Luxemburg23. März 2024

Atomkraft? Ja bitte!

Neue Regierung sieht Kernenergienutzung »weniger ideologisch« und betont »Technologieoffenheit«

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Wenn es in der nur wenige Kilometer von Luxemburg entfernten französischen Atomzentrale Cattenom zu einem ähnlich schweren Unfall wie in Fukushima komme, seien im Umkreis von fünf Kilometern 75.000 Menschen von radioaktiv verseuchter Luft, Böden, Wasser und Nahrung betroffen, rechnete Greenpeace am zweiten Jahrestag der dreifachen Reaktorkernschmelze in Japan vor. 900.000 Menschen leben im 30-Kilometer-Radius um Cattenom – darunter die meisten Bewohner Luxemburgs –, in 80 Kilometern Umkreis leben dreieinhalb Millionen. Auch wegen dieser verschärften Gefahrenlage bildete sich im Frühjahr 2011 kurz nach der Katastrophe von Fukushima ein Nationales Aktionskomitee gegen Atomkraft, dem unter anderem alle Parteien, deren Jugendorganisationen und alle großen Gewerkschaften angehörten und das innerhalb weniger Monate 22.860 Unterschriften unter eine Petition sammelte, in der die Regierung aufgefordert wurde, »alle zur Verfügung stehenden Mittel auf nationaler Ebene, in der Großregion sowie innerhalb der EU einzusetzen«, damit »sämtliche Atomkraftanlagen, die Luxemburg direkt bedrohen, sofort und endgültig gestoppt werden«.

13 Jahre nach Fukushima hat die Atomlobby wieder Auftrieb erhalten – in Luxemburg und in der EU. Auf Einladung der Internationalen Atomenergie-Organisation (IAEO) und der belgischen EU-Ratspräsidentschaft fand am Donnerstag in Brüssel der erste internationale Atomgipfel statt, auf dem sich rund 30 Staaten in einer gemeinsamen Erklärung zum schnelleren Ausbau und einer einfacheren Finanzierung von Atomkraftwerken (AKW) verpflichtet haben. Das Potential der Nuklearenergie solle »voll ausgeschöpft« werden, heißt es darin. Kernenergie sei für die Verringerung klimaschädlicher Kohlendioxidemissionen »unerläßlich«. 13 Staats- und Regierungschefs und andere hochrangige Politiker plädierten für den Bau neuer AKW, den verlängerten Betrieb bestehender Kernkraftanlagen sowie den Einsatz neuerer und kleinerer Atomreaktoren.

Zwar nahm CSV-Premier Luc Frieden nicht am Atomgipfel teil, vor dem zweitägigen EU-Gipfel in Brüssel erklärte er jedoch am Donnerstag, seine Regierung sehe die Kernenergienutzung »weniger ideologisch« als die Vorgängerregierung aus DP, LSAP und Grünen. Deshalb sei man auch nicht mehr dagegen, die Atomenergieforschung aus dem EU-Budget zu subventionieren. Die Regierung aus seiner CSV und der zum Juniorpartner zurückgestuften DP sei »technologieoffen«, betonte Frieden in Übernahme der neuen Lieblingsvokabel seiner deutschen Vorbilder in Regierung und Opposition. Die Teilnahme beider »Benelux-Partner« am Brüsseler Atomgipfel kommentierte der Premier mit: Man dürfe anderen »nicht vorschreiben, wie sie von fossiler Energie wegkommen«.

Das sah die Regierung von CSV-Premier Jean-Claude Juncker, der Frieden als Finanzminister angehörte, noch ganz anders. In seiner kurz nach dem Super-GAU in Fukushima gehaltenen »Rede zur Lage der Nation« hatte Juncker erklärt, wegen des »Restrisikos« gebe es zum Ausstieg aus der Atomenergienutzung »keine andere Option«. Deshalb werde seine Regierung »zu Bréissel mat derfir suergen datt europäesch Fuerschungsgelder a Richtung alternativ Energien ëmorientéiert ginn.«