Alphaville spielen alte Hits mit Orchester ein
Den Wunsch, die Musik von Alphaville mit einem Orchester aufzunehmen, hatte Frontmann Marian Gold schon lange. »Ich glaube, es gibt bei allen Bands, die mit Synthesizern arbeiten, einfach eine Tendenz in Richtung klassischer Musik«, sagte der 68-Jährige dpa, »selbst wenn die Leute von der Kompositionsweise, von der Theorie überhaupt keine Ahnung haben – oder nur bedingt, wie es in unserem Fall war.«
Gleich mit ihrer ersten Single »Big In Japan« landeten Alphaville 1984 einen Welterfolg, dem weitere Singles folgten, die heute Popklassiker sind. Fast 40 Jahre später hat die im westdeutschen Münster gegründete Synthiepopband, von deren Urbesetzung nur Gold übrig ist, diese Hits und andere Songs neu arrangiert und mit dem Deutschen Filmorchester Babelsberg für das neue Album »Eternally Yours« aufgenommen.
Anfang der 80er Jahre ermöglichten polyphone Instrumente wie der damals populäre Synthesizer Roland Jupiter-8 neue Klänge, die dem eines Orchesters ähnelten. »Das ist ein ganz verführerischer Weg, gegen den kann man sich eigentlich nur schwer wehren«, so Gold. »Dann entstehen eben so Stücke wie "Forever Young" zum Beispiel oder "Sounds Like A Melody".« Hatte Letzterer immerhin noch ein paar echte Streicher, war »Forever Young« Synthiepop im Reinformat.
Mit dem Filmorchester Babelsberg entwickeln nun beide Hits eine ganz neue Wucht, ein wahrhaft cineastisches Flair. In dem berühmten Finale von »Sounds Like A Melody« ist nun sogar »noch ein bißchen Wagner dazugekommen«, sagte Gold. Auch »Big In Japan« klingt spektakulär. Man vergißt beinahe, daß die Originalversionen ohne Orchester auskamen.
Schon als Teenager begeisterte Marian Gold das »Concerto For Group And Orchestra«, eine Kollaboration der englischen Hard-Rock-Band Deep Purple (»Smoke On The Water«) mit dem britischen Royal Philharmonic Orchestra. »Ich bin irgendwie vom Hocker gefallen, weil es überhaupt nicht das war, was ich erwartet hatte«, erinnert er sich. »Es war überwältigend.« Anders war es bei Metallicas Orchesteralbum »S&M«. »Ich bin Metallica-Fan und war maßlos enttäuscht, weil es kein bißchen innovativ war.«
Die Songs nur vom Orchester begleiten zu lassen, kam nicht infrage. Mit den Arrangeuren Max Knoth und Christian Lohr veränderten sie einige Songs stark. Aus einem laut Gold »relativ banalen Popsong« wie »Dance With Me« wurde eine ergreifende Ballade. »Was es auch ursprünglich mal war«, betont der Sänger. Das Lied handelt von Einsamkeit und ist nicht so fröhlich, wie die Single von 1986 klang, eher traurig und melancholisch. Das wird jetzt deutlich.
»Man kann aus ein und demselben Stück eine Aussage herauskitzeln, die schon immer drin war«, so Gold, »die aber eher so im Verborgenen existiert hat und jetzt in voller Blüte erscheint.« Neben den Hits aus den Anfangsjahren und Songs von ihrem Debütalbum »Forever Young«, darunter »A Victory Of Love« und »Summer In Berlin«, haben Alphaville einige Lieder neu aufgenommen, die bisher vielleicht nicht die Aufmerksamkeit bekamen, die sie verdient hätten. »Dream Machine« aus dem 1999er Boxset »Dreamscapes« ist so einer – und der perfekte Eröffnungssong. Nach ruhigem Beginn steigert sich das Stück zu seinem fast dramatischen Höhepunkt.
»Around The Universe« stammt vom letzten Alphaville-Studioalbum »Strange Atractor«, das 2017 erschien. Ursprünglich war es eine Popballade. Nun singt Marian Gold, dem man sein Alter weder ansieht noch anhört, vor einer orchestralen Klangkulisse wie aus einem Filmsoundtrack. Stilistisch erinnert es entfernt an »Who Wants To Live Forever« von Queen aus dem Kultfilm »Highlander«.
Der Titelsong ist der einzige, der speziell für das Album geschrieben wurde. Der Text besteht aus Fragmenten von Shakespeare-Sonetten. »So etwas zu tun, ist verbrecherisch«, scherzte Shakespearefan Gold. »Es war mir aber in dem Moment ganz egal, weil es für mich unfaßbar war, wie diese Verse in diesem Zusammenhang miteinander kommunizieren und irgendwie zu mir sprechen.«
Streicher, Bläser und Trommeln statt Synthesizer und Rhythmusmaschine – das funktioniert bei Alphaville sehr gut. Kurz vor dem Bandjubiläum ist Marian Gold und Co. ein imposantes Album gelungen. 2023 wollen Alphaville die Songs mit einem Orchester live auf die Bühne bringen. Unter dem Motto »40th Anniversary: The Symphonic Tour« stehen Auftritte in 15 deutschen Konzerthäusern an. Gold freut sich drauf. »Wir werden mit unseren Instrumenten Dinge tun, die wir normalerweise nicht machen.«