Auslands-Nachrichten
Heute steht Britannien still
London – Nach dem Scheitern von Kollektivverhandlungen wird heute, am Donnerstag und am Samstag das gesamte private Eisenbahnnetz in England, Schottland und Wales bestreikt. Wie die Transportarbeitergewerkschaft RMT mitgeteilt hat, seien ihre wochenlangen Gespräche mit der Infrastrukturgesellschaft Network Rail, den Bahnunternehmen und der Londoner U-Bahn am Samstag ohne »tragbare Lösung« zu Ende gegangen. Es wird mit mehr als 50.000 Streikenden gerechnet. Heute wollen auch die Beschäftigten der Londoner U-Bahn für 24 Stunden die Arbeit niederlegen. Auch die staatliche, für die Instandhaltung der Schieneninfrastruktur zuständige Gesellschaft Railtrack wird von den Streiks betroffen sein.
Die Streiks werden der Gewerkschaft zufolge die umfassendsten seit Ende der 80er Jahre sein. Die RMT wirft der konservativen Regierung vor, Gelder in Milliardenhöhe für das Verkehrsnetz gestrichen zu haben. In der Branche seien viele Stellen abgebaut worden, und die Löhne könnten mit der galoppierenden Inflation längst nicht mehr Schritt halten. Angesichts dieser Entwicklung könne die RMT »nicht passiv bleiben«, sagte ihr Generalsekretär Mike Lynch. Er kündigte an, »solange wie nötig« an Streiks festhalten zu wollen.
Lynch wirft den Betreibergesellschaften vor, sich auf Kosten der Beschäftigten bereichert zu haben. »Eisenbahnkonzerne machen mindestens 500 Millionen Pfund Profit im Jahr. Außerdem haben sich die Firmenbosse Millionenbeträge als Bonus ausgezahlt. Das macht unsere Mitglieder nur zusätzlich wütend«, so Lynch.
Nach Angaben der Rail Delivery Group, des Verbands der Bahnunternehmen, werden an den drei Streiktagen jeweils »Millionen Menschen betroffen sein«. Der Verband sicherte zu, »so viele Dienste wie möglich« aufrechtzuerhalten. Zugleich nannte er »erhebliche Störungen unvermeidlich«. Das erwartete Verkehrschaos in Britannien dürfte noch dadurch vergrößert werden, daß Fluggesellschaften wegen Personalmangels Flüge absagen mußten. Die Streiktage fallen zudem mit dem Musikfestival in Glastonbury sowie Schulprüfungen im ganzen Land zusammen.
Schon daß die Streiks legal stattfinden können, ist bereits ein Mobilisierungserfolg der RMT. Denn britische Antigewerkschaftsgesetze sehen ein umständliches, für die Salariatsvertreter verpflichtendes Urabstimmungsverfahren vor. Im Transportwesen muß sich mindestens die Hälfte aller Gewerkschaftsmitglieder beteiligen, und mindestens 40 Prozent aller Wahlberechtigten müssen dem Streik zustimmen, damit er rechtlich zulässig ist. In diesem Fall mußten in 13 privaten Eisenbahnunternehmen sowie bei Railtrack jeweils separate Abstimmungen organisiert werden. Durchschnittlich stimmten gut 70 Prozent aller Mitglieder ab. Bei Railtrack votierten 89 Prozent der Abstimmungsteilnehmer für den Streik – ein deutliches Ergebnis.
WFP: 345 Millionen akut hungernde Menschen
Rom – Die Hungerkrise in der Welt spitzt sich nach Angaben der UNO dramatisch zu. Ihr Welternährungsprogramm (WFP) zählt aktuell 345 Millionen Menschen in 82 Ländern, die akut Hunger leiden. Das sind rund 200 Millionen Menschen mehr als vor der Coronapandemie, teilte die Organisation am Montag in Rom mit. Wegen des enormen Preisanstiegs für Getreide auf dem Weltmarkt können viele arme Länder nicht wie geplant mit Nahrungsmitteln versorgt werden.
Die UNO-Behörde schlug Alarm: »Die Gefahr ist sehr real, daß der weltweite Bedarf an Essen und Ernährung bald die Kapazitäten des WFP – und jeder anderen Organisation – übersteigt.«
Vor allem in mehreren Ländern Ost- und Westafrikas müsse die UNO die Essensrationen für Flüchtlinge wegen weltweit steigender Nachfrage bei zugleich fehlenden Finanzmitteln kürzen. Für drei Viertel der Flüchtlinge in Ostafrika, die durch das WFP versorgt werden, seien die Rationen um bis zu 50 Prozent verringert worden, hatte die UNO am Sonntag mitgeteilt.
