Organisationen und Parteien;
– Aufhebung aller bestehenden Wirtschaftssanktionen, Verbote und restriktiven Maßnahmen zwischen der Russischen Föderation und der Ukraine und Verzicht auf die Einführung neuer Sanktionen;
– Lösung einer Reihe von Fragen im Zusammenhang mit der Familienzusammenführung und Vertriebenen.
– Verzicht auf gegenseitige Forderungen im Zusammenhang mit den durch die Feindseligkeiten verursachten Schäden;
– Aufhebung der Beschränkungen für die Ukrainisch-Orthodoxe Kirche;
– Etappenweise Wiederherstellung der diplomatischen und wirtschaftlichen Beziehungen (einschließlich des Gastransits), des Verkehrs und anderer Kommunikationsmittel, auch mit Drittländern.
Abschnitt II
Bedingungen für eine Waffenruhe
Option 1.
Beginn des vollständigen Rückzugs der Ukrainischen Streitkräfte und anderer ukrainischer militärischer Kräfte aus den Gebieten der Russischen Föderation, einschließlich der DNR, der LNR, der Regionen Saporoshje und Cherson, und ihr Rückzug bis zu einer von den Parteien vereinbarten Entfernung von den Grenzen der Russischen Föderation in Übereinstimmung mit einer beiderseitig festgelegten Vereinbarung.
Option 2. »Paket-Vorschlag«:
– Verbot der Umgruppierung der Ukrainischen Streitkräfte und anderer militärischer Formationen der Ukraine, mit Ausnahme von Bewegungen zum Zweck des Rückzugs in eine von den Parteien vereinbarte Entfernung von den Grenzen der Russischen Föderation;
– Beendigung der Mobilisierung und Beginn der Demobilisierung;
– Einstellung der ausländischen Lieferungen von Militärgütern und der ausländischen Militärhilfe an die Ukraine, einschließlich der Satellitenkommunikationsdienste und der Bereitstellung von Nachrichtendiensten;
– Verzicht auf militärische Präsenz von Drittstaaten auf dem Territorium der Ukraine, Beendigung der Beteiligung ausländischer Spezialisten an militärischen Aktionen auf Seiten der Ukraine;
– Garantien für den Verzicht der Ukraine auf Sabotageakte und subversive Aktivitäten gegen die Russische Föderation und ihre Bürger;
– Einrichtung eines bilateralen Zentrums zur Überwachung und Kontrolle der Waffenruhe;
– Amnestie für »politische Gefangene« und Freilassung der inhaftierten Personen;
– Aufhebung des Kriegsrechts in der Ukraine.
Abschnitt III
Abfolge der Schritte und Zeitplan für ihre Umsetzung
– Beginn der Arbeit am Vertragstext;
– Verkündung einer 2-3-tägigen Waffenruhe, um die Leichen der Toten in der »Grauzone« zu bergen;
– die einseitige Übergabe von 6.000 Leichen von Soldaten der Ukrainischen Streitkräfte;
– Unterzeichnung eines Waffenstillstandsmemorandums mit konkreten Terminen für die Erfüllung aller darin enthaltenen Bestimmungen und die Festlegung eines Termins für die Unterzeichnung des künftigen Vertrags über die endgültige Regelung (nachstehend »Vertrag« genannt);
– Ein 30-tägiges Waffenstillstandsregime wird ab dem Zeitpunkt des Beginns des Rückzugs der Ukrainischen Streitkräfte eingeführt. Innerhalb dieser 30 Tage müssen der vollständige Abzug der Einheiten der Ukrainischen Streitkräfte aus dem Hoheitsgebiet der Russischen Föderation und die vollständige Umsetzung der »Paketvereinbarung« erfolgen;
– Abhaltung von Wahlen und Bildung von Behörden auf dem Territorium der Ukraine;
– Unterzeichnung des Vertrags;
– Billigung des unterzeichneten Vertrags durch eine rechtsverbindliche Resolution des UNO-Sicherheitsrats;
– Ratifizierung, Inkrafttreten und Umsetzung des Vertrages.
(Inoffizielle Übersetzung aus dem Russischen, ZLV)
*Ein Memorandum ist im diplomatischen Sprachgebrauch ein Dokument, in dem ausführlich eine bestimmte Frage dargelegt wird. Ein Memorandum an eine andere Regierung erläutert grundlegende Fragen der bilateralen oder der internationalen Beziehungen. Es ist kein Vertragsentwurf, sondern in diesem Fall die Grundlage für die Weiterführung von Gesprächen.