Ausland19. November 2015

Dem Volke abgewandt

Die philippinische Metropole Manila dient dem diesjährigen Asien-Pazifik-Gipfel als imperiale Wagenburg

Wenn sich noch bis zum heutigen Donnerstag 21 Staats- und Regierungschefs im ausladenden Komplex des Philippine International Conference Center (PICC) im Rahmen des diesjährigen Gipfeltreffens der Asiatisch-Pazifischen Wirtschaftskooperation (APEC) ein Stelldichein geben, wird getreues Spiegelbild der Globalisierung anno 2015 geliefert. Noch mehr Freihandel, Deregulierung, Privatisierung und Beschneidungen von Bürgerrechten im Namen von »Terrorismus-Bekämpfung« sind die bestimmenden Themen der diesjährigen APEC-Agenda. Zum Mißfallen des Gastgebers, Präsident Benigno S. Aquino III., werden zwei Präsidenten nicht zugegen sein. Der russische Staatschef Wladimir Putin und sein indonesischer Amtskollege Joko Widodo bleiben wegen interner Probleme daheim. Statt dessen sind Rußlands Ministerpräsident Dmitri Medwedjew und der indonesische Vizepräsident Jusuf Kalla in Manila anwesend.

Bereits im Vorfeld dieses Großereignisses hatte die Aquino-Regierung alle Hebel in Bewegung gesetzt, um das selbstgewählte Motto dieses Gipfels »Building inclusive economies, building a better world« selbst ad absurdum zu führen. Anstelle von Inklusion hat sie – wie bereits berichtet – die Bevölkerung buchstäblich vor die Tür gesetzt und das Zentrum des Megamolochs Manila mit dem PICC als temporäre Zitadelle hermetisch abgeriegelt. Unrühmlich wie stets bei Veranstaltungen dieser Art – wie zuletzt beim Papstbesuch im Januar dieses Jahres – ist die Rolle des Ministeriums für Soziale Wohlfahrt und Entwicklung unter der Leitung der umtriebigen Madame Corazon Soliman. Sie ließ Hunderte von Straßenverkäufern und Bettlern wegsperren und deklarierte diesen Schritt als »fürsorgliche Maßnahme seitens der Regierung«. Und all jenen, die es wagen, ohne behördliche Genehmigung auf die Straßen zu gehen und lautstark für den Aufbau einer tatsächlich besseren Welt zu demonstrieren, drohen die »Sicherheitskräfte« mit drakonischen Strafen.
Gastgeber Aquino steht bei alledem im Zentrum der Kritik. Zahlreiche linke Gruppierungen, fortschrittliche Verbände und Kirchenleute sowie große Teile der landesweit vitalen Zivilgesellschaft attackieren vor allem den enormen Kostenaufwand – umgerechnet zirka 200 Millionen Euro – und die Tatsache, daß, so Renato Reyes, Generalsekretär des Linksbündnisses BAYAN (Neue Patriotische Allianz), »die Filipinos während des Gipfeltreffens zu Bürgern zweiter Klasse herabgewürdigt werden«. Charisse Bañez, nationale Vorsitzende der League of Filipino Students (LFS), sieht keinerlei Grund, die ausländischen Gäste willkommen zu heißen: »China, Japan und die USA bedeuten für unsere nationale Souveränität eine dreifache Bedrohung. Als globale Supermächte bestimmen sie die Agenda und Politik der APEC und tragen auf diese Weise zur ungebrochenen Dominanz ausländischer Wirtschaftsinteressen in unserem Land sowie zur Plünderung unserer Ressourcen bei.«

Da am Rande des APEC-Gipfels auch ein Sondertreffen Aquinos mit USA-Präsident Barack Obama geplant ist, wird im Mittelpunkt ihrer Gespräche das im vergangenen Jahr unterzeichnete, doch innenpolitisch höchst kontroverse erweiterte Abkommen zur »Verteidigungskooperation« (Edca) stehen. »Wir hoffen sehr«, betont der Vorsitzende der militanten Gewerkschaft Kilusang Mayo Uno (Bewegung 1. Mai), Elmer Labog, »daß der Oberste Gerichtshof der Senatsentscheidung vom 10. November folgt, wonach Edca ›ungültig‹ ist. Stufte der Gerichshof Edca als verfassungskonform ein, würde er damit seine Lakaienrolle gegenüber der USA-Regierung unterstreichen.«

Am vergangenen Wochenende ging in Manila nebst zahlreichen Demonstrationen und Protestmärschen auch eine Konferenz der 2001 im niederländischen Zutphen gegründeten Internationalen Liga der Volkskämpfe (ILPS) zu Ende. Als prominenter Gast war Leila Khaled aufgetreten, Mitglied der Volksfront zur Befreiung Palästinas (PFLP) und wegen ihrer Teilnahme an einer Flugzeugentführung 1969 in mehreren arabischen Ländern als Freiheitsikone verehrt. Auf der ILPS-organisierten Pressekonferenz am vergangenen Freitag in Quezon City erklärte Leila Khaled: »Ich bin hier, um klipp und klar zu sagen, daß es unsere Rolle ist, sich gegen die Okkupation unserer Heimat zur Wehr zu setzen und wir dazu das Recht haben und dies sogar unsere Pflicht ist.« Mit Blick auf das bevorstehende APEC-Treffen sagte Leila Khaled: »Die Welt wäre eine bessere Welt ohne APEC und ohne Besatzung.«
Neben Leila Khaled sind über 350 Aktivisten aus dem Ausland angereist, um sich mit ihren philippinischen Freunden an vielfältigen Protestkundgebungen zu beteiligen. Die Regierung hat diesen Gästen gedroht, sie deportieren zu lassen. Das wäre jammerschade. Schließlich prägten sie aufgrund des APEC-Selbstverständnisses, Verpflichtungen als nicht bindend zu betrachten, ein pfiffiges Akronym: »A Perfect Excuse to Chat – ein perfekter Vorwand zum Plaudern«.

Rainer Werning