Mit Militär gegen Coronavirus
USA verstärken Truppen an Grenze zu Mexiko. Razzien während Ausgangssperre gegen Migranten
Die Regierung in Washington nutzt die Coronakrise als Vorwand, die Militärpräsenz an der südlichen Grenze zu Mexiko auszubauen. 540 zusätzliche Soldaten sollen die USA-Grenzpolizei verstärken, erklärte der Kommandeur des USA-Nordkommandos, General Terrence O’Shaughnessy, am vergangenen Mittwoch gegenüber der Presse. Generalleutnant Laura Richardson ergänzte, die neuen Truppen würden »sehr bald« an der Grenze stationiert. Sie sollten »die Grenzpolizei dabei unterstützen, mit dem Coronavirus infizierte Migranten festzunehmen und umgehend in ihre Heimatländer zurückzuführen«. Dadurch solle eine Beschleunigung der Virusverbreitung in der USA-Bevölkerung verhindert werden.
Die Pläne dazu wurden etwa zwei Wochen zuvor gemacht, als die Bekämpfung der Pandemie in den USA erst stockend anlief und US-Präsident Donald Trump noch orakelte, wenn es »ein bißchen wärmer« werde, könne das neuartige Virus von allein »auf wundersame Weise verschwinden«. Doch Trump verhält sich nur liberal gegenüber dem Erreger, nicht gegenüber Migranten, die aus Mittelamerika vor Not und Unterdrückung fliehen.
Nach einer neuen Richtlinie, die laut »New York Times« (NYT) am 21. März in Kraft trat, wurden die Grenzpolizisten für die Kontrolle mit biometrischen Instrumenten ausgerüstet. Wer »eine kriminelle Vergangenheit« habe, werde weiterhin in Haft genommen. Alle anderen seien von der Border Patrol »unverzüglich zum nächstgelegenen Grenzkontrollpunkt oder Flugplatz zu bringen und in ihre Heimatländer zurückzuschicken«.
Das gelte sowohl für die Südgrenze zu Mexiko als auch für die Nordgrenze zu Kanada. Wegen der Pandemie hatten die USA und Kanada die 9.000 Kilometer lange gemeinsame Landgrenze dichtgemacht. Laut »NYT« ließ der kommissarische USA-Heimatschutzminister, Chad Wolf, »die legalen Einreisepunkte entlang der Grenze zu Mexiko und Kanada auch für den Tourismus schließen«. Gegen die Ankündigung der USA, Militär ebenfalls in Grenzgebieten zu Kanada zu stationieren, um auch dort verstärkt »illegale Grenzübertritte« zu verhindern, hatte Kanadas Regierungschef Justin Trudeau protestiert und gefordert, daß die Grenze »entmilitarisiert« bleibe.
Der Kampf gegen »illegale Einwanderer« an der Grenze zu Mexiko bleibt weiterhin Trumps Credo. Bis Anfang 2021, so sein jüngstes Versprechen, sollen rund 800 Kilometer der neuen »Grenzmauer« fertiggestellt werden. Laut der Agentur dpa bewerteten »viele Experten« dieses Ziel jedoch »als übermäßig optimistisch«. Der aktuellen Überbewertung der Staatsgrenzen bei der versuchten Abwehr der Ansteckungen mit dem Coronavirus widerspricht indes die im Innern des Landes sich ausweitende Katastrophe der Covid-19-Erkrankungen und Todeszahlen.
Davon sind auch die in den USA arbeitenden Migranten und die internierten Geflüchteten in den Lagern und Gefängnissen der Einwanderungsbehörde ICE betroffen. ICE-Agenten nutzen die Ausgangssperre für Razzien in Wohnungen und an Arbeitsplätzen, um »Papierlose« aufzuspüren und festzunehmen. Der NYT zufolge sind dazu Hunderte zusätzliche ICE-Beamte in Zivilfahrzeugen im Einsatz. Der Migrationsblog Struggle for Socialism (SfS) kritisierte, daß die ICE-Agenten »für ihre Welle an rassistischen Razzien« mit 45.000 medizinischen Schutzmasken ausgestattet werden, während im Gesundheitswesen und in den ICE-Haftlagern eine erschreckende Knappheit daran herrscht. In den Hafträumen seien bis zu hundert Internierte untergebracht, und körperliche Distanz sei völlig unmöglich. Über alle ICE-Lager wurde Quarantäne verhängt, berichtete SfS. Da aber außer Fiebermessen dort nichts gemacht werde, seien sie ein »weiterer gefährlicher Ansteckungsherd der um sich greifenden Pandemie«.
Jürgen Heiser
Bauarbeiter errichten einen Teil der Grenzmauer am Colorado River zwischen den USA und Mexiko (Foto: Matt York/AP/dpa)