»Bürokratieabbau« im Interesse des Kapitals
Bei der Inspection du Travail et des Mines (ITM) handelt es sich um eine der ältesten Verwaltungen des Landes. Ihre Ursprünge gehen auf das Jahr 1810 zurück, als Luxemburg Teil des Französischen Kaiserreichs unter Napoleon war und erste staatliche Vorgaben zum Schutz des Lebens und der Gesundheit der Bergarbeiter eingeführt wurden.
Im vergangenen Jahr wurden die 244 Mitarbeiter der ITM mehr als 100.000 Mal kontaktiert, ihre gut hundert Arbeitsinspektoren führten (zusätzlich zu fast 11.000 Kontrollen im Zusammenhang mit der »Entsenderichtlinie« der EU) mehr als 5.200 Kontrollen in Betrieben im ganzen Land durch und mußten dabei laut dem am Montag veröffentlichten Jahresbericht 1.152 Geldbußen in Höhe von insgesamt 6,4 Millionen Euro verhängen.
Doch die ideologische Basis der Regierung aus CSV und DP bildet der Neoliberalismus mit seiner Richtschnur, den eigenen »Wirtschaftsstandort« durch Deregulierung, Privatisierung und Flexibilisierung zu Lasten der Lohnabhängigen »wettbewerbsfähiger« (als die Konkurrenten auf den Märkten in EU-Europa und darüber hinaus) zu machen.
Schon im Koalitionsabkommen heißt es unter dem Schlagwort Bürokratieabbau bzw. »administrative Vereinfachung«, die Regierung unter Premier Frieden werde die Aufgaben der ITM »neu definieren« und ihre »Rolle als Einrichtung zur Prävention und Begleitung von Unternehmen« stärken.
Am Montag bekräftigte Arbeitsminister Georges Mischo, noch in diesem Jahr komme die ITM weg von einer Mißtrauenskultur, hin zu einer Vertrauenskultur. Damit ist ein Abbau der Rechenschaftspflichten gemeint, die Unternehmen an staatliche Stellen leisten müssen. Der Staat solle dem Kapital einen »Vertrauensvorschuß« leisten und nur noch bei mehrfachen Verstößen zu Sanktionen greifen.
»Mehr Prävention, weniger Sanktionen« laute die Devise, erklärte auch ITM-Direktor Marco Boly. Bevor man sanktioniere, sollten erst »alle Möglichkeiten genutzt« werden, einem Betrieb »zu helfen«, sich wieder zu »regularisieren«, also gesetzeskonform zu stellen.
Um die Widersinnigkeit dieser Ankündigung zu ermessen, genügt das Gedankenexperiment, wie es wohl wäre, wenn Staatsbedienstete in anderen Bereichen staatlicher Regulierung derart vorgehen würden. Wenn zum Beispiel Verkehrspolizisten einen nachweislich volltrunkenen Autofahrer bei den ersten Malen einfach weiterfahren ließen und ihn nur höflichst bitten würden, das Auto nach dem nächsten Zechen eventuell stehenzulassen.
Hinter Schlagworten wie »Bürokratieabbau« oder Deregulierung verbirgt sich das Interesse des Kapitals an einem generellen Abbau staatlicher Vorgaben zur Einhaltung arbeitsrechtlicher, sozialer, demokratischer und nicht zuletzt ökologischer Standards. Deren Einhaltung soll privater Initiative überlassen bleiben, möglichst ohne Nachweisführung und staatliche Kontrolle.
Diese Ideen, die in ihrem Kern nichts anderes als weitere Kampfansagen an das Salariat sind, kennen wir aus den 1970er Jahren von den »Chicago Boys« mit Milton Friedman und Friedrich August von Hayek in den Köpfen, die mit dem faschistischen chilenischen Putschpräsidenten Augusto Pinochet das »Reich der Freiheit« errichten wollten.
Adepten der »Chicago Boys« waren in Britannien Margaret Thatcher und Ronald Reagan in den USA sowie bis Ende Mai der Großkapitalist Elon Musk mit seiner »Regierungsabteilung für staatliche Effizienz« (DOGE) wieder in den USA und sein Freund Javier »Kettensäge« Milei in Argentinien.