Am stärksten davon betroffen seien Flüchtlinge in Kenia, Südsudan und Uganda. In Westafrika – vor allem in Burkina Faso, Kamerun, Tschad, Mali, Mauretanien und Niger – habe das WFP die Rationen »erheblich« reduziert. In Angola, Malawi, Mosambik, der Republik Kongo, Tansania und Simbabwe stünden Probleme unmittelbar bevor, warnte das WFP.
Zehntausende protestieren für bessere Löhne
Brüssel – Etwa 70.000 Schaffende verschiedener Wirtschaftsbereiche haben am Montag in der belgischen Hauptstadt Brüssel für höhere Löhne demonstriert. Das geht aus Angaben der Polizei und von Gewerkschaften hervor. Wegen des landesweiten Streiks war der Reiseverkehr stark eingeschränkt. Der größte belgische Flughafen in Brüssel strich alle Starts von Passagiermaschinen, weil ein Großteil des Sicherheitspersonals an dem nationalen Protesttag teilnehmen wollte.
Auch im öffentlichen Nahverkehr kam es vielerorts zu Einschränkungen, berichtete die belgische Nachrichtenagentur Belga. In Brüssel fielen fast alle U-Bahn-Fahrten aus. Mehrere große Gewerkschaften hatten zu dem Protest aufgerufen. Sie fordern eine Änderung des Lohngesetzes. Die Preise zum Beispiel für Energie und Nahrung stiegen immer weiter, die Löhne aber nicht, hieß es in dem Aufruf. Das belgische Lohngesetz ermöglicht den Salariatsvertretern zufolge keine ausreichenden Lohnangleichungen.
Schallenberg nennt Drohungen mit Atomwaffen inakzeptabel
Wien – Der österreichische Außenminister Alexander Schallenberg hat vor den wachsenden und unkalkulierbaren Gefahren eines Einsatzes von Atomwaffen gewarnt. »Die nuklearen Risiken sind im Vergleich zu den vergangenen Jahrzehnten nun höher«, mahnte er am Montag zum Auftakt einer internationalen Konferenz über die humanitären Folgen des Einsatzes von Atomwaffen in Wien.
Aus Sicht der UNO habe nukleare Abrüstung »höchste Priorität«, sagte die Leiterin ihres Büros für Abrüstungsfragen, Izumi Nakamitsu. »Diese Waffen haben das Potential, alles Leben auf der Erde auszulöschen.« Nakamitsu unterstrich, daß die katastrophalen Auswirkungen von Nuklearangriffen »sich weder zeitlich noch räumlich eingrenzen lassen« und die humanitären Konsequenzen »wahllos« alle betreffen.
»Was einmal ein undenkbarer Alptraum war, ist nun eine erschreckende Möglichkeit«, erklärte der frühere Direktor der Internationalen Atomenergiebehörde (IAEA), Mohamed ElBaradei. Bei der Konferenz wollten Experten schildern, wie sich ein Einsatz von Atomwaffen unter anderem auf das Klima und die Lebensmittelversorgung auswirken würde. Jahrzehntelang galten solche Waffen unter dem Vorzeichen des sogenannten Gleichgewichts des Schreckens als ein entscheidendes Hindernis für einen Dritten Weltkrieg. Die geschätzte Zerstörungskraft selbst kleiner Atombomben übertrifft die der größten konventionellen Bombe um das Hundertfache.
Über die bis heute reichenden Auswirkungen von Atomangriffen und Atomwaffentests berichteten mehrere Zeugen. Suechi Kido, ein Überlebender des Atombombenabwurfs der USA auf die japanische Stadt Nagasaki 1945, übte Kritik an der japanischen Regierung, trotz der pazifistischen Verfassung Japans den Atomwaffenverbotsvertrag weder unterzeichnet, noch ratifiziert zu haben. Die Expertenkonferenz ist der Auftakt zu einem Treffen von rund 80 Staaten, die ab heute in Wien zusammenkommen. Diese Länder haben den 2021 in Kraft getretenen Atomwaffenverbotsvertrag (TPNW) unterzeichnet, der Nuklearbomben grundsätzlich ächtet. Jedoch lehnt die NATO den TPNW strikt ab.
