Ausland09. November 2024

Vorgezogener »Black Friday« in Italien

Acht-Stunden-Streik der um ihre Arbeitsplätze kämpfenden Stellantis-Arbeiter

von Gerhard Feldbauer

Mit einem Acht-Stunden-Streik am Freitag bei Stellantis ging die Streikwelle in Italien weiter. Die Autobauer wehrten sich gegen drohende Entlassungen. In Turin sollen im Ergebnis der Umstellung auf elektrisch betriebene Automodelle 1.500 von ihnen entlassen werden. In Florenz soll die italienische Filiale, die Achswellen für Kraftfahrzeuge herstellt, schließen, wogegen sich die 421 Beschäftigten seit Monaten zu Wehr setzen. Mit den Stellantis-Arbeitern traten am Freitagmorgen zum Betriebsbeginn um 5.30 Uhr auch die im öffentlichen Verkehr Beschäftigten in einen 24-stündigen landesweiten Streik. Damit wurde dem Land laut der italienischen Nachrichtenagentur ANSA ein vorgezogener »Black Friday« bereitet. Gemeinsam aufgerufen hatten FILT CGIL, FIT CISL, Uiltrasporti, Faisa Cisal und UGL FNA, um eine Erneuerung des nationalen Vertrags, eine Überwindung des Ressourcenmangels und mehr Bemühungen um Gesundheit und Sicherheit am Arbeitsplatz zu fordern.

Stellantis ging im Januar 2021 als Holding aus der Fusion der Autokonzerne Fiat Chrysler Automobiles (FCA) und der Peugeot S.A. hervorging. Seitdem hat das Unternehmen die Zahl der Arbeitsplätze in Italien von 51.000 auf 43.000 geschrumpft, so die Basisgewerkschaft USB. Im Jahr 2022 hatte der Konzern weltweit fast sechs Millionen Fahrzeuge abgesetzt und damit einen Umsatz von rund 180 Milliarden Euro erzielt. Mit 14 Marken ist Stellantis der viertgrößte Automobilhersteller der Welt. Zu den Marken zählen Maserati (Luxus), Alfa Romeo, DS und Lancia (Premium), Jeep (Global Sport Utility), Chrysler, Dodge, Opel, Fiat und Peugeot. Auch 2023 glänzte Stellantis noch mit Rekordauslieferungen in Höhe von 98,4 Milliarden Euro, was einem Zuwachs von zwölf Prozent im Vergleich zum Vorjahr entsprach. Der Absatz mit batterieelektrischen Fahrzeugen zog um fast ein Viertel an. Im Dezember 2023 war Fiat als bis dahin stärkste Marke von Stellantis in Italien jedoch zum ersten Mal seit fast einem Jahrhundert nicht mehr die meistverkaufte Marke, sondern verlor den Spitzenplatz an den deutschen VW-Konzern.

Auch in Detroit, USA wo der Pickup »Ram 1500 Classic« hergestellt wird, soll die Produktion eingestellt werden. Die Verkäufe von Ram und Jeep gingen um 30 Prozent zurück. Ab November wird die Marke Citroen keine Fahrzeuge mehr in Australien vermarkten. Es wird befürchtet, daß auch Peugeot folgen wird. Inzwischen sickerte auch durch, daß die Eröffnung des Werkes in Mirafiori in Italien verschoben werden soll.

Am 18. Oktober hatten die Stellantis-Arbeiter dagegen bereits mit einem Ausstand protestiert. Bei Stellantis geht »eine langsame Stillegung« vor sich, hatte die CGIL-Plattform »Collettiva« erklärt. Von Termoli bis Cassino sind die Fabriken in Not, und die Arbeiter, die zwischen Entlassungen und Solidaritätsverträgen leben, haben das Gefühl, an einem dünnen Faden zu hängen. In Termoli steht die Fabrik, die als Dreh- und Angelpunkt eines ehrgeizigen Konjunkturprogramms für ganz Molise durch die Umstellung auf die Produktion von Elektrobatterien dienen sollte, still. 400 Mitarbeiter sind hier von Entlassung betroffen. In Cassino ist die Situation nicht viel anders. In dem mittlerweile zu einem Produktionszentrum für Luxusautos gewordenen Werk mußten die Arbeiter 47 Tage hintereinander zu Hause bleiben und die Produktion ist in der ersten Jahreshälfte fast um 40 Prozent zurückgegangen. Die noch etwa 3.000 Arbeiter erhalten weniger als 1.000 Euro Lohn im Monat.

Auch wenn ein erheblicher Teil der Autos außerhalb Italiens hergestellt wird, ist Stellantis derzeit der einzige große Autokonzern, der in Italien verblieben ist. Ministerpräsidentin Giorgia Meloni griff persönlich ein und versicherte, die Zukunft der italienischen Automobilindustrie zu garantieren. So zwang sie das Unternehmen, den Namen eines neuen, im polnischen Stellantis-Werk in Tychy gebauten Alfa Romeo-Modells zu ändern. Außerdem entfernt sie italienische Flaggen von Stadtautos aus marokkanischer Produktion. Ob das ernst zu nehmen ist, bleibt offen, denn ihre Haltung ist zwielichtig, sie versucht gleichzeitig, chinesische Autohersteller zur Eröffnung von Fabriken in Italien zu gewinnen. Im Gespräch sind derzeit drei chinesische Unternehmen. Am weitesten fortgeschritten sind laut ANSA die mit dem staatlichen Autohersteller Dongfeng, einem führenden chinesischen Unternehmen, das bereits mit westlichen Partnern in Joint-Ventures zusammenarbeitet. Die Regierung in Rom könnte sich mit einer Minderheitsbeteiligung an dessen Investitionen beteiligen, die darauf abzielten, ein Drehkreuz für ganz Europa zu errichten. Rom wolle dabei durchsetzen, daß mindestens 45 Prozent der Zulieferteile aus Italien stammen.