Luxemburg15. Dezember 2020

Aus der Chamber:

Grundrechte eingeschränkt, Budget beredet

Bereits am Vormittag trat gestern die Chamber zusammen, um die bereits bestehenden einschränkenden Maßnahmen bis zum 15. Januar zu verlängern und zusätzlich Geschäftszentren in der Gesundheitsdirektion ein Sicherheitskonzept einreichen müssen. Dem Publikum wird verboten, innerhalb von Geschäftszentren oder Geschäftsflächen zu essen und zu trinken, egal ob dort oder woanders gekauft.
Notieren wir daraus nur, daß vom adr kritisiert wird, es gebe keine wissenschaftliche Begründung für die Horesca-Schließung. Auch der Kultur- und Sportbereich sollte weiter funktionieren können. Besteht die Regierung auf Schließung, ist sie zu Schadenersatz verpflichtet, forderte Jeff Engelen, bevor er eine Motion einbringt, auf keinen Fall einen harten Lockdown wie in Deutschland zu beschließen. Der private Bereich müsse in der Eigenverantwortung der Bürger liegen, da habe die Regierung nichts vorzuschreiben. Mittels Abänderungsantrag wird beantragt, zu den Feiertagen zumindest die Begrenzung auf zwei Gäste aus einem Haushalt aufzuheben. Daran wird sich ohnehin kaum wer halten und die Polizei darf es in den Wohnungen nicht kontrollieren. Die adr stimmt keinem Gesetz zu, das Eingriffe der Grundrechte beinhaltet.

Lénk und Piraten jammern wie Koalitionäre und CSV über die vielen positiven Ergebnisse der PCR-Tests. Wobei die Piraten wie die Lénk zwar nicht dafür stimmen aber bitten, sich daran zu halten. Die CSV fordert mittels Motion das Ende der verkaufsoffenen Sonntage.

Der Abänderungsantrag der adr zur Ausnahme der Tage des 24., 25., 26., 31.12 und 1.1. wird mit 56 Nein bei vier adr-Ja abgelehnt. Das Maßnahmengesetz kriegt 31 Koalitions-Ja bei 29 Oppositions-Nein.

Die CSV-Motion für die Vorlage einer Langzeitglobalstudie wird durch Handaufheben einstimmig angenommen. Die CSV-Motion für das Verbot sonntäglicher Öffnungen bis Ende Januar wird abgelehnt mit 34 Nein bei 23 Ja und zwei Enthaltungen. Die adr-Motion, keine Maßnahmen zu treffen, die Betriebe in die Pleite treiben, wird mit 54 Nein bei vier adr-Ja abgelehnt. Die Lénk-Motion für die Bereitstellung von Handgel im öffentlichen Transport unter Verantwortung des Transportministeriums und auf CFL-Bahnsteigen auf Ko­sten des Staatsbudgets wird durch Handaufheben einstimmig angenommen.

Budgetdebatte beginnt

Um 14.30 Uhr ging es nach anderthalb Stunden Pause weiter. Als Budgetberichterstatter durfte dieses Jahr der Gréng-Abgeordnete Benoy auftreten. Nach Finanzoperationen gelingt es, in den Konten ein Defizit von 128,8 Millionen Euro auszuweisen, was 686,5 Millionen Euro besser ist als das gestimmte Budget. Dabei wurden 809,3 Millionen Euro mehr eingenommen als erwartet (plus 4,87 Prozent) und 122,8 Millionen mehr ausgegeben als gestimmt (plus 0,71 Prozent) dank der vielen Posten mit dem lustigen Vermerk, daß bei ihnen höhere Ausgaben vom Finanzminister genehmigt werden können – davon gibt es Dutzende. Bei den Finanzoperationen wurden 1,7 Milliarden Euro Staatsschuld aufgenommen und der 2014 aufgelegte »Sukuk« zurückbezahlt, sodaß von den 1,7 Milliarden noch 1.272,9 Millionen Euro übrig blieben.

2020 sieht das wegen der im Vorjahr nicht vorhersehbaren Maßnahmenpakete ganz anders aus. Statt der gestimmten 682,4 Millionen Euro Defizit hält der Budgetvollzug Ende Oktober bei einem Defizit von 3.455,9 Millionen Euro. Es wird erwartet, daß das bis zum Ende des Jahres 4.379 Millionen Euro oder 7,4 Prozent der Jahreswirtschaftsleistung (BIP) werden. Hervorzuheben ist das Eingeständnis, die Lohnsteuer liege wegen der Ausfälle in der Kurzarbeit niedriger als erwartet, wo doch die Regierung sonst immer betont, es gäbe keine Kaufkraftverluste.