Viele Tote bei IS-Angriff in Syrien
Damaskus – Bei einem Angriff der Terrormiliz »Islamischer Staat« (IS) auf einen Bus sind im Osten Syriens viele Menschen getötet worden. Die Nachrichtenagentur SANO berichtete am Montag, elf Soldaten und zwei Zivilisten seien ums Leben gekommen. Terroristen hätten am Morgen südlich der Stadt Al-Rakka einen Bus angegriffen.
Der IS hatte über Jahre große Gebiete Syriens und im benachbarten Irak unter seiner Kontrolle. Dort riefen die Dschihadisten ein »Kalifat« aus. Im Frühjahr 2019 verloren sie aber ihre letzte Bastion im Osten Syriens. Zellen des IS sind jedoch weiter aktiv. Vor allem in den Wüstengebieten im Zentrum und Osten Syriens kommt es immer wieder zu Angriffen. Im Januar wurden Dutzende Menschen getötet, als die Terrormiliz versuchte, Anhänger aus einem Gefängnis in der Stadt Al-Hassaka im Nordosten Syriens zu befreien.
Vermißte nach Bootsunglück vor Mykonos
Athen – Nach einem schweren Bootsunglück mit 116 Menschen am Sonntag westlich der griechischen Insel Mykonos werden weiterhin acht Menschen vermißt. Es soll sich um fünf Erwachsene und drei Kinder handeln, berichteten griechische Medien am Montag unter Berufung auf die Küstenwache. Gegen sechs der 108 geretteten Passagiere wird ermittelt – es soll sich bei ihnen um »Schleuser« handeln.
Die Menschen befanden sich auf einem überfüllten, rund 16 Meter langen Segelboot, das in der Nacht zum Sonntag bei schwerem Wind leckschlug. Es blieb nicht das einzige Unglück: Am Sonntagnachmittag strandete ein weiteres Segelboot im Südwesten der Insel Rhodos. An Bord seien 28 Männer, zwölf Frauen und 16 Kinder gewesen, erklärte die griechische Küstenwache.
Konfliktparteien in Libyen streiten weiter
Kairo/Tripolis – Die Konfliktparteien in Libyen streiten weiter darüber, wer das Nahostland bis zu einer möglichen landesweiten Wahl regieren soll. In Diskussionen zu dieser Übergangszeit gebe es immer noch Differenzen, teilte die Sonderberaterin der UNO für Libyen, Stephanie Williams, am Montag mit. Vertreter beider Seiten sollten sich nun innerhalb von zehn Tagen treffen, um zu einer Einigung zu kommen. Das scheint angesichts der monatelangen Spannungen kaum realistisch.
In dem ölreichen Land ringen derzeit zwei Regierungen um die Macht. In der westlichen Hauptstadt Tripolis sitzt die Regierung von Premier Abdul Hamid Dbaiba, zugleich beansprucht die Regierung von Exinnenminister Fathi Baschaga die Macht für sich. Baschaga ist mit dem Parlament im Osten verbündet. In vergangenen Wochen kam es in Tripolis wieder zu Kämpfen.
China steigert Ölimport aus Rußland
China hat im Mai deutlich mehr Öl aus Rußland eingekauft. Die Ölimporte aus dem Nachbarland stiegen im Vergleich zum Vorjahr um 55 Prozent auf rund 8,4 Millionen Tonnen, geht aus am Montag von der Pekinger Zollverwaltung veröffentlichten Daten hervor. Die Einfuhren Rußlands stiegen auch im Vergleich zum April, als China noch 6,6 Millionen Tonnen bezogen hatte. Rußland ist damit erstmals seit gut anderthalb Jahren an Saudi-Arabien als dem wichtigsten Öllieferanten der Volksrepublik vorbeigezogen.
Dänemark macht bei EU-Aufrüstung mit
Luxemburg – Nach fast 30 Jahren Sonderstatus hat Dänemark die EU formal von seinem Beitritt zur »Gemeinsamen Verteidigungs- und Sicherheitspolitik« unterrichtet. Außenminister Jeppe Kofod unterzeichnete am Montag bei einer Zeremonie in Luxemburg ein Schreiben, in dem mitgeteilt wird, daß das Land seinen »Verteidigungsvorbehalt« zum 1. Juli abschaffen wird. Bereits Mitte Mai hatte die Regierung in Kopenhagen einen Antrag zum NATO-Beitritt gestellt.
