Verhängnisvolle Appeasement-Politik
Mit ihrer Beschwichtigung der Öffentlichkeit beförderten Großbritannien und Frankreich den Überfall Mussolinis auf Äthiopien 1935 und ebenso die Kriegsvorbereitung Hitlerdeutschlands in Europa
In diesen Tagen lassen sich Ereignisse in Erinnerung rufen, die vor 85 Jahren den Weg in den Zweiten Weltkrieg vorzeichneten. Italiens faschistischer Diktator Benito Mussolini bereitete seit Ende 1934 die Eroberung Abessiniens (heute Äthiopien) vor, die dann am 3. Oktober 1935 begann.
Neben Liberia war Abessinien das einzige afrikanische Land, das nicht unter Kolonialherrschaft geraten war. Von den italienischen Kolonien Eritrea und Italienisch-Somaliland fiel eine mehr als 400.000 Mann zählende Armee in das am Horn von Afrika im nordostafrikanischen Hochland liegende Kaiserreich ein. Die eine halbe Million Mann starke Armee Kaiser Haile Selassies brachte die italienische Offensive trotz deren großer Überlegenheit an Flugzeugen, schwerer Artillerie und Panzern im Landesinneren zum Stehen. Danach befahl Mussolini, Giftgas einzusetzen. Nach vorliegenden, wahrscheinlich unvollständigen Angaben, wurden über den äthiopischen Stellungen zwischen Dezember 1935 und April 1936 mehr als 350 Tonnen Yperit in 1.500 Gasbomben abgeworfen. Um keine Berichte an die Öffentlichkeit gelangen zu lassen, ordnete der »Duce« am 30. April 1936 an, gefangengenommene Europäer, die in der äthiopischen Armee gekämpft hatten, zu erschießen.
Am 5. Mai 1936 zogen Paradetruppen der Kolonialarmee zu Pferd mit Marschall Pietro Badoglio an der Spitze in Addis Abeba ein. Ein barbarischer Eroberungsfeldzug, der 275.000 Äthiopier das Leben kostete, ging vorerst zu Ende. Der Widerstand hielt bis zum Einmarsch britischer Truppen 1941, an deren Seite äthiopische Einheiten kämpften, an. Dem Kolonialterror fielen bis dahin insgesamt 750.000 Einwohner zum Opfer.
Unheilvolle Beschwichtigung
Die Ereignisse, die dem Überfall vorausgegangen waren – die Beschwichtigung der Öffentlichkeit über die Aggressionsvorbereitung Mussolini-Italiens gegen Äthiopien wie der Hitlerdeutschlands in Europa durch Großbritannien und Frankreich – gingen unter der Bezeichnung Appeasement in die Geschichte ein. Der von Paris und London beherrschte Völkerbund schaute dem Treiben der Aggressoren ebenfalls tatenlos zu.
In Berlin war am 30. Januar 1933 Hitler an die Macht gehievt worden, der im Innern ein Terrorregime errichtete und nach außen begann, seine in »Mein Kampf« verkündeten Ziele der Eroberung der Weltherrschaft mit dem Hauptstoß der »Zerschlagung des Bolschewismus« in Angriff zu nehmen. Während neben Kommunisten und Sozialdemokraten bereits Tausende Katholiken in den Zuchthäusern und Konzentrationslagern saßen, allein in Bayern 2.000 Mitglieder und Anhänger der katholischen Bayerischen Volkspartei einschließlich ihres Vorsitzenden Fritz Schäfer, ergriff London eine Initiative, die am 15. Juli 1933 zum Abschluß eines »Abkommens über die gegenseitige Zusammenarbeit und die Erhaltung des Friedens« zwischen Großbritannien, Frankreich, Italien und Deutschland führte.
Mit der Klausel im sogenannten Viererpakt, daß alle Europa betreffenden Angelegenheiten von den Vertragspartnern entschieden würden, sollte die UdSSR ausgeschlossen und politisch isoliert werden. Der Vertrag zielte auf die Herstellung einer antisowjetischen Einheitsfront. Nach starken Protesten in Frankreich und anderen europäischen Staaten ratifizierte Paris das Abkommen nicht, und es trat nicht in Kraft. Trotzdem stellte der Pakt für das noch nicht konsolidierte Hitlerregime eine bedeutende politisch-moralische Unterstützung dar.
