Ausland22. Dezember 2023

Auslands-Nachrichten

von dpa/ZLV

»Patienten verhungern und verdursten«

Israels Armee hat die Angriffe im Gazastreifen auf weitere Gebiete ausgedehnt. Bodentruppen seien am Donnerstag weiter in den mittleren Bereich des Küstenstreifens gedrungen. Im nördlichen Gazastreifen gibt es laut WHO keine funktionierenden Krankenhäuser mehr. Patienten sterben nicht nur wegen mangelnder medizinischer Versorgung, sagte WHO-Hilfskoordinator Sean Casey am Donnerstag. »Sie verhungern und verdursten«, berichtete er in einer Videoschalte aus Rafah. Krankenhäuser seien nicht mehr in der Lage, Operationen durchzuführen und ihre Patienten zu versorgen, doch sie würden noch Tausende Menschen beherbergen.

Die WHO forderte erneut eine Feuerpause, um Gesundheitseinrichtungen mit lebenswichtigen Gütern zu versorgen. Unser Foto zeigt Trümmer eines Gebäudes, das am Donnerstag bombardiert wurde, unmittelbar neben einer UNO-Schule in Rafah.

Unter den mehr als 20.000 getöteten Palästinensern sind mindestens 8.000 Minderjährige sowie 6.200 Frauen, teilte die Gesundheitsbehörden am Mittwoch mit.

Vorerst letzter Milliardenkredit der EU an Ukraine

Brüssel – Die EU hat die Auszahlung eines weiteren Hilfskredits für die Ukraine angekündigt. Wie Kommissionspräsident Ursula von der Leyen am Donnerstag mitteilte, geht es um die letzten 1,5 Milliarden Euro aus einem insgesamt 18 Milliarden Euro umfassenden Unterstützungsprogramm für 2023. Dieses war im Dezember vergangenen Jahres von den EU-Mitgliedstaaten vereinbart worden.

Wie es mit den Finanzhilfen für die Ukraine im kommenden Jahr weitergeht, ist unklar. Eigentlich hatte beim EU-Gipfel Ende der vergangenen Woche ein neues Hilfsprogramm über 50 Milliarden Euro für die kommenden vier Jahre vereinbart werden sollen. Der ungarische Ministerpräsident Viktor Orbán verhinderte dies allerdings mit einem Veto. Er hatte die Pläne zuvor mehrfach kritisiert und in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, daß die EU zu Unrecht für Ungarn vorgesehene Gelder aus dem EU-Haushalt eingefroren hat.

Sollte in den kommenden Wochen keine Lösung gefunden werden, wollen die anderen EU-Staaten im 26er-Kreis handeln. Für den 1. Februar ist ein EU-Sondergipfel zum weiteren Vorgehen angekündigt. Von der Leyen mahnte am Donnerstag, man müsse eine Vereinbarung finden, um der Ukraine weiterhin die benötigte Unterstützung zukommen zu lassen.

Die bisherigen Kredite sind trotz des andauernden Krieges an 20 Reformzusagen und Berichtspflichten geknüpft. Bei ihnen geht es beispielsweise um Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung. Für die ab 2033 vorgesehene Rückzahlung des Geldes hat die Ukraine bis zu 35 Jahre Zeit. Die Zinskosten werden von den Steuerzahlern der Mitgliedstaaten der EU übernommen.

Argentiniens Präsident leitet »Reformen« ein

Staatsbetriebe sollen privatisiert werden

Buenos Aires – Die neue argentinische Regierung von Präsident Javier Milei hat mit dem Umbau der Wirtschaft des Landes begonnen. »Wir leiten die wirtschaftliche Deregulierung ein, die Argentinien so dringend braucht«, sagte Milei am Mittwoch (Ortszeit) in einer Fernsehansprache und kündigte ein Dekret mit insgesamt 30 Maßnahmen an. Unter anderem sollen Gesetze beispielsweise zur Regulierung des Arbeits- und Immobilienmarktes aufgehoben werden. Zudem werden alle Staatsbetriebe in Aktiengesellschaften überführt, um sie später zu privatisieren.

Zuvor waren in der Hauptstadt Buenos Aires Tausende Menschen gegen den wirtschaftsliberalen Kurs der neuen Regierung auf die Straße gegangen. Der Protest blieb weitgehend friedlich, nachdem die Regierung im Fall von Straßenblockaden mit harten Konsequenzen gedroht hatte.

