Ausland19. Juni 2021

Ein Roman über den nächsten Weltkrieg

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In den USA hat er fast aus dem Stand den Sprung auf die Bestsellerliste der »New York Times« geschafft: der Roman »2034«, den der ehemalige Oberbefehlshaber der NATO, James Stavridis, und der Afghanistanveteran Elliot Ackerman im Frühjahr veröffentlicht haben. Thema: nichts Geringeres als »der nächste Weltkrieg«, wie es im Untertitel heißt – ein Krieg zwischen den USA und der Volksrepublik China, der mit einer Konfrontation im Südchinesischen Meer anfängt und sich rasch zum massenmörderischen globalen Gemetzel ausweitet.

»2034« – gemeint ist das Jahr, in dem dieser Krieg beginnen könnte – soll mittlerweile allein in den USA in mehr als 100.000 Exemplaren verkauft worden sein: Offenbar wird in wachsendem Maß realisiert, daß der fern scheinende Fluchtpunkt, auf den die kontinuierliche Politik der immer schärferen Konfrontation der westlichen Mächte gegenüber China hinausläuft, durchaus blutige Realität werden kann, und das vielleicht sogar schon bald.

Man muß die politischen Entscheidungen, mit denen Stavridis und Ackerman ihre Plots konstruieren, gewiß nicht für wahrscheinlich halten: Daß China im Südchinesischen Meer einen Krieg bewußt vom Zaun bricht, und dies auch noch in Abstimmung mit Iran – das mag einem Publikum einleuchten, dessen Chinabild von den großen westlichen Medien geprägt wurde, deren allzu parteiische Berichterstattung eine realistische Einschätzung der Motive und der Ziele Beijings nicht unbedingt fördert.

Daß Rußland die Gelegenheit nutzen und einen Landkorridor im Norden Polens aus Belarus in seine Exklave Kaliningrad erobern würde, das ist eine Standardbehauptung der NATO, die man, während Stavridis und Ackerman sie in »2034« einbauen, mit guten Gründen bezweifeln mag. Aber das ist in diesem Kontext vielleicht gar nicht das Entscheidende.

Auf die Frage, was ihn veranlaßt habe, »2034« zu schreiben, hat Stavridis Anfang Juni der japanischen Tageszeitung »Asahi Shimbun« geantwortet: »Wir müssen uns alle gemeinsam vorstellen, wie schrecklich ein Atomkrieg ist, um ihn zu vermeiden. Das soll das Buch bezwecken.«

Und in der Tat – das Werk schildert die Schrecken des Weltkriegs, der zur nuklearen Vernichtung Shanghais sowie zu atomaren Gegenschlägen unter anderem auf San Diego führt; allein in Shanghai kommen in dem Roman mehr als 30 Millionen Menschen zu Tode. Als die Waffen schweigen, ist kein Gewinner des Mordens zu erkennen.

»Amerikas Hybris hat letzten Endes über seine Größe gesiegt«, lassen Stavridis und Ackerman einen hochrangigen indischen Regierungsmitarbeiter seinem Neffen vorhalten, der in Washington als stellvertretender Nationaler Sicherheitsberater tätig ist: »Ihr habt euer Blut und eure Schätze vergeudet – wofür? Für die Freiheit der Schiffahrt im Südchinesischen Meer? Für die Souveränität Taiwans? Ist die Welt nicht groß genug für eure Regierung und zugleich für diejenige in Beijing? Was ist mit den Millionen Toten auf beiden Seiten?«

In diesem Sinne wollen Stavridis und Ackerman ihr Buch verstanden wissen: »als Mahnung, Krieg zu vermeiden«.

James G. Stavridis, Elliot Ackerman: 2034. A Novel of the Next World War. New York 2021.