Als nächstes stärkte die »Heimholung der Saar ins Reich« im Frühjahr 1935 das Hitlerregime nicht nur politisch, sondern auch die schwerindustrielle Basis seiner Rüstung. Der sowjetische Außenminister Maxim Litwinow warnte: »Der Sieg an der Saar kann Hitler so sehr zu Kopf steigen, daß er noch größere Forderungen stellen wird als zuvor.« So kam es. Am 10. März 1935 erklärte Hermann Göring vor der Presse, die Reichsregierung habe den Wiederaufbau der deutschen Luftwaffe beschlossen. Sechs Tage später, am 16. März, führte Hitler mit dem »Gesetz für den Aufbau der Wehrmacht« die allgemeine Wehrpflicht wieder ein und annullierte so eine der wesentlichsten militärischen Bestimmungen des Versailler Vertrages.
Ungeachtet dieser konfrontativen Schritte Hitlers begaben sich der britische Außenminister Lord John Simon und Schatzkanzler Anthony Eden nach Berlin, nachdem am 18. Juni 1935 in London mit der Unterzeichnung des deutsch-britischen Flottenabkommens eine weitere Bestimmung von Versailles außer Kraft gesetzt worden war. Großbritannien gestand Hitlerdeutschland eine Flottenstärke zu, die der Größenordnung Frankreich entsprach. Das Abkommen legte fest, daß die Gesamttonnage der deutschen Kriegsflotte 35 Prozent der britischen betragen durfte, wobei die deutsche U-Boot-Flotte so groß sein durfte wie die des gesamten britischen Empire. Sie wurde von Deutschland noch vor Kriegsbeginn überschritten.
Nach dem Urteil Victor Klemperers festigte das Hitlers Stellung »aufs bedeutendste«. Er konnte sich erneuten Erfolgs rühmen, mit dem die »Schmach von Versailles« getilgt, die »Ketten von Versailles« zerbrochen seien. Für Hitler war der Weg frei, eine millionenstarke Massenarmee aufzubauen, die viereinhalb Jahre später mit dem Überfall auf Polen zur Eroberung fast ganz Europas ansetzte.
Churchill warnt
Zu den wenigen konservativen Politikern, die das Flottenabkommen mißbilligten, gehörte der spätere Premier Winston Churchill, der erklärte: »Meines Erachtens wird sich dieses isolierte Vorgehen Großbritanniens für die Sache des Friedens nicht als günstig erweisen«. Er hatte 1932 Deutschland bereist und danach im November im Unterhaus gewarnt, die Regierung seiner Majestät solle nicht glauben, »daß die Deutschen nur den Status der Gleichberechtigung fordern«. Sie würden »die Rückgabe ihrer verlorenen Gebiete und Kolonien fordern«. Gegenüber dem sowjetischen Botschafter Iwan Maiski äußerte Churchill 1935, »daß Deutschland die größte Gefahr für das Empire ist«, er deshalb »ein Gegner Deutschlands« sei und daß Hitler nicht nur gegen die UdSSR im Osten zur Expansion rüstete, sondern auch gegen das Empire.
Dabei machte er keinen Hehl daraus, daß er »ein Gegner des Kommunismus« sei und bleibe, erklärte aber, »um der Integrität des Empire willen bin ich zur Zusammenarbeit mit den Sowjets bereit«. Als die Wehrmacht im März 1936 mit 35.000 Mann in die entmilitarisierte Zone des Rheinlands einmarschierte, bezeichnete er den Überfall als »schwerwiegend, weil er eine Bedrohung für Holland, Belgien und Frankreich bedeutet«. Es entstehe eine Befestigungslinie, die Deutschland freie Hand gebe, »nach Osten und Süden vorzudringen. (…) Die baltischen Staaten, Polen und die Tschechoslowakei, zu denen überdies Jugoslawien, Rumänien, Österreich und einige andere Länder hinzukommen, sind entscheidend in Mitleidenschaft gezogen«.
