Neuer USA-Raketentest birgt Gefahr eines neuen Wettrüstens
Washington – Die USA haben eine bodengestützte Mittelstreckenrakete getestet und damit die Befürchtungen bestätigt, daß ein neues Wettrüsten angeheizt werden soll. Die ballistische Rakete sei am Donnerstagmorgen (Ortszeit) von der Luftwaffenbasis Vandenberg an der Pazifikküste zwischen San Francisco und Los Angeles abgefeuert worden, bestätigte ein Sprecher des USA-Kriegsministeriums der Deutschen Presse-Agentur. Die Ergebnisse des Tests würden derzeit ausgewertet, hieß es.
Nach Informationen aus NATO-Kreisen hätte der Raketentest noch vor kurzem gegen Abrüstungsvereinbarungen mit Rußland verstoßen. Er wurde nur möglich, weil die USA Anfang des Jahres zum 2. August den sogenannten INF-Vertrag zum Verzicht auf landgestützte Mittelstreckensysteme aufgekündigt hatten.
Grund für diesen Schritt war die Behauptung, daß Rußland das Abkommen seit Jahren mit einem System namens SSC-8 (Russisch : 9M729) verletzte. Dieses soll angeblich in der Lage sein, Marschflugkörper abzufeuern, die sich mit Atomsprengköpfen bestücken lassen und mehr als 2.000 Kilometer weit fliegen können. Diese Behauptungen konnten seitens der USA und der NATO nie belegt werden. Rußland hat die Reichweite des Systems mit unter 500 Kilometern angegeben.
Der INF-Vertrag untersagte beiden Seiten Produktion, Tests und Besitz von bodengestützten ballistischen Raketen und Marschflugkörpern mit Reichweiten zwischen 500 und 5.500 Kilometern.
Angaben des Pentagon bestätigten, daß der Raketentest gegen Vorgaben des INF-Vertrags verstoßen hätte : Der Prototyp sei weiter als 500 Kilometer weit geflogen und anschließend ins offene Meer gestürzt, hieß es. Die Erkenntnisse aus dem Test würden das Pentagon bei der »Entwicklung künftiger Mittelstreckenfähigkeiten« unterstützen.
Ballistische Raketen können mit konventionellen, chemischen, biologischen oder atomaren Sprengköpfen bestückt werden. Nach Angaben des Washingtoner Kriegsministeriums handelte es sich bei der getesteten Rakete um eine »konventionell konfigurierte« . Somit wird indirekt bestätigt, daß sie auch mit Atomsprengköpfen ausgestattet werden kann.
Im Gegensatz zu Marschflugkörpern endet bei ballistischen Raketen die Antriebsphase nach einer gewissen Zeit. Sie folgen dann einer Flugbahn, die von der Erdanziehung und dem Luftwiderstand beeinflußt wird. Diese sogenannte Freiflugphase kann bis zu zehn Mal so lang sein wie der Weg, den die Rakete mit Antrieb zurücklegt.
Die USA hatten bereits im August einen Marschflugkörper getestet, was unter dem INF-Vertrag ebenfalls verboten gewesen wäre. Rußland und China hatten daraufhin vor einem neuen Wettrüsten gewarnt und eine Sondersitzung des UNO-Sicherheitsrates beantragt. Rußland wertete den Erprobungsflug damals als Beleg dafür, daß die USA den Ausstieg aus dem INF-Abrüstungsvertrag von langer Hand geplant hatten.
(dpa/ZLV)
Der Screenshot aus einem vom USA-Kriegsministerium veröffentlichten Video zeigt einen Testflug einer bodengestützten ballistischen Rakete von der Vandenberg Air Force Base am 12. Dezember 2019 (Foto : Michael Stonecypher/DoD via dvids/dpa)