Ausland07. September 2021

Hintergründe verschleiert

Mit der Übernahme der MPS durch Unicredit entstünde in Italien ein neuer Bankenriese. Gleichzeitig verschwände ein »Hinterland« der Linken

von Gerhard Feldbauer

In der Öffentlichkeit Italiens brach am Wochenende Aufregung aus. Die Draghi-Regierung wolle dem Verkauf eines der ältesten und größten Geldhäuser der Welt zustimmen, der Banca Monte dei Paschi di Siena (MPS), gegründet 1472 in Siena, an dem der Staat 64 Prozent der Aktien hält, berichtete die Nachrichtenagentur ANSA. Sie würde mit der ebenfalls zu den Großen der Branche gehörenden UniCredit zu einem Finanzimperium größten Ausmaßes fusionieren. Die Staatsanteile würden, wenn sie überhaupt beibehalten werden, unter die 50-Prozent-Marke sinken.

Seit 2016 hatte der Staat die von Insolvenz bedrohte MPS, deren Beschäftigtenzahl bereits von 31.00 auf 23.000 zusammengestrichen wurde, geduldet vom damaligen EZB-Chef Mario Draghi, mit 20 Milliarden Euro gestützt. Zusätzlich belasten mehrere Milliarden sogenannter »fauler« Kredite die Bank.

Die UniCredit dehnte sie nach dem Ende der sozialistischen Länder Europas von Polen über die Nachfolgestaaten Jugoslawiens, Bulgarien, Rumänien bis zur Türkei aus, schluckte 2005 die bayerische HypoVereinsbank, kam damit auch in den Besitz der zu dieser gehörenden Austria Bank und deren Filialen in Ost- und Mitteleuropa. 2007 folgten weitere Banken wie die kasachische AFTA und die Ukrsotsbank in der Ukraine. UniCredit zählt heute 170.000 Mitarbeiter, hat 40 Millionen Kunden und steht im Bankenvergleich nach Marktkapitalisierung an 14. Stelle in der EU (Stand 2018). Vom Financial Stability Board (FSB) wird sie als eine von weltweit 30 Banken als »systemisch bedeutsames Finanzinstitut« (systemically important financial institution) eingestuft.

Obwohl die BMPS laut Medienberichten das erste Halbjahr 2021 mit einem Überschuß abschloß und dabei ist, wieder »Gewinne zu erzielen«, soll sie nun verkauft werden. Politische Beobachter in Italien erinnern sich, daß MPS in der Zeit der Auseinandersetzungen der Kapitalgruppen mit Silvio Berlusconi, dem reichsten Kapitalisten, der mit Unterbrechungen bis 2011 eine faschistische Regierung anführte, als »Hinterland der Linken Mitte« galt, zuletzt 2006-2008 für die Regierung des Christdemokraten Romano Prodi. Die rechtsgerichtete Führung des sozialdemokratischen Partito Democratico unter Enrico Letta, die Teil der Draghi-Regierung ist, stimmt dem Projekt zu, obwohl sie bei den 2023 anstehenden Parlamentswahlen von diesem »Hinterland« profitieren könnte, ebenso bei der Wahl eines neuen Staatspräsidenten im kommenden Frühjahr, wo sie ein gewichtiges Wort mit zu reden hat. Dem könnte, so meinen Beobachter in Rom, Draghi mit der Beseitigung der renommierten Bank von Siena einen Riegel vorschieben.

Nun will ausgerechnet der Chef der faschistischen Lega, Matteo Salvini, das »linke Überbleibsel« beerben und protestiert lautstark gegen den Verkauf der MPS an UniCredit. In seinem Hausblatt, dem vom Chef der Forza Italia Silvio Berlusconi herausgegebenen »Libero«, bezeichnet er den Verkauf als »eine Schande«. Die MPS soll, so fordert seine Partei, die in der Regierung von Draghi drei Minister stellt, mit einigen kleinen Banken wie der Banca Carige von Genua (4.200 Mitarbeiter, 529 Filialen) zu einem »italienischen Bankenzentrum« fusionieren. Die Carige ist laut dem Wirtschaftsblatt »Il Sole 24 Ore« 2018/19 gerade so einem Betrugsverfahren im Umfang von Hunderten Millionen Euro entkommen. Angeblich will Salvini Arbeitsplätze retten und die Schließung von Filialen verhindern. Unschwer ist aber zu erkennen, daß es um seine Klientel geht, er agiert bekanntermaßen vor allem als »Interessenvertreter mittelständischer Unternehmen« in Norditalien. Und dann geht es natürlich um Wählerstimmen. Am 4./5. Oktober stehen auch in Siena in der Toskana, dem Sitz der MPS, Kommunal- und Bürgermeisterwahlen an. Dort regiert ein Stadtoberhaupt der faschistischen Lega, und will wieder gewählt werden. »Libero« läßt die Katze aus dem Sack: Nachdem die Lega in Rom und Turin »die Nase vorn hat« werde Siena »zum Präzedenzfall«.

Nachdem das Thema am Wochenende die Schlagzeilen der Medien bestimmte, herrschte am Montag erst einmal Ruhe. Laut ANSA hat sich der parteilose Wirtschafts- und Finanzminister Daniele Franco bisher noch nicht zu dem Projekt geäußert, so daß noch alles offen sei.