Kein Politiker der Westmächte hat in dieser Zeit die von Hitlerdeutschland weltweit ausgehende Kriegsgefahr so deutlich angesprochen, wie Churchill. Doch er blieb auch in den nächsten Jahren »ein Rufer in der Wüste«.
Schon am 7. Februar 1935 hatte der stellvertretende Staatssekretär Orme Sargent dem britischen Foreign Office ein Memorandum vorgelegt, in dem ein Krieg gegen die UdSSR regelrecht herbeigesehnt wurde. Es hieß, »solange das bolschewistische Regime in Rußland existiert, kann diese Expansion unmöglich nur die Form friedlichen Vorgehens annehmen«. Mitte April 1935 notierte Außenminister Simon in seinem Tagebuch: Wenn Deutschland handle, dann solle das lieber nach Osten geschehen, wo dann »seine Energien für lange Zeit beschäftigt« sein würden.
Der US-amerikanische Historiker Hines H. Hall kommentierte: »Simon war der Ansicht, daß man Hitler ermutigen sollte, seine annexionistischen Ziele dort zu suchen«. Unter diesem Gesichtspunkt hatte Simon bereits im Januar 1935 der forcierten deutschen Aufrüstung volles Verständnis entgegengebracht und gegenüber dem Kabinett erklärt, man könne von Deutschland nicht erwarten, daß es die Rüstungen, die es gerade aufbaue, verschrotte; eine »praktikable Alternative« hierzu gebe es nicht.
Die antikommunistische Linie Londons entsprang der großen Sympathie, die konservative britische Politiker schon nach der faschistischen Machtübernahme in Rom gegenüber Mussolini bekundeten. Die »Times« hatte den »Marsch auf Rom«, das faschistische Machtübertragungstheater im Oktober 1922, als »Reaktion gegen den Bolschewismus« gewürdigt und die »Daily Mail« den »Duce« an der Jahreswende 1922/23 in einer Artikelserie als eine »Cromwellsche Persönlichkeit« gefeiert. Nach dem »Marsch auf Rom« war kaum ein halbes Jahr vergangen, da besuchte im Mai 1923 die Königsfamilie Rom, um »die guten Beziehungen zur Regierung Mussolini zu festigen«. Außenminister Lord Curzon schickte dem »Duce« eine Botschaft seiner »hohen Wertschätzung«. Auf der Konferenz von Locarno im Oktober 1925 hofierte London Rom, machte es zur Garantiemacht der im Versailler Vertrag festgelegten Rheingrenze.
Die Haltung Frankreichs zu Hitlerdeutschland unterschied sich in dieser Phase, also Mitte der 30er Jahre, von der Großbritanniens. Außenminister Louis Barthou suchte, obwohl er ein erbitterter Gegner der Oktoberrevolution war, die Zusammenarbeit mit der UdSSR zu erweitern. Er hatte Hitlers »Mein Kampf« im Original gelesen und war sich der von Deutschland ausgehenden Gefahr bewußt. Seine Linie stieß jedoch in der französischen Regierung auf erheblichen Widerstand.
Die sowjetischen Vorschläge für einen kollektiven Sicherheitspakt, die von London rundweg abgelehnt wurden, fanden auch in Paris nur geringen Widerhall. Pierre Laval, der den am 9. Oktober 1934 bei einem Attentat getöteten Barthou am Quai d’Orsay beerbte, war weniger an einer Zusammenarbeit mit Moskau als mit Berlin gelegen. Das entsprach der Furcht der rechten Kräfte in Frankreich vor der Volksfront, die im Ergebnis des 1934 zwischen Kommunisten und Sozialisten geschlossenen Aktionseinheitsabkommens im Frühjahr 1936 bei den Wahlen einen überwältigenden Sieg errang.
Unter dem Rechtssozialisten Leon Blum bildete sie am 4. Juni ihre erste Regierung. Während die Volksfront im Inneren eine Reihe sozialer und politischer Rechte bzw. Gesetze und progressive Wirtschaftsmaßnahmen erkämpfte (Sozialgesetzgebung, Achtstundentag, bezahlten Urlaub, Nationalisierung von Zweigen der Großindustrie, Verbot der faschistischen Organisationen), kamen vergleichbare Ergebnisse in der Außenpolitik nicht zustande.
