Die Belegschaft soll die Zeche zahlen
Air France-KLM erhält üppige Staatshilfen. Im Gegenzug werden Arbeitsplätze gestrichen
Hält die Ehe zwischen der französischen Air France und der niederländischen KLM? Die Niederländer sind höchst unzufrieden, weil sie glauben, KLM verdient das Geld, das die Franzosen mit vollen Händen ausgeben. Für das zweite Quartal mußte der Konzern Ende Juli erneut einen Nettoverlust von 1,49 Milliarden Euro bekanntgeben – und hofft jetzt auf Regen.
»Das schlechte Wetter in den Niederlanden und Frankreich wird positive Auswirkungen auf die Anzahl der Buchungen bei Flugreisen haben«, freute sich Steven Zaat, der Finanzchef von Air France-KLM, am 30. Juli laut Tageszeitung »Het Parool«. »Die Begeisterung ist groß: Falls die Leute reisen können, werden sie reisen. Aber wir sind noch weit vom Niveau von 2019 entfernt.« Im Juli habe die Kapazität, verglichen mit 2019, nur 60 Prozent betragen. »Dank der Lockerung der Reisebeschränkungen in mehreren Schlüsselregionen kam es im zweiten Quartal 2021 zu ersten Anzeichen der lang ersehnten Erholung«, sieht der Vorstandsvorsitzende von Air France-KLM Benjamin Smith im Geschäftsbericht auf der Internetseite des binationalen Unternehmens Licht am Ende des Tunnels. Tatsächlich nahm der Umsatz im Vergleich zum ersten Halbjahr 2020 von 1,6 Milliarden auf knapp 2,8 Milliarden zu.
Das Betriebsergebnis bei KLM belief sich im ersten Quartal auf minus 185 Millionen Euro, während Air France 566 Millionen Euro rote Zahlen schrieb. Der ehemalige Vorstandschef von KLM, Peter Hartman, glaubt aber weiterhin an das Gemeinschaftsunternehmen: »Die Partnerschaft funktioniert für KLM seit vielen Jahren hervorragend. Dank der Franzosen konnte KLM sein Netzwerk ausbauen. Schauen Sie sich nur an, was mit Sabena, Swissair und einigen skandinavischen Fluggesellschaften passiert ist. Als eigenständiges Unternehmen wäre KLM komplett ausgelöscht worden«, sagte er dem »Financieele Dagblad« (FD).
Im vergangenen Jahr griffen Frankreich und die Niederlande dem Konzern mit 10,4 Milliarden Euro an Krediten und Bürgschaften unter die Arme, wobei 3,4 Milliarden Euro aus Den Haag kamen, berichtete das »NRC Handelsblad« am 30. Juli. »Diese Kredite sind eine enorme Belastung. Aber ohne staatliche Beihilfe wäre Air France-KLM technisch bankrott«, war Luftfahrtexperte Joris Melkert von der Technischen Universität in Delft am Freitag im »FD« überzeugt. »Diese Belastung wird der Konzern in den kommenden Jahrzehnten bewältigen müssen.«
Im KLM-Hauptquartier in Amstelveen ist man deshalb froh, daß seit dem 1. Juli mit Steven Zaat ein Landsmann ein scharfes Auge auf die Ausgaben wirft. Es ist kein Geheimnis, daß die Niederländer sich für deutlich sparsamer halten als die Franzosen. »Man sieht, daß KLM viel mehr auf die Kosten achtet als Air France«, sagt Marnix Fruitema, der Vorsitzende des Board of Airline Representatives in the Netherlands (BARIN), der Interessenvertretung von 40 Fluglinien, die rund 80 Prozent des Luftverkehrs auf den niederländischen Flughäfen abdecken.
Die Zeche für die kalvinistische Sparsamkeit zahlte seit Beginn der Pandemie die Belegschaft. Seit Beginn der Pandemie hat KLM 5.700 Arbeitsplätze vernichtet, bei der fast doppelt so großen Air France waren es 5.300. Allerdings wollen die Franzosen in den nächsten anderthalb Jahren weiteren 3.200 Mitarbeitern kündigen, berichtet »Het Parool«.
Dabei erhielt kein anderes Unternehmen mehr Lohnkostenbeihilfe aus dem Coronahilfsfonds NOW der niederländischen Regierung. Bis Juni waren es inklusive der Tochtergesellschaft Transavia 1,2 Milliarden Euro, berichtete die öffentlich-rechtliche »NOS« am 22. Juni – rund fünfmal soviel wie das darauffolgende Unternehmen. Wer ab Juni 2020 Lohnbeihilfe bekommen hat, darf keine Dividende an die Aktionäre zahlen oder Boni an die Manager.
Der Vorstandsvorsitzende von Air France-KLM, Benjamin Smith, brachte auch ein »Opfer« und verzichtete 2020 »aus Solidarität« mit der Belegschaft auf ein Viertel seiner jährlichen Bezüge, die sich auf 900.000 Euro belaufen. Hinzu kam noch ein Bonus aus 2019 in Höhe von 770.000 Euro. Das sollte knapp reichen, um einigermaßen durch die Coronakrise zu kommen.