Argentinien befindet sich in einer schweren Wirtschaftskrise. Die Inflationsrate liegt bei über 160 Prozent, rund 40 Prozent der Menschen in dem einst reichen Land leben unterhalb der Armutsgrenze.

Immunität von Albaniens Oppositionschef aufgehoben

Tirana – Das albanische Parlament hat mit der Stimmenmehrheit der regierenden Sozialisten die Immunität des rechten Oppositionsführers Sali Berisha aufgehoben. Damit können die Strafbehörden gegen den Politik-Veteranen wegen des Vorwurfs der Korruption vorgehen.

Berisha bestreitet die Vorwürfe, äußerte sich aber in der Parlamentssitzung am Donnerstag in der Hauptstadt Tirana nicht dazu. Abgeordnete seiner Demokratischen Partei (PD) sorgten hingegen für Tumulte, indem sie in der laufenden Sitzung Rauchbomben zündeten.

Die USA hatten den 78-jährigen Berisha 2021 wegen vermuteter Korruption auf ihre Sanktionsliste gesetzt. 1992 war er zum Präsidenten gewählt worden. Von 2005 bis 2013 war er Ministerpräsident. Bis 2013 hatte er auch die PD angeführt, an deren Spitze er im Vorjahr zurückkehrte.

Rußland kritisiert Kräfteverschiebung in Europa durch NATO

Moskau – Die russische Militärführung betrachtet die Ausdehnung der NATO in Europa als eine riskante Verschiebung des Kräftegleichgewichts. »Der europäische Kontinent ist in Politik und Wirtschaft zur Arena der Auseinandersetzung zwischen dem Westen und Rußland geworden«, sagte Generalstabschef Waleri Gerassimow am Donnerstag in Moskau vor ausländischen Militärdiplomaten. Als Beispiele nannte er den Beitritt Schwedens und Finnlands zur NATO, die Verstärkung von NATO-Kräften in Osteuropa, im Ostseeraum und im Schwarzen Meer.

In der Perspektive könnte sich der Konflikt verstärken, sagte er. Die früheren vertrauensbildenden Maßnahmen für Sicherheit in Europa hätten deshalb ihren Sinn verloren. Rußland halte sich dennoch weiter an Regeln, um Zwischenfälle zu vermeiden.

Als Reaktion auf die finnische Mitgliedschaft in der NATO werde Rußland neue Wehrbezirke für die Regionen Leningrad und Moskau einrichten, sagte der Generalstabschef. Von diesen Plänen hatten zuvor auch Armeeminister Sergej Schoigu und Präsident Wladimir Putin gesprochen.

»Wir hatten die freundlichsten, herzlichsten Beziehungen«, sagte Putin in einem Fernsehinterview über das Nachbarland Finnland. »Es gab keine Probleme. Aber jetzt wird es welche geben, denn wir richten einen Wehrbezirk Leningrad ein und konzentrieren bestimmte Militäreinheiten dort«, sagte er am vergangenen Sonntag.

Italiens Parlament lehnt Reform des Euro-Rettungsfonds ab

Rom – Die italienische Abgeordnetenkammer hat die von den Euro-Staaten seit Jahren geplante Reform des Euro-Rettungsfonds ESM am Donnerstag mit großer Mehrheit abgelehnt. Im Parlament von Rom stimmten 184 Abgeordnete dagegen, die meisten davon aus dem rechten Regierungslager. Für die Änderungen, auf die sich die Finanzminister der Euro-Staaten bereits vor drei Jahren geeinigt hatten, sprachen sich 72 Parlamentarier aus. 44 enthielten sich der Stimme. In Italien ist seit Oktober vergangenen Jahres unter der faschistischen Ministerpräsidentin Giorgia Meloni eine Koalition aus drei Rechtsparteien an der Regierung.

Die Euro-Staaten hatten sich bereits 2020 auf die Reform des ESM-Vertrags geeinigt. Damit die Änderungen in Kraft treten können, muß der Vertrag jedoch von den nationalen Parlamenten aller 19 Mitglieder ratifiziert werden. In allen anderen Ländern ist dies geschehen. Durch das Nein aus Italien ist das Vorhaben nun jedoch blockiert.