Zuvor war am 2. Mai 1935 mit der UdSSR ein von Barthou vorbereiteter »Vertrag über gegenseitigen Beistand« unterzeichnet, gegenüber Mussolinis Vorbereitung des Überfalls auf Äthiopien aber weiterhin Appeasement-Politik betrieben worden. Und das obwohl Paris wie London nicht verborgen geblieben war, daß Mussolini bereits im November 1934 mit der militärischen Vorbereitung des Überfalls begonnen hatte.
Paris gibt Carte blanche
Im Ergebnis seines Besuchs am 7. Januar 1935 in Rom vereinbarte Laval in einem Geheimvertrag mit dem »Duce« die Unterstützung der französischen Politik im Mittelmeer durch Italien, während Frankreich Italien »freie Hand« für das Vorgehen in Äthiopien gewährte. London, das um seine angrenzenden Kolonien Kenia und den anglo-ägyptischen Sudan fürchtete, versicherte Mussolini, daß »seine Interessen in Ostafrika nicht beeinträchtigt würden«.
Ein interministerieller Ausschuß Londons hielt im Juni 1935 fest, daß es »keine vitalen britischen Interessen« gebe, die erforderten, »sich einer italienischen Eroberung Äthiopiens zu widersetzen«. Im Rahmen der bekannten Vorbereitung des Überfalls sorgte London sich allen Ernstes, daß der italienische Eroberungsfeldzug angesichts der beträchtlichen Kampfkraft der äthiopischen Armee, die militärischen Potenzen Italiens überfordern, es zu einem »erschöpfenden afrikanischen Abenteuer« und gar zu einem Zusammenbruch des Faschismus kommen könnte. Als Simon nach Beginn der Aggression gefragt wurde, warum die Engländer nicht ein Schiff im Suezkanal versenkten, um die Verbindung zu den italienischen Truppen in Äthiopien zu unterbrechen, antwortete Simon: »Wir können das nicht tun, weil das Mussolinis Sturz bedeuten würde.«
Nachdem seit Dezember 1934 von Italien provozierte militärische Grenzkonflikte anhielten, schlugen Paris und London am 15. August 1935 vor, gemeinsam mit Rom über Äthiopien ein Protektorat zu verhängen. Mussolini lehnte ab, versicherte dafür in einem Interview für die Londoner »Morning Post« vom 18. September erneut feierlich, Italien habe nicht die Absicht, die Interessen Frankreichs und Großbritanniens in Ostafrika zu beeinträchtigen. Gleichzeitig beteuerte er, Italien werde alles Mögliche tun, um einen Konflikt mit Äthiopien zu vermeiden.
Nach dem Überfall versuchten London und Paris, dem Aggressor durch Zugeständnisse einen »legalen« Teilerfolg zu sichern. Die Außenminister Laval und Samuel Hoare unterbreiteten am 11. Dezember einen »Plan zur Lösung der Äthiopienfrage«, der vorsah, Italien große äthiopische Gebiete von Ogaden und Danakil sowie Teile der Provinz Tigré, darunter Adua, insgesamt etwa die Hälfte des Landesterritoriums, zu überlassen. Äthiopien wurde dafür der Hafen Assab samt schmalem Zugang versprochen. Selassie lehnte es jedoch ab, der Annexion auf Raten zuzustimmen. Mussolini selbst wies diese »diplomatische Lösung« ebenfalls zurück. Internationale Proteste gegen den Schacher mit dem Aggressor zwangen Laval und Hoare, den Plan zurückzuziehen. London opferte Hoare, er mußte demissionieren.
Wirkungslose Sanktionen
Der von Paris und London beherrschte Völkerbund war 1931 beim Angriff Japans auf die chinesische Mandschurei untätig geblieben und hatte das mit der ungünstigen geographischen Lage begründet. Jetzt sein Mitgliedsland Äthiopien ebenfalls völlig im Stich zu lassen, hätte bedeutet, die eigene Existenz aufs Spiel zu setzen. So versuchte man Gesichtswahrung und verurteilte am 7. Oktober 1935 Italien als Aggressor, verhängte vier Tage darauf jedoch nur weitgehend wirkungslose wirtschaftliche und finanzielle Sanktionen und überließ Äthiopien seinem Schicksal.
