Das Smartphone – Freund und Feind
Nachdem Maisons relais und Grundschulen bereits nach den Osterferien ein Smartphone-Verbot eingeführt hatten, war es seit Juni auch an den Lyzeen soweit. Letztere konnten jedoch gewisse Regeln ausarbeiten, um die Nichtnutzung zu steuern. Es fällt angesichts der Geräuschkulisse während der Diplomüberreichungen im Zuschauerraum offensichtlich auch vielen Eltern schwer, eine Stunde mal die Finger vom Gerät zu lassen.
Was nun einigen Schülern überraschend leicht fiel, während andere den Griff zum Gerät deutlicher vermißten, führte auch unter Erwachsenen zu einer Diskussion über das Thema. Manche fürchteten, die Sprößlinge könnten in Notfällen nicht mehr erreichbar sein. Eine nicht von der Hand zu weisende Argumentation, weshalb es sinnvoll ist, anstelle von Komplettverboten gewisse Regeln zu erarbeiten.
Der wohl größte Kritikpunkt am freien Zugang zum Smartphone ist die Ablenkung von Unterrichtsinhalten. Auf der anderen Seite sollte das Erlernen eines zielführenden Umgangs mit solchen Geräten Teil einer Digitalerziehung sein. Grundsätzlich jedoch kann die heutige Smartphone-Kultur durchaus hinterfragt werden im Sinne einer Gefahr für die Gesellschaft. Soziale Medien, deren Hauptplattformen von milliardenschweren Konzernen bereitgestellt und mittels Algorithmen gezielt gesteuert werden, haben bereits gezeigt, zu was sie in der Lage sind und vor welche Herausforderungen sie unser Zusammenleben stellen können.
Doch auch abseits von politischen Blasen in sozialen Medien, durch die der sachliche Diskurs zunehmend in Gefahr gerät, nimmt die Abhängigkeit vom Bildschirm immer absurdere Formen an. Für viele Radfahrer oder Stehrollerpiloten scheint es nicht nur mittlerweile zur Normalität zu gehören, sich über Kopfhörer mit Musik beschallen zu lassen, auch läßt sich ihr Gefährt bequem mit einer Hand steuern, während die andere das Smartphone hält. Autofahrer verlieren ebenfalls gefühlt immer häufiger die Aufmerksamkeit an ihr Gerät und Hundehalter, die ihre Lieblinge gesetzeswidrig in Parks und Naturschutzgebieten freien Lauf lassen, machen eher den Wanderer oder Jogger dafür verantwortlich, wenn »Püppy« oder »Baby» diese ohne Smartphone vorm Gesicht deutlich früher entdecken als »d’Mamm«. Die Unzufriedenheit, den Vierbeiner nun in den Griff bekommen zu müssen, ergießt sich dann über dem Freizeitsportler.
Man könnte ewig so fortfahren. Restaurantbesuche, die zu kollektivem Handygestarre ausarten, während sich diejenigen, welche da nicht mithalten können oder wollen, stumm am Glas festhalten und die Rauhfaserstruktur der Restauranttapete studieren.
Smartphones sind sehr nützliche Geräte, keine Frage. Letztere sollte vielmehr sein, in wieweit man zuläßt, von ihnen beherrscht zu werden. Natürlich führt der zunehmende Arbeitsdruck im Alltag zu einer immer verdichteteren privat nutzbaren Zeit, in der es hilfreich sein kann, Emails unterwegs am Smartphone zu checken oder über WhatsApp mal eben die Einkaufsliste abzusprechen. Darüber sind wir aber hinaus: Ständige Erreichbarkeit für den Chef ist längst normal. Stundenlanges »brain rot« (»Hirnfäule«) beim stupiden Scrollen durch dümmliche Instagram-Stories, während alles liegen bleibt, was man eigentlich erledigen wollte, ist ebenso normal. Genauso, wie sich von den Konzernen durch Algorithmen und KI seine politische Meinung diktieren zu lassen, die das tägliche Zusammenleben noch drastischer gefährdet, als wieder mal eine grüne Ampel zu verpennen oder für ein Instagram-Foto Lavendelfelder oder Bergwiesen plattzutrampeln, die dann abgesperrt werden müssen.
Ein öffentliches Verbot ist völlig utopisch und auch rechtlich kaum durchsetzbar. Zudem kann die technologische Entwicklung nicht bekämpft werden, man muß sie beherrschen. Das Gerät kann nichts für die Art der Nutzung. Die Diskussion sollte vielmehr sein, ob es dafür die Software umstrittener Großkonzerne braucht, die solche Zustände schafft.