Moskau: Gas-Krise menschengemacht
Moskau – Rußland hat seine Rolle als verläßlicher Energieversorger betont. Das Land bleibe »ein maximal zuverlässiger Lieferant«, sagte am Montag der Sprecher von Präsident Wladimir Putin, Dmitri Peskow, der Nachrichtenagentur Interfax. Peskow bekräftigte einmal mehr, die Ursache der derzeitigen Lieferreduktion seien Verzögerungen bei Reparaturarbeiten und fehlende Turbinen. »Das ist eine menschengemachte Krise. Sie ist von der EU erschaffen worden.«
EU-Firmen fordern Lockerung in China
Peking – Vor dem Hintergrund strenger Maßgaben zur Eindämmung der Coronapandemie in China haben Konzerne aus EU-Europe die Regierung der Volksrepublik am Montag zu einem »Kurswechsel« aufgerufen. Ausgangssperren und Einreisebeschränkungen belasteten ihr Geschäft schwer, klagte die EU-Handelskammer in Peking. Die Regierung müsse »mit einem klaren Plan Vertrauen zurückgewinnen«.
NYT: Israelische Kugel traf Abu Akle
New York – Die tödliche Kugel auf die im Westjordanland erschossene Journalistin Schirin Abu Akle wurde laut einer Untersuchung der »New York Times« wohl von israelischen Soldaten abgefeuert. Sie sei wahrscheinlich aus Richtung eines israelischen Militärfahrzeugs abgegeben worden, meldete die Zeitung am Montag. Die Journalistin vom TV-Sender Al-Dschasira war im Mai während eines israelischen Militäreinsatzes in Dschenin getötet worden. Der palästinensische Generalstaatsanwalt machte Israel verantwortlich und warf den Soldaten vor, die Journalistin gezielt getötet zu haben.
Katar: Italien schließt LNG-Deal
Rom – Auf der Suche nach Alternativen zu russischem Erdgas hat Italien einen milliardenschweren Deal mit Katar abgeschlossen. Der teilstaatliche Energieversorger Eni gab am Sonntag eine Partnerschaft mit Qatar Energy bei einem großen Flüssiggasprojekt bekannt. Die zwei Konzerne gründeten dafür ein Unternehmen, das 12,5 Prozent an dem Expansionsprojekt North Field East (NFE) halten wird. Dieses soll den jährlichen Export von Flüssiggas aus dem arabischen Land von derzeit 77 auf 110 Millionen Tonnen steigern.
Ministerrücktritt vor Ratspräsidentschaft
Prag – Kurz vor Beginn der EU-Ratspräsidentschaft Tschechiens am 1. Juli erschüttert eine Affäre die Regierung. Schul- und Jugendminister Petr Gazdík von der konservativen Partei STAN kündigte am Sonntag seinen Rücktritt zum 30. Juni an. In Bedrängnis geriet der 47-Jährige wegen Beziehungen zu einem Unternehmer, der zu den Beschuldigten in einer Affäre um verdächtige Aufträge der Prager Verkehrsbetriebe zählt. Die Polizei ermittelt wegen der Bildung einer kriminellen Vereinigung. Gazdík selbst zählt nicht zu den Verdächtigen.
IS verübt Anschlag auf Sikh-Tempel
Kabul – Die Dschihadistenmiliz »Islamischer Staat« (IS) hat sich zu einem Anschlag auf einen Sikh-Tempel in der afghanischen Hauptstadt Kabul am Wochenende bekannt. Der Angriff sei die Rache für herabwürdigende Kommentare aus Indien über den Propheten Mohammed, erklärte die dschihadistische Gruppe auf ihrem Telegram-Kanal, meldete dpa am Sonntag. Zur Zahl der Opfer des Anschlags gab es unterschiedliche Angaben. Dem von den Taliban geführten Innenministerium zufolge starben zwei Menschen, sieben wurden verletzt. Der IS behauptete, die Angreifer hätten innerhalb mehrerer Stunden rund 50 Menschen verletzt oder getötet.
Militär schießt auf Demonstranten
Colombo – Bei Protesten wegen anhaltenden Kraftstoffmangels in Sri Lanka hat das Militär erstmals auf Demonstranten geschossen. Nach Armeeangaben eskalierte die Situation an einer Tankstelle in Visuvamadu im Norden des Inselstaates in der Nacht zum Sonntag, nachdem dort das Benzin zur Neige gegangen war. Wartende Autofahrer warfen mit Steinen und beschädigten ein Armeefahrzeug. Vier Zivilisten und drei Soldaten wurden verletzt. Auch an anderen Orten kam es am Samstag zu Gewalt beim Warten auf Treibstoff. Mindestens sechs Polizisten wurden laut Polizei verletzt, sieben Autofahrer wurden verhaftet.