Leitartikel19. November 2021

Der Aufrüstungsminister

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Ein militärisches Langstreckentransportflugzeug statt einer Verbesserung der Entschädigung für die immer zahlreicher werdenden Langzeitarbeitslosen, Mehrzweckhubschrauber für Armee und Polizei statt mehr Krankenhausbetten für alle Landesteile, militärische Spionage- und Kommunikationssatelliten statt die von den Gewerkschaften geforderten Zukunftsinvestitionen in die Aus- und Weiterbildung, und nicht zuletzt die Vorbereitung auf Kriege im Cyberspace und im Weltraum statt der dringend gebotenen Erhöhung des Mindestlohns, des REVIS, der Familienleistungen und der Teuerungszulage – so sehen die politischen Prioritäten der Regierung aus Liberalen, Sozialdemokraten und Grünen und insbesondere die des grünen Aufrüstungsministers François Bausch aus.

Anders als wegen der Pandemie ausgefallenen Militärübungen zuhause konnten die wichtigsten Auslandseinsätze der Armee an der NATO-Ostflanke und in Mali aufrechterhalten werden, freute sich am Montag Colonel Yves Kalmes auf der Martinsfeier in der Kaserne auf dem Diekircher Härebierg. Der »Satellitentechnik, Kapazitäten und Personal« umfassende Einsatz in Westafrika sei »sogar noch ausgebaut« worden.

Mit der in den kommenden vier Jahren geplanten Verdoppelung (!) des offiziellen Militärbudgets auf 245 Millionen Euro pro Jahr liegt die Dreierkoalition mal wieder ganz auf Linie der gerade in Afghanistan grandios gescheiterten NATO-Krieger und jener, die aus der EU eine Militärmacht machen wollen, die idealerweise mit, in der Regel aber neben der von den USA dominierten NATO agieren soll.

»Die jüngsten Ereignisse in Afghanistan haben erneut gezeigt, daß die EU in der Lage sein muß, (...) robust und zügig zu handeln«, heißt es in einem Konzept, das den Außenministern der EU-Staaten zu Wochenbeginn von Deutschland, den Niederlanden, Portugal, Finnland und Slowenien vorgelegt wurde. Es sei geboten, heißt es darin, die »Verfügbarkeit, Bereitschaft, Einsatzfähigkeit und Kompetenz der Streitkräfte zu verbessern« und »militärische Kooperationsformate unter den EU-Mitgliedstaaten besser zu nutzen«.

Josep Borrell, spanischer Sozialdemokrat sowie in der von der ehemaligen deutschen Militärministerin Ursula von der Leyen geführten EU-Kommission »Hoher Vertreter für Außen- und Sicherheitspolitik«, hält es in seinem vergangene Woche in Kernpunkten vorgelegten »Strategischen Kompaß« für realistisch, bis 2025 eine gemeinsame Eingreiftruppe aufzustellen und dafür zu sorgen, daß sie – ohne Einstimmigkeit unter den 27 Mitgliedstaaten erreichen zu müssen – eingesetzt werden kann. Eine »Koalition der Willigen« wäre neu – und würde den ohnehin begrenzten Einfluß der kleinen EU-Staaten weiter beschneiden.

Von der vom ehemaligen Kommissionspräsidenten Jean-Claude Juncker geforderten EU-Armee ist in dem von Deutschland und anderen vorgelegten Konzept noch nicht die Rede. Zunächst soll eine 5.000 Soldaten umfassende Truppe aufgestellt werden, die aber wie es heißt »das gesamte Spektrum militärischer Krisenmanagementaufgaben« abdecken soll. Dafür fordern Kriegsplaner mindestens eine Brigade, das heißt rund 10.000 topausgerüstete und -trainierte Soldaten plus Unterstützungskräfte zu Wasser, in der Luft, im Welt- und im Cyberraum. Nur so ließen sich »wirksame Operationen« der EU beginnen und ein Jahr lang durchhalten.

Wetten, daß der auch beim Kriegführen wie am Hindukusch stets um Nachhaltigkeit bemühte olivgrüne Armeeminister auch bei der EU-Eingreiftruppe voller Begeisterung mitmachen wird?