Dr. David Wenger im Webinar:
Wider gegen Wasserstoff gerichtete Mythen
In einem Webinar hat Dr. David Wenger, Gründer und Geschäftsführer der Wenger Engineering GmbH im süddeutschen Ulm, vergangene Woche so manchen Mythos zerstört, den auch der Luxemburger Energieminister wie eine Monstranz vor sich her trägt. Wenger ist seit Jahren in der Wasserstoffwirtschaft, kennt aber nicht weniger die batterie-elektrische Mobilität, weil er seit Jahren einen Tesla fährt. Er hat allerdings bei Toyota einen neuen »Mirai« bestellt, den er im März 2021 erhält.
Brennstoffzellen sind ineffizient?
Auch Minister Claude Turmes wird nicht müde zu behaupten, batterie-elektrisch betriebene Fahrzeuge seien wesentlich effektiver als solche mit Wasserstoff und Brennstoffzelle. Elon Musk, der dabei natürlich vor allem an die Zukunft von Tesla und seinen erhofften Profit daraus denkt, hat das in dem schönen Satz zusammengefaßt: »Fuel cells are fool‘s cells«. Aber sind Brennstoffzellen wirklich Zellen von Idioten?
Natürlich nicht, so Wenger. Um »100% erneuerbaren Strom« nutzen zu können, braucht es ohne geeignetes Speichermedium auf Terawattbasis eine viel höhere Kapazität in der Erzeugung, da der Bedarf fluktuiert, und zwar stark. Es reicht also nicht, übers Jahr gerechnet genug Strom aus erneuerbaren Quellen zu haben, es braucht 100% Produktionskapazität in jeder Sekunde – oder einen Speicher.
Natürlich ist Effizienz wichtig, ist das doch mit Kosten verbunden. Aber Effizienz berechnet sich nicht nur aus dem Energieeinsatz. Da kommen viele andere Faktoren hinzu. Wenger illustrierte das am Beispiel des Faun-Müllautos, das in der Wasserstoffvariante elf Tonnen zuladen kann, in der Batterievariante aber nur neun bei selber Reichweite. Dadurch fällt die Gesamteffizienz des Batterie-Müllautos niedriger aus! Denn es sind auch Faktoren wie Arbeitszeit, Tank- bzw. Ladezeit, Infrastrukturkosten und Flexibilität in Rechnung zu stellen.
Ansonsten stimmt es auch nicht, beim Weg über den Wasserstoff gingen 80% der Energie verloren oder es brauche fünfmal so viel Strom wie bei direkter Verwendung. Das klammert zum einen aus, daß auch in den Batterien Strom verlorengeht – je kälter es ist, desto mehr. Und bis zu 100% des erneuerbaren Stroms geht verloren, wenn Windkraftwerke abgeschaltet werden müssen, weil es gerade keinen Verbrauch dafür gibt. Das passiert allein in der BRD im Terawatt-Bereich.
Fakt ist auch, daß bei der Wärmerückgewinnung in der Elektrolyse und in der Brennstoffzelle, die zur Stabilisierung des Stromnetzes genutzt werden, heute 90% Wirksamkeit möglich ist. Bei Pumpspeicherkraftwerken, wie in Vianden eines steht, beträgt die Wirksamkeit nur 75%, und die Speicherfähigkeit ist stark begrenzt. Sie läßt sich nicht einfach mit einem weiteren Behälter multiplizieren.
Darüber hinaus läßt sich Wasserstoff in vielen industriellen Anwendungen nutzen, wo mit Strom kein Weiterkommen ist. Etwa in einem Hochofen, aber auch in der chemischen Industrie. Wenn etliches aber nur mit Wasserstoff geht, erübrigt sich die Effizienzdebatte, und auch der Streit, wie viel mehr Strom in der Wasserstoffschiene nötig ist. Bei einiger Ehrlichkeit wäre dann auch zuzugeben, daß das weder dreimal noch fünfmal so viel ist, denn es werden 48 bis 60 Kilowattstunden (kWh) gebraucht, um ein Kilogramm Wasserstoff zu erzeugen, das einen Wert von 33 kWh hat wegen des geringeren Heizwerts. Das wäre das 1,45- bis 1,81-Fache beim Energieeinsatz, Herr Turmes – ohne Berücksichtigung der Wärmerückgewinnung.
Die Transportkosten taugen nicht als Argument gegen Wasserstoff. Denn bestehende Gaspipelines können für wenig Geld auf Wasserstoff umgerüstet werden. Daher ist der Transport großer Mengen Wasserstoff 15 Mal günstiger als der großer Strommengen, wobei bei neuen Hochspannungsleitungen nicht nur die Kosten eine Rolle spielen, was der nationale Netzbetreiber Creos gerade schmerzlich erfährt.
Batterien sind geeignete Stromspeicher?
Der harten Wirklichkeit hält diese Behauptung nicht stand. So ist die Speicherkapazität des Gasnetzes in der BRD 5.500 Mal höher als alle Stromspeicher zusammengenommen: 220 TWh gegenüber 0,04 TWh. Wenn nichts mehr nachgeliefert wird, ist noch Gas für drei Monate da, Strom aber nur für 36 Minuten.
Batteriespeicher in TWh-Größenordnungen gibt es heute nicht und sie sind auch für übermorgen nicht in Sicht. Würde jeder Einwohner der BRD gezwungen, eine 10-kWh-Batterie zu kaufen, käme damit nur 0,35% der Kapazität des Gasnetzes zusammen. Wäre jedes Auto in der BRD ein BEV, also ein batterie-elektrisches Vehikel, kämen 0,9% der Gasnetzkapazität hinzu.
Es ist also illusorisch zu glauben, beim Ausstieg aus fossilen Energiequellen (Gas, Erdöl) das Speicherproblem mit Batterien lösen zu können. Dies umso mehr, als das Reich der billigen Batterie, dessen nahe Ankunft Prophet Rifkin seit 2004 verkündet, nicht und nicht kommt.
Wasserstoff kann Gas tatsächlich ersetzen – als Energiespeicher und in der Industrie. Wenn aber Wasserstoff breit vorhanden ist, wäre es Unfug, ihn nicht in der Mobilität zu nutzen. Das umso mehr, als das in allen Anwendungen – zu Wasser, in der Luft und auf ebener Erde – machbar ist, während Langstreckenflüge oder Containerschiffe batterie-elektrisch undenkbar bleiben. Sie sind es nicht nur heute!
jmj