Als Ziel der Reform wurde deklariert, vorsorgliche Kreditlinien für Staaten in Wirtschafts- und Finanzkrisen erleichtern zu können. Zugleich soll es eine Rückversicherung für die Bankenabwicklung geben. Dieser gemeinsame »Backstop« soll das Bankensystem der Eurozone stärken und vor Finanzkrisen absichern. Der ESM ist ein Fonds, aus dem Länder mit dem Euro als Währung im Krisenfall Kredite erhalten können, um ihre Zahlungsfähigkeit zu sichern. Er war 2012 gestartet worden.

Protest gegen ArcelorMittal

Rom – Seit dem Morgengrauen mobilisierten am Donnerstag die Arbeiter des ehemaligen Ilva-Werks in Tarent, indem sie in den Streik traten und die Tore des Stahlwerks blockieren. Am selben Tag sollte ein weiteres Gespräch im Regierungßitz Palazzo Chigi stattfinden. Die Arbeiter sind verzweifelt und fordern Arbeit und Schutz für Umwelt und Gesundheit.

Die Gewerkschaft USB unterstützt die Stahlarbeiter bei dieser Mobilisierung voll und ganz und stellte eindeutige Forderungen an die Regierung: ArcelorMittal muß weg, keine privaten Spekulationen mehr, das Unternehmen muß sofort verstaatlicht werden.

Ukraine will Männer aus dem Ausland rekrutieren

Kiew – Bei der Suche der Ukraine nach zusätzlichen Soldaten will der neue Kriegsminister Rustem Umjerow auch im Ausland lebende Männer zum Kriegsdienst heranziehen. Ukrainer im wehrfähigen Alter von 25 bis 60 Jahren in anderen Ländern sollten aufgefordert werden, sich in den Rekrutierungszentren der Streitkräfte zu meldensagte Umjerow in einem Interview mit »Bild«, »Welt TV« und »Politico«.

Der Minister sprach zwar von einer Einladung. Er machte aber klar, daß es Sanktionen geben werde, wenn jemand der Aufforderung nicht folge. »Wir besprechen noch, was passieren soll, wenn sie nicht freiwillig kommen«, sagte er.

Das ukrainische Militär will 450.000 bis 500.000 weitere Soldaten für die Fortsetzung des Krieges mobilisieren. Die finanziellen und politischen Rahmenbedingungen sind jedoch noch nicht geklärt. Präsident Selenski hat die Mobilisierung eine »sensible Frage« genannt.

Umjerow sagte, künftig solle für die Betroffenen vorher klar sein, wie sie ausgebildet und ausgerüstet würden, wo und wann sie dienten und wann sie wieder entlassen würden. Trotz Verbotes haben sich viele ukrainische Männer vor einer Einberufung ins Ausland abgesetzt.

Gewalt gegen Protestmarsch

Islamabad – In Pakistans Hauptstadt Islamabad sind Sicherheitskräfte gewaltsam gegen Demonstranten vorgegangen. Hunderte Teilnehmer eines Protests gegen die Verfolgung einer Minderheit seien in der Nacht festgenommen worden, berichteten pakistanische Beamte und Aktivisten am Donnerstag. Videos in sozialen Medien zeigten, wie Sicherheitsbeamte mit Wasserwerfern und Tränengas auf die Demonstranten schossen.

Der von Frauen angeführte Protestmarsch richtet sich gegen die Verfolgung der ethnischen Minderheit der Belutschen. Auslöser war die Tötung eines jungen Mannes durch »Anti-Terroreinheiten« Anfang Dezember in der Stadt Turbat im Südwesten des Landes.

Die Belutschen sind eine ethnische Minderheit in Pakistan und stammen aus der südwestlichen Provinz Belutschistan, die an den Iran und Afghanistan grenzt. Die Region gilt als wirtschaftlich schlechter gestellt. Insbesondere dem Geheimdienst wird immer wieder vorgeworfen, Kritiker mundtot zu machen. Tausende Menschen sollen in den vergangenen Jahrzehnten ohne Spur verschwunden sein.

Streik am Eurotunnel

Wegen eines nicht angekündigten Streiks der Beschäftigten am Eurotunnel zwischen Britannien und Frankreich mußten etliche Verbindungen des Eurostar am Donnerstag gestrichen werden. Die Züge verbinden London mit Paris oder Brüssel. Auch der Autozug LeShuttle von Calais ins englische Folkestone konnte zunächst nicht fahren. Französische Medien berichteten lediglich, daß es bei dem Streik um »eine Sonderprämie« geht. Die Beschäftigten fordern eine deutlich bessere Bezahlung und akzeptable Arbeitsbedingungen.


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