Ausland04. Dezember 2020

Kriegsbündnis bleibt auf Kurs

NATO besorgt über »Bedrohungspotential Chinas«

Das »Bedrohungspotential Chinas« wird mehr und mehr zu einem Thema für die NATO. Die Außenminister der 30 Bündnisstaaten berieten am Mittwoch bei einer Videokonferenz darüber, welche Konsequenzen der »Aufstieg Chinas zu einer Militärmacht« haben könnte. Zugeschaltet waren auch Minister aus Partnerstaaten in der Region. Dazu zählen Australien, Japan, Neuseeland und Südkorea.

China sei »kein Gegner«, sagte NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg nach den Beratungen. Man müsse sich aber damit beschäftigen, daß das Land mittlerweile das weltweit zweitgrößte Militärbudget – nach den USA – habe und massiv in neue militärische Fähigkeiten investiere. Dabei erwähnte er allerdings nicht, daß die Militärausgaben der NATO-Staaten weit höher sind als die von China und Rußland zusammengenommen.

Das mit Abstand größte Militärbudget haben laut Internationalem Friedensforschungsinstitut SIPRI in Stockholm mit 732 Milliarden US-Dollar weiterhin die USA, die damit aktuell einen Anteil von rund 38 Prozent an den weltweiten Militärausgaben halten. Mit Abstand folgen China (mit geschätzt 261 Milliarden US-Dollar) und Indien (71,1 Milliarden US-Dollar) vor Rußland (65,1 Milliarden) und Saudi-Arabien 61,9 Milliarden). Insgesamt haben die NATO-Mitgliedstaaten im Jahr 2019 etwa 1.035 Milliarden US-Dollar für Rüstung und Krieg ausgegeben, mehr als das Dreifache der einschlägigen Ausgaben von China plus Rußland.

Hinzu komme, daß China »die Werte der NATO« nicht teile. Es untergrabe die Menschenrechte, es schüchtere andere Länder ein und stehe zunehmend in einem systemischen Wettbewerb mit den NATO-Staaten, behauptete der zivile NATO-Chef.
Nach den vorliegenden Informationen ging Stoltenberg nicht näher auf »die Werte der NATO« ein, und erwähnte auch nicht, daß die NATO sowie einige ihrer Mitgliedstaaten – im krassen Unterschied zu China – auf dem gesamten Globus Militärstützpunkte unterhalten, an mehreren Kriegen aktiv beteiligt ist und in etlichen Regionen der Welt, mit Vorliebe in der Nähe der Grenzen zu Rußland und China Militärmanöver veranstalten.

In Reaktion auf »Chinas militärisches Machtstreben« wollen Stoltenberg und viele NATO-Staaten im kommenden Jahr mit der Überarbeitung des strategischen Konzepts der NATO beginnen. Diesen Schritt hat auch eine von Stoltenberg auf Initiative des deutschen Außenmini­sters eingesetzte Expertengruppe empfohlen. In ihrem am Dienstag veröffentlichten Bericht heißt es, die NATO müsse »den sicherheitspolitischen Herausforderungen Chinas« viel mehr Zeit, politische Ressourcen und Handeln widmen. So sollten unter anderem alle Aktivitäten Chinas besser überwacht werden, die sich auf die kollektive Verteidigung, die militärische Einsatzbereitschaft oder die Abwehrfähigkeiten auswirken könnten.

»Wir müssen mit Blick auf die Rolle Chinas, das auch immer mehr als globaler militärischer Akteur in Erscheinung tritt, einen wohldurchdachten Kurs finden«, kommentierte der deutsche Außenminister Heiko Maas.

(ZLV/dpa)

NATO-Generalsekretär Jens Stoltenberg bei der Eröffnung der virtuellen Konferenz der Außenminister der NATO am 1. Dezember (Foto: EPA-EFE/NATO)