Für 2021 wird jetzt mit einem Defizit von 2.460,6 Millionen Euro gerechnet – das Defizit soll bis 2024 langsam zurückgehen. Das wären dann für 2021 die berühmten drei Prozent des Bruttoinlandsproduktes (BIP), während die Staatsschuld über die Grenze von 30 Prozent steigen wird in den kommenden Jahren laut Mehrjahresvorschau.
Wie hoch das sein wird, hängt davon ab, wann wieder Normalität herrscht. Deshalb steht auch das ganze Zahlenspiel des Budgets unter einem riesigen Vorbehalt. Über die Details des Budgets haben wir bei seiner Vorstellung bereits berichtet. Halten wir fest, daß die Regierung davon ausgeht, die Krise ende nicht mit einem großen Zusammenbruch des Finanzsystems und Luxemburg kehre wieder zum Wachstum der Vorjahre zurück. Insoweit ist es auch logisch, daß am Investitionskurs festgehalten wird, der blutnotwendig ist, um für die erwartete Zahl zusätzlicher Arbeitsplätze und Einwohner die nötige Infrastruktur bereitzustellen. Ob da aber in jedem Fall die richtigen Weichen gestellt werden, muß bezweifelt werden. Ebenso ist das, was ganz besonders im Transport und Mobilitätsbereich vorgesehen ist, nur dann genug, wenn das Wachstum sich deutlich verlangsamt und eine gute Portion Telearbeit zur Dauereinrichtung wird. Das aber hat Auswirkungen zuvorderst auf den Handel und den Horesca-Bereich.

Einstweilen ist festgehalten, daß die Staatsschuld am 31.12.2019 bei 13.145 Millionen Euro lag und Ende 2020 auf 15.477 Millionen ansteigen wird. Ende 2021 werden daraus 18.049 Millionen Euro geworden sein. 2022 wird laut schriftlich vorliegendem Bericht mit 20.335 Millionen Euro abgeschlossen, 2023 mit 22.088 Millionen und 2024 mit 23.469 Millionen. Der mündliche ist nicht so ausführlich!
Es steht ein Grüner auf der Tribüne, was überschwengliches Lob für die Kohlendioxidsteuer bringt. Benoy behauptet, die 40 Prozent mit dem niedrigsten Einkommen hätten durch einen neugeschaffenen Steuerkredit keinen finanziellen Nachteil, wobei in seiner Rechnung die Mehrkosten für die Müllverbrennung aber nicht drin sind.

Denn da die Sidor auch die Kohlendioxidsteuer zahlen muß, werden die Abfallgebühren steigen. Es wird dadurch keine Einsparung bei den Treibhausgasen stattfinden, weswegen sich die Behauptung, es gäbe diese Einsparung nicht nachvollziehbar ist.
Luxemburg darf sich laut Benoy freuen, besser durch die Krise zu kommen mit nur 4,5 Prozent BIP-Rückgang, während die Eurozone minus 7,8 Prozent verzeichnen werde. Das hat aber vor allem damit zu tun, daß der parasitäre Finanzsektor, der ein Drittel des luxemburgischen BIP liefert, keinen Einbruch hatte. Das Gerede von grünen und nachhaltigen Fonds, die einen höheren Ertrag hätten als weniger nachhaltige, ist grüne Ideologie, denn alle Börsenwerte sind mit dem Tausenden Milliarden, die von den Zentralbanken aus dem Nichts geschaffen wurden, aufgeblasen. Sie haben keinerlei Beziehung mehr zu wirklichen Werten in der Realwirtschaft und sind daher allesamt auf Dauer nicht zu halten. Das ist zur Zeit das Hauptproblem des Finanzkapitals, das tunlichst im Verborgenen bleiben soll. Eine Lösung dafür hat niemand, weswegen es auch logisch ist, daß Benoy das nicht einmal anspricht.

Um die Gemeinden weniger abhängig zu machen von konjunkturellen Ereignissen und Krisen, kommt Benoy mit dem tollen Vorschlag einer »Reform der Grundsteuer«, ohne das weiter auszuführen. Es ist höchste Warnstufe angesagt, damit das nicht für die vielen Besitzer einer Eigentumswohnung diese Absicherung für die Zeit der Pension zur Steuerfalle wird, sondern nur Großgrundbesitzer und Immobilienkapitalisten getroffen werden. Das ist von vornherein nicht gesichert, sitzen in der Chamber doch vor allem Kapital- und nicht Volksvertreter.

Damit war gestern um 15.45 Uhr Schluß. Am Mittwoch und Donnerstag beginnt es nicht nur um 8 Uhr früh, es wird auch später werden.

jmj