Kooperation statt Konfrontation
Während sich EU und NATO bei der – wie deren Strategen in Brüssel (bzw. gestern in Luxemburg) ja selbst sagen – »Wiederaufrüstung Europas« noch zu überbieten versuchen, hat sich das diesjährige Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOZ) im nordchinesischen Tianjin für den Aufbau einer »gleichen und geordneten multipolaren Welt« ausgesprochen.
Die »Ausgestaltung der Welt«, so der gastgebende chinesische Staats- und Parteichef Xi Jinping auf dem bislang größten SOZ-Gipfel seit ihrer Gründung im Jahr 2001, müsse »gerechter und ausgewogener« gemacht werden.
Seine Amtskollegen in aller Welt rief Xi angesichts einer derzeit »chaotischen und verschlungenen« Weltlage dazu auf, sich »zu Fairness und Gerechtigkeit zu bekennen« und »der Mentalität des Kalten Krieges, Lagerkonfrontation und einschüchterndem Verhalten« entgegenzutreten.
Bereits im April hatte die SOZ eine Erklärung veröffentlicht, in der sie sich für ein offenes, multilaterales und um die WTO zentriertes Handelssystem aussprach – eine klare Abgrenzung gegenüber den USA, unter deren Zöllen gegenwärtig fast die gesamte Weltwirtschaft leidet.
Zu den zehn Mitgliedern der SOZ gehört auch das zentralasiatische Kirgisistan, dessen ehemaliger Premier Dschoomart Otorbajew kürzlich erklärt hat, die Staatenorganisation, die schon heute für nahezu die Hälfte der Menschheit und für mehr als ein Viertel der Weltwirtschaftsleistung steht, sei mittlerweile zu einer »Plattform« geworden, mit der »die ökonomische und politische Integration des globalen Südens« gefördert und seine Stärke gebündelt werde.
In ihrer Bedeutung für den Frieden in der Welt nicht zu unterschätzen sind zudem viele bilaterale Treffen, die am Rande des SOZ-Gipfels stattfanden. So war Indiens Premier Narendra Modi zum ersten Mal seit sieben Jahren nach China gereist. Als Zeichen sich bessernder Beziehungen rief Xi zu einer engeren Zusammenarbeit beider Länder auf. China und Indien seien Partner, keine Rivalen, sagte er zu Modi. Beide stellten füreinander Entwicklungschancen und keine Bedrohungen dar.
Im Frühjahr 2020 waren die Beziehungen zwischen Beijing und Neu-Delhi nach mehreren Scharmützeln im Himalaja-Gebirge mit zusammen 20 toten indischen und vier getöteten chinesischen Soldaten auf einem Tiefpunkt angelangt, nun lobte Premier Modi das »ergebnisreiche« Treffen mit Präsident Xi, das wegen der erst vergangene Woche von der Trump-Regierung in Kraft gesetzten 50-prozentigen Extrazölle auf indische Exporte in die USA eine besondere Bedeutung hatte.
Zwar gab es nach dem kurzen, aber bedrohlichen Waffengang zwischen den SOZ-Mitgliedern Indien und Pakistan im Kaschmirkonflikt im Mai dieses Jahres kein direktes Treffen zwischen Premier Modi und seinem pakistanischen Amtskollegen Shehbaz Sharif, dem Vernehmen nach wurde aber in Tianjin dazu beigetragen, die Spannungen zwischen den schon seit Jahrzehnten verfeindeten benachbarten Atommächten zu verringern.
Auch Armeniens Premier Nikol Paschinjan und Aserbaidschans Präsident Ilham Alijew kamen in Tianjin zusammen, um die Beziehungen zwischen den verfeindeten Ländern, die beide seit neun Jahren Dialogpartner der SOZ sind, weiter zu normalisieren.
Die gute Nachricht aus Tianjin lautet: Eine kooperative Welt ist möglich!