Ausland14. März 2023

Italiens Sozialdemokraten bestimmen neue Parteiführung

Sekretärin Schlein akzeptiert rechten Konkurrenten Bonaccini als Präsidenten

von Gerhard Feldbauer

Die Nationalversammlung des Partito Demokratico (PD), die am Wochenende in Rom im Kongreßzentrum »La Nuvola« tagte, hat die in den Vorwahlen als »linke Hoffnung« zur neuen Sekretärin gewählte Elly Schlein bestätigt und außerdem ihren rechten Konkurrenten, den Regional-Präsidenten der Emilia, Stefano Bonaccini, zum Parteipräsidenten gewählt. Elly Schlein umarmte Bonaccini und ihren Vorgänger im Amt Enrico Letta. Die Bekanntgabe war von über dreiminütigen Ovationen begleitet, berichtete die staatliche Nachrichtenagentur ANSA, die hervorhebt, daß mit dem Regional-Präsidenten der Emilia eine »pestigeträchtige nationale Persönlichkeit« an der Parteispitze kommt.

Diejenigen, die auf ein Ende der Demokratischen Partei gesetzt hatten, »haben verloren«, sagte Elly Schlein. »Wir sind immer noch hier, stärker und vereinter, und das wird ein neuer Frühling für uns«. Sie rief dazu auf, »die parteiinternen Konflikte, die uns kostbare Energien rauben, endgültig zu beenden, um stattdessen eine Alternative zu den Rechten aufzubauen, die dieses Land regieren. Dazu müssen wir uns, noch vor den politischen, um die zwischenmenschlichen Beziehungen kümmern«. Sie bekräftigte ihren Kurs der Vertretung der Interessen der arbeitenden Menschen und der Verbesserung ihrer Arbeits- und Lebensbedingungen.

Obwohl Elly Schlein mit ihrem Kurs für die Interessen der sozial Schwachen und der Bekämpfung des Neoliberalismus die Existenz des Kapitalismus nicht grundsätzlich in Frage stellte, Waffenlieferungen in die Ukraine nicht ablehnte und lediglich verbal eine Verhandlungslösung ansprach, hatten bürgerliche Medien, aber auch rechte PD-Kreise vor der Bestätigung der Wahl Schleins auf dem Kongreß die Angst geschürt, daß mit ihr eine »gefährliche Bolschewikin« an die Spitze des PD käme, die den »Jobsact« – die Abschaffung des Kündigungsschutzes für einen Großteil der Arbeiter – ablehnt, und mit der eine »Rückkehr zu Gramsci« bevorstehe, schrieb das linke Magazin »Il Manifesto«. Schon ein gemeinsames Foto mit M5S-Chef Conte und CGIL-Generealsekretär Landini habe Schrecken verbreitet. Es bestehe die Angst, es könnte »eine soziale Koalition« entstehen, die von einer »weit verbreiteten Linken unterstützt wird, die noch nicht endgültig entmutigt ist, die nicht Teil des PD ist, aber hinter den Vorschlägen von Schlein steht«.

Um diese Auseinandersetzungen nicht in den PD-Kongeß zu tragen, habe Elly Schlein mit Bonaccini einen »Deal geschlossen« und seiner Forderung entsprochen, ihn als Präsidenten der Partei vorschlagen, berichtete ANSA. am Samstag. Die Position des Vizepräsidenten habe Bonaccini abgelehnt, »da er in dieser Funktion keinen Einfluß hätte ausüben können«. Der Parteipräsident habe eine Garantenrolle dafür, daß es »eine einheitliche Führung der Partei geben wird«. Man konnte »es sich wirklich nicht leisten, Spaltungen oder Reibungen zuzulassen, das hätte niemand verstanden«, verlautet aus dem Team von Elly Schlein.

Aber die bekundete Zusammenarbeit steht vor allem bei der Besetzung der leitenden Posten auf dem Prüfstein. Dabei geht es um den Vorsitzenden der Abgeordnetenkammer und des Senats, die Zusammensetzung des Sekretariats der Partei und um Schleins Vize.

Der frühere Kommunist und Mitbegründer des PD, Walter Veltroni, äußerte die Hoffnung, daß Elly Schlein »die Demokratische Partei zu ihrem Ursprung zurückführen könnte: Eine linke Partei, die in der Lage ist, die Mehrheit der Wähler zu gewinnen.« Wie verlautete will die von Luigi Bersani, auch er ein früherer Kommunist, geleitete, etwa 10.000 Mitglieder zählende Gruppe »Articolo UNO – Movimento Democratico e Progressista«, die 2017 aus Protest gegen den sozialfeindlichen Kurs des damaligen PD- und Regierungschefs Renzi den PD verließ, in die Partei zurückkehren.

Zum positiven Echo gehört laut ANSA, daß seit der Wahl von Elly Schlein am 26. Februar die Zustimmungswerte des PD auf 19 Prozent gestiegen sind, ein Plus von 2,6 seit der Wahl im September 2022. Damit ist die sozialdemokratische Partei zweitstärkste Partei nach Melonis FdI, während M5S mit 15,7 Prozent (-1,3) auf den dritten Platz zurückfiel.