Vom Embargo war das für den Einsatz der Luftwaffe und der Panzer entscheidende Erdöl ausgenommen, ferner Eisenerz und Kohle. Neville Chamberlain hatte Sanktionen als regelrechten »Wahnsinn« bezeichnet. Auf militärische Maßnahmen, welche die Völkerbund-Satzung ebenfalls vorsah, wurde verzichtet, lediglich Waffenlieferungen untersagt. Für die Resolutionen stimmten 51 Mitgliedstaaten, Österreich, Ungarn und Albanien dagegen.
Sieben Mitgliedstaaten befolgten das Waffenembargo nicht, acht wendeten finanzielle Maßnahmen nicht an, zehn stellten den Warenexport nach Italien nicht ein, dreizehn importieren weiter aus Italien. Viele Völkerbund-Mitglieder gaben Italien heimlich zu verstehen, daß sie die Sanktionen nur formal anwenden würden. Italien erhielt Kriegsgerät und Rohstoffe aus Belgien, der Tschechoslowakei, Österreich und der Schweiz. Aus Frankreich kamen auf Kreditbasis Traktoren, Kraftwagen, Flugzeugmotoren sowie Granatwerfer. Aus Großbritannien große Mengen Treibstoff, die erst nach Abschluß des Krieges bezahlt werden mußten.
Italien stellte nach seiner Verurteilung die Mitarbeit im Völkerbund ein. Deutschland, das die Organisation bereits nach dem faschistischen Machtantritt verlassen hatte, erklärte sich formell neutral und verweigerte Zwangsmaßnahmen. Die deutschen Exporte nach Italien stiegen bei Kohle, Koks, Maschinen, Chemieerzeugnissen sowie Eisen- und Stahlprodukten bis Ende 1935 um etwa ein Drittel an. Berlin interpretierte die italienische Aggression als einen »Rassenkonflikt« und »gerechten Kampf«. Mit seiner Rechtfertigung bereitete Hitler das Bündnis mit Italien in Gestalt der späteren »Achse Berlin-Rom« vor.
Washington, das dem Völkerbund nicht angehörte, brach die Beziehungen zu Rom nicht ab. Eine bereits am 31. August 1935 vom Kongreß angenommene Resolution über Neutralität spielte dem Aggressor in die Hände, weil sie den Verkauf von Waffen an beide kriegführende Parteien verbot. Für Italien war das nicht entscheidend, denn es war für den Kriegsbeginn ausreichend gerüstet. Äthiopien hingegen besaß keine Kriegsindustrie und war von Waffenimporten abhängig. Washington stellte auch seine Erdöllieferungen nach Italien nicht ein. Hatte es 1934 für 447.000 Dollar Erdöl geliefert, so stieg sein Export an den Aggressor bis Ende 1935 auf den Wert von 1.252.000 Dollar. Für 451.000 Dollar bezog Rom über seine Afrika-Kolonien Erdöl. Die USA erteilten damit gleichzeitig der von der UdSSR verfolgten Politik der kollektiven Sicherheit eine Absage.
Für wirksame Sanktionen trat nur die UdSSR ein. Sie forderte, jegliche Zufuhr von Erdöl nach Italien und zu dem Kriegsschauplatz zu unterbinden und dazu auch die Durchfahrt durch den Suezkanal zu sperren, was den Nachschub für die Kolonialarmee außerordentlich erschwert hätte. Der Völkerbund ignorierte die Anträge, und Mussolini konnte ungehindert seinen verbrecherischen Feldzug fortsetzen. Den begangenen Völkermord und den anhaltenden barbarischen Kolonialterror ignorierend hob die internationale Organisation die Sanktionen bereits am 16. Juli 1936 auf.
Gerhard Feldbauer
Truppen des faschistischen Italien in Abessiniens Hauptstadt Addis Abeba