Ausland03. Oktober 2023

Für einen Neubeginn in Bolivien

Kandidatur von Evo Morales stellt »Bewegung zum Sozialismus« (MAS) auf die Probe

von Volker Hermsdorf

Boliviens früherer Präsident Evo Morales will es noch einmal wissen. Am 24. September hat er angekündigt, sich im Jahr 2025 für eine vierte Amtszeit als Staats- und Regierungschef bewerben zu wollen. Der frühere Gewerkschaftsführer der Kokabauern ist damit der erste Politiker, der offiziell seine Kandidatur für die Präsidentschaftswahlen bekanntgab. Im Lager des derzeitigen Amtsinhabers Luis Arce stößt die Ankündigung auf heftige Kritik. Der von Morales geführten Regierungspartei »Bewegung zum Sozialismus« MAS droht eine Spaltung.

Evo Morales war 2006 zum ersten indigenen Präsident des südamerikanischen Landes gewählt worden. Nachdem das Verfassungsgericht eine Begrenzung der Amtszeiten für ungültig erklärt hatte, kandidierte er am 20. Oktober 2019 ein drittes Mal. Mit 47,1 Prozent der Stimmen lag er mehr als zehn Prozentpunkte vor seinem Herausforderer Carlos Mesa von der Rechtspartei »Comunidad Ciudadana«, der auf 36,5 Prozent kam, und war damit laut Wahlgesetz im ersten Durchgang erneut zum Staats- und Regierungschef gewählt worden.

Die Opposition erkannte ihre Niederlage jedoch nicht an, inszenierte mit Unterstützung der von Washington dominierten »Organisation Amerikanischer Staaten« (OAS) einen Putsch gegen den gewählten Präsidenten und setzte die durch keine Wahl legitimierte rechte Politikerin Jeanine Áñez als »Übergangspräsidentin« ein. Morales ging zunächst nach Mexiko und dann nach Argentinien ins Exil. Nach monatelangen Massenprotesten setzte das Regime im Oktober 2020 Neuwahlen an, die Luis Arce von Morales‘ sozialistischer MAS-Partei klar gewann.

Nach anfänglicher Unterstützung für seinen früheren Wirtschaftsminister ging Evo Morales zunehmend auf Distanz zu Luis Arce. Er wirft dessen Regierung unter anderem Korruption und fragwürdige Infrastrukturprojekte vor. Wenige Tage vor einem vom 3. bis 5. Oktober in Cochabamba geplanten Kongreß seiner sich offiziell »Movimiento al Socialismo – Instrumento Político por la Soberanía de los Pueblos« nennenden Partei, prangerte Evo Morales an, daß die derzeitigen Amtsinhaber einen Plan in Gang gesetzt hätten, der darauf abziele, ihn für die Wahlen im Jahr 2025 zu disqualifizieren.

»Gezwungen durch die Angriffe der Regierung, ihren Plan, die MAS-IPSP zu verbieten und uns mit politischen Prozessen zu entmachten, ja sogar physisch zu eliminieren, haben wir beschlossen, die Bitten unserer Mitglieder und so vieler Schwestern und Brüder, die an den Kundgebungen im ganzen Land teilnehmen, zu akzeptieren, um für die Präsidentschaft unseres geliebten Bolivien zu kandidieren«, schrieb Morales auf »X«. Er erklärte, daß seine Gegner, wenn es ihnen nicht gelinge, ihn politisch auszuschließen, versuchen würden, seine Kandidatur »mit Hilfe einer Frau« zu disqualifizieren, so wie es der rechte Flügel bereits 2019 getan habe. Vor drei Jahren war Evo Morales wegen des Vorwurfs einer sexuellen Beziehung mit einer Minderjährigen angezeigt worden, der später jedoch nicht bewiesen werden konnte. Angeblich hätten »Leute in der Regierung« ihn auch vor Plänen gewarnt, den MAS-Parteitag zu sabotieren und ihn an die USA auszuliefern, erklärte Morales.

Regierungsmitglieder bestreiten derartige Vorwürfe. Verteidigungsminister Edmundo Novillo habe versichert, daß es »keinen schwarzen Plan gegen den ehemaligen Präsidenten Morales gibt«, meldete »Telesur«. Wirtschaftsminister Marcelo Montenegro bezeichnete dessen Erklärungen als »ein Produkt der Verzweiflung und des politischen Kalküls«. Wie das Onlineportal »Unitel Digital« berichtete, wies Justizminister Iván Lima auf einer improvisierten Pressekonferenz in La Paz darauf hin, daß sich die politischen Parteien zunächst den im Wahlgesetz vorgesehenen Vorwahlen unterziehen müssen, bevor sie eine Kandidatur festlegen können.

Während Vizepräsident David Choquehuanca noch zur Einheit aufrief und forderte, »Konfrontation und Spaltung« einzustellen, kommentierten örtliche Medien, daß sich die Krise in der Regierungspartei mit Anschuldigungen und Gegenanschuldigungen immer weiter vertiefe.